"Die Zeit der dominanten Rolle Merkels ist vorbei" - Sondierungen in Berlin

  18 Oktober 2017    Gelesen: 1298
"Die Zeit der dominanten Rolle Merkels ist vorbei" - Sondierungen in Berlin
In Berlin beginnen die ersten Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen. Unter der Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel werden nun angestrengt Gemeinsamkeiten gesucht. "Die Zeit der dominanten Rolle Merkels ist vorbei" sagt der Politologe Dr. Nils Diederich: "Sie ist nicht mehr die ungekrönte Königin", so der Experte.
Abhaken, weitermachen, nach vorne schauen – das dürften sich CDU, FDP und Grüne nach der Landtagswahl in Niedersachsen beharrlich einreden. In Berlin liegen jetzt enorme Herausforderungen vor den Parteispitzen, eine stabile Regierungsmehrheit muss gefunden werden. Zwar ist Hannover nicht Berlin, dennoch hat die Woche für alle Beteiligten mit einem Dämpfer begonnen, ist sich Dr. Diederich sicher:

„Die Union hat verloren, die Grünen haben verloren und selbst die FDP hat verloren und zwar in einem durchaus ansehnlichen Umfang. Das ist natürlich eine Mahnung an diese Parteien, jetzt nicht übermütig zu werden.“

Bundeskanzlerin Merkel hat nun die Aufgabe, die Forderungen von CDU, CSU, FDP und Grüne unter einen Hut zu bekommen. Bei vergangenen Sondierungs- und Koalitionsgesprächen übernahm die Kanzlerin dabei meist eine dominante Rolle. Doch diese Zeiten seien endgültig vorbei, so Diederich:

„Sie ist nicht mehr die ungekrönte Königin, die unbestritten ist. Denn es ist sehr eindeutig, dass die Union viele Wähler verloren hat, vor allen Dingen an die AfD. Und da sind sicherlich viele darunter, die sagen: Die Zeit von Frau Merkel muss jetzt zu Ende gehen.“

Insofern sei die CDU-Vorsitzende nicht die große strahlende Siegerin, sondern sie werde bei den Verhandlungen lediglich darum bitten, ihr noch einmal eine Chance zu geben, die nächste Legislaturperiode zu überstehen. Hürden für eine gemeinsame Regierung gibt es massenhaft, so zum Beispiel in der Steuerpolitik. Die geringsten Schwierigkeiten sieht Diederich dabei in den Verhandlungen mit den Grünen:

„Die legen großen Wert auf das Thema und da wird es sicher allemal Kompromissmöglichkeiten geben. Aber ein harter Brocken wird die CSU mit ihrer Forderung zur deutlichen Begrenzung der Zuwanderung sein.“

Da im kommenden Jahr Landtagswahlen in Bayern sind, wird sich die bayerische Schwesterpartei deshalb in den Verhandlungen besonders in den Vordergrund spielen wollen. Der härteste Verhandlungspartner, so glaubt Diederich, werde allerdings die FDP:

Und auf der anderen Seite die FDP, die genau das nicht will. Die will zwar auch Begrenzung, aber nicht in die Richtung der CSU. Außerdem hat die FDP bereits deutlich gemacht, dass deutlich Steuern für die Besserverdienenden abgebaut werden sollen.

„Gerade die FDP wird natürlich darauf Wert legen, dass sich die neue Regierung auch einen neuen Anstrich verleiht. Zumindest muss sie den Anschein einer Art Grunderneuerung erwecken, Stichwort Digitalisierung und Steuersenkungen.“

An diesem Mittwoch trifft sich die Union zunächst mit der FDP, später dann mit Vertretern der Grünen. Am Donnerstag wollen sich dann FDP und Grüne alleine treffen. Gespräche in großer Runde mit allen Beteiligten sollen dann am Freitag stattfinden – natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Neben thematischen Gemeinsamkeiten spielt später dann auch die Frage nach Regierungsposten eine Rolle:

„Natürlich wird Herr Lindner darauf bestehen, in der neuen Regierung eine wichtige Rolle zu spielen. Auch Herr Özdemir wird darauf drängen, Außenminister zu werden. Die FDP legt auch Wert auf das Finanzministerium. Das wird noch außerordentlich schwierige Verhandlungen geben.“

Doch erst wenn alle Sachpunkte ausverhandelt seien, so Diederich weiter, gehe es an die Ressortverteilung. Da werde sich jeder Beteiligte wiedererkennen wollen. „Das wird noch ein Hauen und Stechen“, ist sich der Experte sicher. Die Grünen schicken voraussichtlich 14 Vertreter in die Gespräche, die FDP 13, die Union läuft mit 28 auf. Sollten aus den Sondierungsgesprächen letztendlich Koalitionsverhandlungen werden, könnten diese bis ins neue Jahr hinein andauern – so lange wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik.

Quelle : sputnik.de

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