Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Verhandlungsführer sprachen am Sonntag davon, dass die Gespräche jetzt in "Phase drei" eintreten. Die Verhandlungen waren von Anfang an auf drei Etappen angelegt: Die erste, gut zweiwöchige Phase war eine Art Gruppentherapie, in der alle sagen durften, was ihnen wichtig ist. "Erst mal reden lassen; Merkel kennt dieses Verfahren aus Brüssel, aus den EU-Verhandlungen", beschrieb CSU-Chef Horst Seehofer den Plan. Die Idee dahinter war, bei den Unterhändlern die Erkenntnis reifen zu lassen, dass man an Kompromissen nicht vorbeikommt.
Gelungen ist das nur teilweise. "Mich nervt das, wieviel Zeit wir hier miteinander verbringen, um uns anzunähern, obwohl allen vernünftigen Menschen klar sein muss, auf welche Kompromisslinien man sich einigen muss", ärgerte sich FDP-Vize Wolfgang Kubicki zum Ende von Phase eins. Auch nach außen entstand der Eindruck, dass die Jamaika-Parteien völlig unbeweglich sind.
"Jetzt wären mal die Unionsparteien dran"
Die zweite Phase begann am vergangenen Montagabend mit einem Treffen der Verhandlungsführer im Kanzleramt. "Wir schalten vom Sammelmodus in den Arbeitsmodus", erklärte Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner.
Zum Auftakt der neuen Runde signalisierten die Grünen Kompromissbereitschaft bei zwei Forderungen, die für sie von zentraler Bedeutung sind: dem Ausstieg aus der Kohleverbrennung und dem Ende für Verbrennungsmotoren, beides bis 2030. Die FDP rückte daraufhin von ihrer Forderung nach einer großen Steuerreform mit Entlastungen um 30 bis 40 Milliarden Euro ab. Mit Blick auf die Abschaffung des Solidaritätszuschlags erklärten die Liberalen sich zudem mit einer langsamen Rückführung einverstanden. Am Freitag räumte FDP-Chef Christian Lindner auch die Forderung nach einem Auslaufen des europäischen Rettungsschirms ESM ab.
Vergleichbare Zugeständnisse von CDU und CSU wurden nicht bekannt. "Nachdem wir abgerüstet haben, Maximalpositionen relativiert haben, wäre es jetzt mal an den Unionsparteien, Maximalpositionen zu räumen", sagte Lindner am Sonntag und meinte mit "wir" nicht nur seine Partei, sondern auch die Grünen. CDU und CSU blieben indes vage. "Jetzt in der dritten Etappe heißt die Aufgabe, Kompromisse zu finden", beschrieb Merkel lediglich das grundsätzliche Ziel. Das werde "noch ein großes Stück Arbeit", sei bei gutem Willen aber möglich. Danach saßen die Chefunterhändler sieben Stunden in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin zusammen. Konkrete Ergebnisse wurden nicht bekannt. Seehofer sagte nur: "Alles im Plan."
"Unsere Positionen sind unverrückbar"
Die Frage ist allerdings, ob die CSU den guten Willen hat, von dem Merkel sprach. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hatte zwar schon am Freitag gesagt, wer der CSU vorwerfe, die Gespräche zu blockieren, der sei "bösartig". Aber am Montagmorgen machte CSU-Landesgruppechef Alexander Dobrindt in der ARD klar, dass der Vorwurf keineswegs aus der Luft gegriffen ist: "Unsere Positionen sind unverrückbar und wir werden sie umsetzen." Zur Frage nach der Kompromissbereitschaft der CSU in der Klimapolitik sagte Dobrindt, ein Kohleausstieg sei "vollkommen abwegig, den wird's natürlich nicht geben".
Zuvor hatten die Grünen-Verhandlungsführer Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt darauf hingewiesen, wie wichtig der Klimaschutz für ihre Partei sei. Jedem sollte klar sein, dass die Grünen nicht in eine Regierung eintreten könnten, die nicht die Klimaschutzziele der Vorgängerregierung einhalte, sagte Göring-Eckardt in der ARD. Allerdings soll auch Merkel in Phase eins der Verhandlungen erklärt haben, das Wort "Kohleausstieg" werde in keinem Sondierungspapier auftauchen.
Zu Beginn von Phase drei gab es dann doch noch Bewegung bei der CDU. Finanz-Staatssekretär Jens Spahn, der für die CDU bei den Sondierungen mitverhandelt, machte deutlich, dass seine Partei einen Schritt auf die Grünen zugehen will. "Wer legal ins Land kommt, sich anpasst, Deutsch lernt, Arbeit hat und so beweist, dass er Teil dieser Gesellschaft sein will, soll auch dauerhaft bleiben dürfen und erleichtert die Möglichkeit zum Familiennachzug erhalten", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Auf Twitter ergänzte er allerdings, der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte müsse ausgesetzt bleiben. Dennoch scheint es auch atmosphärisch gut zu laufen. "Jürgen Trittin ist echt eine coole Socke", sagte Spahn. "Hätte ich gar nicht gedacht." Trittin gehört zum linken Flügel der Grünen - bei der Union wird er für das Scheitern der schwarz-grünen Sondierungsgespräche vor vier Jahren verantwortlich gemacht.
Damit bleibt, wie das viele Beobachter von Anfang an erwartet hatten, die CSU die letzte Blockade-Bastion auf dem Weg nach Jamaika. Sie hat das zusätzliche Problem, dass unklar ist, wie viel Einfluss Parteichef Seehofer noch hat. Er muss fürchten, bei einem schlechten Verhandlungsergebnis in Berlin Probleme mit seinen Parteifreunden in Bayern zu bekommen. In der Flüchtlings- und Migrationspolitik steht die CSU daher auf dem Standpunkt, sie habe sich ja schon mit der CDU geeinigt, mehr sei nicht drin. Auf die Frage, ob er wie Spahn an einen Kompromiss beim Thema Familiennachzug glaube, sagte Dobrindt: "Nein. Wir haben klare Vereinbarungen mit der CDU getroffen." Die CSU wolle eine Begrenzung der Zuwanderung, dazu sei das nötig, was sie mit der CDU gemeinsam erarbeitet habe. "Das setzen wir auch in den Verhandlungen um."
Das klingt nicht danach, als sei ein Verhandlungserfolg wahrscheinlich. FDP-Vize Kubicki bewertet die jüngsten Verhandlungsfortschritte dennoch positiv. "Wir sind jetzt in sehr intensiven Gesprächen", sagte er bei n-tv. "Wir bewegen uns alle aufeinander zu". Bis Donnerstag werde es noch "viele Nachtsitzungen" geben. Aber: "Es ist Bewegung im Spiel."
Quelle: n-tv.de
Tags: