CDU und SPD bringen sich in Stellung

  28 November 2017    Gelesen: 524
CDU und SPD bringen sich in Stellung
Die CDU-Spitze setzt auf eine Große Koalition, warnt aber schon jetzt vor Maximalforderungen: Die Idee einer Bürgerversicherung solle die SPD fallenlassen. FDP-Vize Kubicki hingegen sieht die SPD jedoch in der besseren Verhandlungsposition für eine Große Koalition.
Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche bringen sich Union und SPD für eine Neuauflage der großen Koalition in Stellung. Kanzlerin Angela Merkel drängte am Wochenende zu einer raschen Regierungsbildung. Neuwahlen erteilte die CDU-Chefin eine Absage. Die SPD zeigte sich gesprächsbereit, will aber kein neues Bündnis mit der Union um jeden Preis. Führende Sozialdemokraten stellten einen Strauß an inhaltlichen Bedingungen - die CDU warnte daraufhin die SPD davor, die Gespräche mit Maximalforderungen zu belasten. Aber auch die Union stellt bereits Bedingungen auf.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will an diesem Donnerstag mit Merkel, dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer ausloten, welche Möglichkeiten für eine Regierungsbildung ohne Neuwahlen bestehen. Auf die Frage, ob er einen Beginn von Sondierungen für eine erneute große Koalition noch vor Weihnachten für möglich halte, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet: "Weihnachten ist ein Datum, aber keine Frist. Denn auch hier gilt: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit."

Merkel hatte bereits am Samstag auf einem CDU-Landesparteitag in Mecklenburg-Vorpommern erklärt, es sei "wünschenswert, sehr schnell zu einer Regierung zu kommen - nicht nur zu einer geschäftsführenden". Als "Maßstab" für eine Regierungsbeteiligung nannte sie, dass die Probleme Deutschlands gelöst werden und es den Menschen besser gehe. Einen ausgeglichenen Haushalt und Entlastungen beim Soli bezeichnete die Kanzlerin als "Leitschnur".

Seehofer: Groko ist beste Variante

CSU-Chef Horst Seehofer sieht ein Bündnis aus Union und SPD als "die beste Variante für Deutschland". Er warnte die Sozialdemokraten in der "Bild am Sonntag" aber vor überzogenen Forderungen. Auch die CDU-Spitze ermahnte die SPD, Gespräche nicht mit Maximalforderungen zu belasten. "Wer sich jetzt zum Scheinriesen aufbläst und sozusagen ununterbrochen fordert, was wir jetzt tun müssten, dem möchte ich sagen: Er soll's nicht übertreiben", sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier.

Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder riet zur Zurückhaltung. "Wir sind hier jetzt nicht auf dem Jahrmarkt, wo es darum geht, herauszuschreien, was man möchte und der andere schreit was anderes, sondern wir haben ja in den Sondierungen mit FDP und Grünen auch schon Grenzen gezeigt", so Kauder in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Er sprach sich gegen eine Minderheitsregierung aus. "Wenn man für jedes Gesetz, das man durch den Bundestag bringen muss, sich einen Partner oder zwei suchen muss, könnte das nicht billiger werden als wenn man eine Koalition hat", sagte Kauder. "Auch die Abläufe im Parlament sind mit einer Koalition wesentlich besser zu steuern als Zufallsmehrheiten."

Die rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer sprach sich hingegen dafür aus, dass ihre Partei eine unionsgeführte Minderheitsregierung toleriert. Im Gespräch der Parteichefs mit Steinmeier müsse offen über Alternativen zu einer Großen Koalition gesprochen werden, sagte Dreyer in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". "Ich persönlich bin der Auffassung, dass wir einen guten Weg gemeinsam gehen könnten, wenn wir die neue Bundesregierung dulden." In "wichtigen, staatstragenden" Themen könne sich die SPD mit der Union natürlich verständigen, so Dreyer. "Wir sollten Mut haben auch mal für einen neuen Weg." Die SPD tue sich "sehr, sehr schwer mit der Großen Koalition".

Schäfer-Gümbel will Steuerform

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende und rheinland-pfälzische Landesparteichefin Julia Klöckner forderte die SPD auf, vor allem von der Forderung nach einer Bürgerversicherung abzugehen. Eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung würde alle Versicherten teurer zu stehen kommen. "Wir haben in vier Wochen Weihnachten. Dennoch sollte man mit Wunschzetteln sehr realistisch umgehen." Zugleich warnte Klöckner davor, mit roten Linien in Gespräche zu gehen. Zu einer Minderheitsregierung äußerte auch sie sich skeptisch. Deutschland habe eine starke Bedeutung in Europa. "Da ist Stabilität gefragt."

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, der in Kiel eine Regierung aus CDU, FDP und Grünen führt, riet allen Seiten vor möglichen Gesprächen, "nicht wieder vorher gleich einen auf dicke Hose zu machen und zu sagen, was alles auf jeden Fall durchgesetzt werden muss." Eine Minderheitsregierung lehnte der CDU-Mann ab. "Deutschland als Lokomotive in Europa, als Stabilitätsanker, braucht auch eine stabile Regierung."

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel hatte im Fall von Sondierungsgesprächen mit der Union einen Kurswechsel insbesondere in der Steuerpolitik gefordert. "Ein 'Weiter so' wird es in keinem Fall geben. Das gilt ganz ausdrücklich bei Steuern und größten Vermögen", sagte der hessische SPD-Landeschef. Im Wahlprogramm hatte die SPD eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent angekündigt. Zudem sollen sehr große Erbschaften höher besteuert werden.

Union und SPD legen bei Umfrage zu

Die Möglichkeit einer großen Koalition lässt offenbar die Umfragewerte von Union und SPD steigen. In einer Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" legt die Union um zwei Punkte auf 33 Prozent und die SPD um einen Punkt auf 22 Prozent zu. Grüne und FDP verlieren je einen Punkt und erreichen 10 und neun Prozent. Die Grünen stellen sich derweil auf die Oppositionsrolle ein. Parteichef Cem Özdemir sagte am Samstag auf dem Bundesparteitag in Berlin, bei einer neuen großen Koalition müssten die Grünen für Klimaschutz, Menschlichkeit, Europa und Weltoffenheit einstehen. Der Parteitag hielt sich die Möglichkeit einer schwarz-grünen Minderheitsregierung offen.

FDP-Chef Christian Lindner rechnet mit einer großen Koalition. "Die Hürde ist geringer als bei uns", sagte er der "Bild am Sonntag" mit Verweis auf die Jamaika-Runde. "Jamaika wäre binnen Monaten in 1000 Trümmerteile zerfallen". Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki hält eine Große Koalition für den "einzigen Ausweg" aus der derzeitigen Situation. Eine Minderheitsregierung höre sich sympathisch an, "ist aber für Deutschland ein Experiment, das wir nicht eingehen sollten", sagte er der "Neuen Zürcher Zeitung". Es brauche eine starke deutsche Stimme in Europa, die nicht erst parlamentarisch nach Mehrheiten suchen muss. Die Sozialdemokraten haben es nach Ansicht des FDP-Politikers jetzt in der Hand.

"Sie könnten von der Union alles bekommen, was sie wollen", erklärte Kubicki. Das Einzige, was die Union noch verteidige, sei, dass Merkel Kanzlerin bleibe. "Wenn ich bei der SPD wäre, würde ich erst die Basis befragen und dann ein paar Bedingungen stellen: Finanzministerium, Wirtschaftsministerium. Und ich würde der Union sagen: Nehmt ihr doch das Umweltministerium und das Ministerium für Arbeit und Soziales - da habt ihr den Ärger." Dann wäre bei der Union "sehr schnell der Lack ab", so Kubicki.

Quelle: n-tv.de

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