Rechtsruck auf AfD-Bundesparteitag

  04 Dezember 2017    Gelesen: 614
Rechtsruck auf AfD-Bundesparteitag
In der AfD stehen mit Jörg Meuthen und Alexander Gauland nun zwei Männer an der Spitze, die sich schützend vor Rechtsaußen Björn Höcke stellen. Die Rechtspopulisten werden noch rechter - als Programmatik wird das auf Dauer nicht reichen.
Im Januar, so heißt es bei der AfD, will das Landesschiedsgericht in Thüringen über das Ausschlussverfahren gegen Björn Höcke entscheiden. Wie es aussieht, muss sich der Thüringer Landes- und Fraktionschef, ein Vertreter radikaler und völkischer Positionen, keine großen Sorgen mehr machen.

Denn seit diesem Wochenende ist er seinem Verbleib in der AfD ein gutes Stück näher gekommen. Mit Jörg Meuthen und Alexander Gauland führen seit dem Parteitag von Hannover jetzt zwei Männer die AfD, die im Frühjahr zur Riege jener Minderheit von vier Vertretern gehörten, die im Bundesvorstand gegen das Ausschlussverfahren stimmten.

Meuthen und Gauland könnten am Ende Höckes Retter werden: Sollte nämlich das Landesschiedsgericht im Frühjahr den Ausschlussantrag ablehnen, könnten sie den Bundesvorstand überzeugen, das Verfahren gegen den Parteifreund zurücknehmen.

Das scheint derzeit die wahrscheinlichste Variante. Und es zeigt, wie weit nach rechts die AfD gerückt ist.

Der geplante Rauswurf Höckes war noch von der damaligen Parteichefin Frauke Petry angestrengt worden. Doch Petry, die die Partei nach dem Einzug in den Bundestag verließ, ist längst Vergangenheit. Ihre einstigen Unterstützer spielen keine nennenswerte Rolle mehr. Die "Alternative Mitte", im Sommer noch gegen den rechten "Flügel" gegründet worden, bleibt ein Randphänomen. Und jenen Kräften, die - wie Petry - von einem Regierungskurs der AfD in naher Zukunft träumen, wurden in Hannover ihre Grenzen aufgezeigt.

Das musste vor allem der Berliner Landeschef Georg Pazderski erleben, gegen den die Höcke-Unterstützer hastig die Schleswig-Holsteinerin Doris von Sayn-Wittgenstein ins Rennen schickten. In zwei Wahlgängen schaffte der frühere Bundeswehroffizier nicht die erforderlichen 50 Prozent, anschließend musste er sich mit einem demütigenden Ergebnis von 51,2 Prozent mit einem der drei Vizeposten begnügen.

Dem einstigen Oberst nutzte es auch nichts, dass er vor Beginn des zweitägigen Parteitags auf maximale Distanz zu Ex-Parteichefin Petry gegangen war, ihm wurde sein einstiges Votum für den Ausschluss Höckes ebenso wenig verziehen wie sein Bestreben, die AfD in seiner Heimat Berlin irgendwann an der Seite von CDU und FDP regierungsfähig zu machen.

Trotzig gab er nach seiner Wahl zum Vize zu Protokoll, seine Priorität sei künftig "die Professionalisierung der Partei, um zu einem geeigneten Zeitpunkt aus einer Position der Stärke Regierungsverantwortung zu übernehmen". Ein zumindest wagemutiger Satz, kehrt doch Pazderski als angeschlagener Landeschef von einem chaotischen Parteitag in seinen - nicht minder unruhigen - Berliner Landesverband zurück.

Mit Alexander Gauland ist nun ein Mann an der Spitze der AfD, der dorthin eigentlich nicht mehr wollte. Der 76-Jährige, der zuletzt Vize war und der an der Seite von Alice Weidel mit der Führung der Bundestagsfraktion ausgelastet ist, musste seinen Plan jedoch revidieren. Gauland ist die einzige Integrationsfigur, die die Partei derzeit aufbieten kann. Darüber sollte auch sein schwaches Ergebnis von knapp 68 Prozent nicht hinwegtäuschen. Schon lange vor Hannover war Gauland der Strippenzieher der AfD, ohne ihn wäre die Partei wohl nicht dort, wo sie jetzt ist - im Bundestag.

Die AfD hat sich in Hannover als eine tief zerstrittene Truppe präsentiert. In ihr tummeln sich Rechtsradikale, Völkische, Verschwörungstheoretiker, Antisemiten, radikale Antimuslime, Neoliberale, National-konservative, ehemalige Mitglieder aus vielen Parteien - eine wilde Mischung, begleitet von einer oftmals ausgeprägten Gehässigkeit. Bislang war der Anti-Merkel-Kurs das Erfolgsrezept bei Wahlen, das wird noch eine ganze Weile so bleiben. Solange Merkel Kanzlerin ist, bleibt nämlich der AfD ihr liebstes Feindbild als einträglichstes Geschäftsmodell erhalten. Davon zeugten einmal mehr viele Reden gegen die Kanzlerin in Hannover. Diese Rhetorik kaschierte oftmals, wie brüchig die innere Statik der Rechtspopulisten eigentlich ist.

Als Petry noch Parteichefin war, galten Gauland, Meuthen und Höcke als ein Anti-Petry-Trio in einer ohnehin auf Anti-Kurs gebürsteten Partei. Ob diese Gruppe ohne ihr einstiges Feindbild auch in Zukunft noch Bestand haben wird, darf bezweifelt werden.

Meuthen ist ein wankelmütiger Parteichef, der sich durch die Positionskämpfe durchzulavieren wusste und der sich in den Augen mancher AfDler von seinem baden-württembergischen Landesverband auf ein Europaabgeordnetenmandat in Brüssel rettete. Und Gauland? Er ist 76, die künftige Doppelbelastung als Partei- und Fraktionschef wird für ihn eine Herausforderung.

Dem Rechtsaußen Höcke wiederum fehlt, wie vielen Vertretern aus dem rechten radikalen Flügel, jenes Gespür für Mäßigung, das unabdingbar ist, um eine Partei im Inneren zusammenzuhalten. Bezeichnend für seinen Übermut war seine sarkastische Bemerkung, die er an Weidel richtete, bevor sie erneut als Beisitzerin in den Bundesvorstand gewählt wurde: Die AfD sei so ein "bisschen kritisch, was Machtakkumulation angehe", in den Reihen der Delegierten habe er über sie schon den Begriff "verhinderte Sonnenkönigin" gehört. Für seine Bemerkung bekam er in Hannover Pfiffe, was auch Höcke zeigte, dass seine Position bei Weitem nicht so stark ist, wie es der Erfolg seiner Unterstützer Meuthen und Gauland glauben lässt. Bei den Wahlen zu den sechs Beisitzerposten im Bundesvorstand konnte der weit rechts stehende "Flügel" mit Andreas Kalbitz lediglich einen Vertreter durchbringen.

Höcke wird das vorerst verschmerzen. Für ihn geht es zunächst um das naheliegende Ziel: In der AfD zu bleiben. Und wie es aussieht, wird das wohl auch demnächst gelingen.

Quelle : spiegel.de

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