Angela Merkel dagegen möchte noch nicht das sein, was in der Politik einem Senior Researcher entspräche, also eine "Elder Stateswoman". Merkel, fünf Jahre jünger als ihr Ehemann, will es noch einmal wissen: Der Bundestag möge sie erneut zur Kanzlerin wählen. Das ist ihr Ziel.
Wäre alles nach Plan gelaufen für die CDU-Vorsitzende, wäre das Ziel längst erreicht. Immerhin liegt die Bundestagswahl nun schon ein Vierteljahr zurück. Bekanntermaßen aber läuft es mit der Regierungsbildung diesmal ein bisschen zäh, Merkel ist noch immer geschäftsführend im Amt. Und darum muss nun 2018 die Entscheidung darüber bringen, wie es weitergeht. Mit der Regierung. Mit Merkel. Die Aussichten sind durchwachsen.
Ein paar Tage war die Kanzlerin gerade mit Joachim Sauer Langlaufen im schweizerischen Engadin. Noch ein bisschen Erholung über Neujahr - dann geht es zurück an die Arbeit. Nach einem erneuten Vorbereitungstreffen beginnen am 7. Januar die offiziellen Sondierungsgespräche mit der SPD, die Merkel gemeinsam mit CSU-Chef Horst Seehofer führen wird, Ende Januar könnten die Koalitionsverhandlungen starten, noch vor Ostern die Regierung stehen.
Wenn die Sozialdemokraten mitmachen - also ein SPD-Parteitag, der die Aufnahme der Koalitionsgespräche absegnen und ein Mitgliederentscheid, der am Ende einem Koalitionsvertrag zustimmen müsste. Und wenn ihr nicht der eine oder andere aus dem Unionslager noch dazwischenfunkt.
Die Kanzlerin hat lange mit sich gerungen, ob sie eine vierte Amtszeit anstreben soll. Merkel hätte ja auch im Gleichschritt mit ihrem Mann ausscheiden können. Sie hat sich anders entschieden. Und deshalb muss es jetzt mit der Großen Koalition aus ihrer Sicht auch unbedingt klappen. Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen braucht die CDU-Chefin die schwarz-rote Neuauflage, um in geordneten Verhältnissen weiter regieren zu können - und anschließend auf ebenso geordnete Weise ihren Abgang von der Macht zu gestalten.
Merkel will keine Minderheitsregierung. Es passt nicht zu ihrem Politikstil. Ohne eigene Mehrheit müsste sie ständig öffentlich um ihre Anliegen werben, mal diese Bundestagsfraktion, mal jene umgarnen. Merkel ist zudem der Meinung, dass Deutschland eine stabile Regierung braucht, um gemeinsam mit Frankreich den Gedanken der europäischen Integration neu zu beleben und gleichzeitig die EU zu einem echten Machtfaktor angesichts einer zunehmend unübersichtlichen globalen Gemengelage zu machen.
Aber sie braucht die Stabilität auch für sich selbst. Sollte es nicht klappen mit der Großen Koalition, würden früher oder später wohl Neuwahlen anstehen. Und auch wenn Merkel gleich nach dem Jamaika-Aus beteuerte, dass sie für diesen Fall selbstverständlich abermals als Unions-Spitzenkandidatin antreten würde: Ausgemacht wäre das längst nicht. Je länger sich die Regierungsbildung hinzieht, desto größer würden die Zweifel in den eigenen Reihen, ob eine angeschlagene Merkel CDU und CSU noch die Macht sichern könnte.
Zu öffentlichen Widerworten traut sich aus der vordersten CDU-Riege bislang nur Jens Spahn. Hinter dem Präsidiumsmitglied und Finanzstaatssekretär stehen andere, die ähnliches denken, das aber lieber nur hinter vorgehaltener Hand äußern. Kritik an der Flüchtlingspolitik oder dem Linkskurs der Merkel-CDU ist dabei eigentlich nur eine Chiffre für das Bedürfnis nach Veränderung. Nach zwölf Jahren Kanzlerschaft wünschen sich gerade Jüngere in der Union einfach etwas Neues, oder eher: jemanden Neues. Im Falle von Neuwahlen wäre zu erwarten, dass dieser Wunsch nach Veränderung auch in die Öffentlichkeit getragen wird.
Das Negativ-Beispiel Kohl hat Merkel erlebt
Merkel hat als Ministerin unter Helmut Kohl erlebt, wie man es am besten nicht macht. Um am Ende nicht vom Hof gejagt zu werden, muss sie deshalb selbst ihren Abgang und den Übergang der Macht organisieren.
Dieser Übergang hat längst begonnen. Aber noch hat Merkel Zeit - erst recht, wenn sie sich noch einmal in die Große Koalition retten kann. Deshalb wird sie der SPD weit entgegen kommen (ohne gleichzeitig die eigenen Leute zu sehr zu enttäuschen), wird Spahn oder andere Nachwuchshoffnungen wie CDU-Vize Julia Klöckner wohl in ein mögliches Kabinett holen, auch den Posten des Generalsekretärs dürfte sie entsprechend besetzen.
spiegel.de
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