Showtime in Berlin

  03 Januar 2018    Gelesen: 565
Showtime in Berlin
Im September wurde gewählt, eine Regierung ist noch nicht in Sicht. Das Problem dabei ist aber nicht, dass es noch keine Koalition gibt. Das Problem ist, dass die Parteien derzeit mehr Show als Politik bieten.
"Die Welt wartet nicht auf uns", hat Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache gesagt. Die Erkenntnis kommt etwas spät. Gut 100 Tage sind seit der Bundestagswahl verstrichen. Koalitionsverhandlungen gab es bisher nicht. Eine neue Regierung? Fehlanzeige. Wann diese kommt, ist unklar. CSU-Chef Horst Seehofer rechnet mit Ostern. Nach derzeitigem Stand ist das optimistisch. Man kann es den geschäftsführenden Ministern samt den Verwaltungen hoch anrechnen, dass das Tagesgeschäft trotzdem reibungslos funktioniert.

Es ist keine Schande, dass eine Regierungsbildung länger dauert. Das Scheitern der Jamaika-Sondierungen ist kein Beinbruch. Das kann unter Demokraten passieren. Und dass es nicht leicht werden würde zwischen Union und SPD, kommt auch nicht überraschend. Unwürdig ist allerdings das Theater, das die Parteien abgeliefert haben - und munter weiter veranstalten.

"Wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht als Berufspolitiker, wenn man in einer solchen Zeit keine Regierungsbildung zusammenbringt", sagt Seehofer mit Verweis auf seine persönliche Deadline Anfang April. Das ist eine späte Erkenntnis. Denn erst wollten die Politiker auf das Ergebnis der Landtagswahl in Niedersachsen warten - und ließen dabei einen Monat ungenutzt verstreichen. Dann verhedderten sich die Jamaika-Parteien in Detailfragen und scheiterten. Wie gesagt, das ist kein Beinbruch. Doch seitdem sind bereits weitere eineinhalb Monate vergangen. Das Gebummel ist eine Ohrfeige für die Wähler, die zügige Verhandlungen zwischen den Parteien erwarten dürfen.

Lächerlich auf langem Wege

Besonders lang und zeitintensiv ist der Weg der SPD. Inzwischen ist die Partei von ihrer Absage an eine Große Koalition abgerückt. Dabei war diese Entscheidung am Wahlabend verständlich. Die Partei wollte und will sich nach dem Desaster neu sortieren - doch weit ist sie mit ihrem geschwächten Vorsitzenden bislang nicht gekommen. Vielmehr ist sie starr vor Angst, noch mehr Wählerstimmen zu verlieren. Hinzu kommen lächerliche Vorschläge, die mit der Union nicht umzusetzen sind. Mögliche Kompromisse, so sie denn mühsam gefunden werden, müssen zudem noch einen Parteitag der Sozialdemokraten sowie eine Mitgliederbefragung überleben - inklusive einzuhaltender Fristen und Vorlaufzeiten.

Nicht minder zeitverschwenderisch agiert die CSU. Ihre eigentliche Sorge gilt der Landtagswahl im Herbst und der absoluten Mehrheit. "Wir werden in Berlin nichts vereinbaren, was den Landtagswahlkampf in Bayern erschwert", hat Seehofer der eigenen Basis versprochen. Entsprechend hart sind die Linie für die Sondierungen auf Bundesebene und die munter verabschiedeten Forderungen, die den Wünschen der SPD entgegenstehen. Gleichzeitig aber fordert Bayerns Innenminister Joachim Herrmann die Sozialdemokraten auf, eine Große Koalition zu ermöglichen und erinnert - wie viele vor ihm - an die demokratische Verantwortung der SPD. Zweifelsohne wäre diese Forderung auch in der eigenen Partei gut aufgehoben.

Von CDU-Chefin Merkel kommt derweil wenig bis nichts. Sie regiert ja weiter. Auch ihre Partei fordert Zugeständnisse von der SPD. Immerhin hat sie sich mit der Schwesterpartei wieder versöhnt - und hat sich lange nicht mehr so hochherrschaftlich gegeben. Die CDU mag glauben, dass es ohne sie nicht ginge, aber das kann nach hinten losgehen. Deshalb sollte sich die Union besser schon mal mit dem Gedanken einer Minderheitsregierung anfreunden, da mögen die Parteispitzen noch so oft betonen, dass das ausgeschlossen sei.

Alle Beteiligten scheinen die Diskrepanz zwischen ihren Wünschen und der Wirklichkeit nicht wahrzunehmen. Wenn sie nicht an die Große Koalition glauben, sollen sie bitte auch die Konsequenzen ziehen. Wenn sie sie für eine Option halten, müssen die taktischen Spielchen aufhören. Denn nicht die Länge der Regierungsbildung ist das Problem. Sondern wie die Parteien durch ihr Verhalten noch ihre letzte Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen.

Quelle: n-tv.de

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