Dieser Alleingang der FDP scheint im Rückblick wie eine logische Konsequenz aus dem, was das vermeintliche Wahlvolk bereits im Juli in einer Befragung der Bertelsmann Stiftung zu Europa offenbarte. Denn lediglich 49 Prozent der FDP-Anhänger wünschen sich eine stärkere europäische Integration. Das geht aus der Studie "Globalisierung und europäische Integration: Bedrohung oder Chance?" hervor. Insgesamt wünschen sich knapp zwei Drittel der Deutschen mehr Integration.
Im Vergleich zu den anderen Partei-Anhängern ist der FDP-Wert der zweitschlechteste. Lediglich die rechtspopulistische AfD liegt darunter (35 Prozent). Die meisten Befürworter einer stärkeren EU-Integration finden sich unter den SPD-Anhängern (66 Prozent), gefolgt von den Grünen (65 Prozent), der CDU/CSU (63 Prozent) und der Linken (62 Prozent).
Das Europa-Bekenntnis scheint bei den Liberalen in Deutschland also zu wackeln. Dabei hatte FDP-Chef Lindner beim Dreikönigstreffen seiner Partei am vergangenen Wochenende als Antwort auf die sich verändernde Weltlage die "Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit Europas und das aktive Eintreten für weltweiten Freihandel" gefordert. Er lobte außerdem die Vorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu einer stärkeren Verzahnung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa.
Mehrheitlich positives Image der EU
Doch dieses Plädoyer für mehr europäische Kooperation kommt nur bedingt bei den eigenen Wählern an. Damit stehen diese vermutlich eher unfreiwillig in unmittelbarer Nachbarschaft zu rechten und rechtspopulistischen Sympathisanten, die sowohl eine vertiefte Integration als auch die Globalisierung im Allgemeinen ablehnen.
Wie die Untersuchung allerdings auch zeigt, sind die Bürger der EU mehrheitlich positiv gesonnen. "Europa im Jahr 2017 ist parteiübergreifend als Quelle von Stabilität, Wohlstand und Frieden akzeptiert", fasst Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, die Ergebnisse zusammen. Das sei ein Erfolg Europas. Das Schlüssel-Fazit lautet: Diejenigen, die dem freien Verkehr von Waren, Geld und Menschen generell positiv gegenüberstehen, wünschen sich auch eine tiefere europäische Zusammenarbeit. Während in Frankreich und Polen knapp 60 Prozent der Befragten so denken, sind es in Deutschland 64, in Italien 73 und in Spanien gar 81 Prozent.
Zwar sieht umgekehrt ein wesentlicher Teil der Europäer die Globalisierung als Bedrohung an (44 Prozent). Wird allerdings nach den persönlichen Erfahrungen mit der internationalen Vernetzung gefragt, bewertet eine Mehrheit diese als eher gut. Das gilt auch für die deutschen FDP-Anhänger. 60 Prozent sehen die Globalisierung eher als Chance denn als Bedrohung. Und acht von zehn Befragten haben persönlich gute oder eher gute Erfahrungen damit gemacht.
Ganz anders die Anhänger der populistischen Parteien: Sie haben sowohl Angst vor der Globalisierung als auch persönlich schlechte Erfahrungen damit. Fast zwei Drittel der AfD-Anhänger empfinden sie als generelle Bedrohung - auf Seiten der Wähler der Linken sind es immerhin 51 Prozent.
Ängste ernstnehmen und bekämpfen
Doch bei den Konsequenzen sind die Globalisierungs-Pessimisten gespalten. Während etwa die Hälfte derer, die die Folgen des internationalen Austausches fürchten, in einer vertieften europäischen Kooperation einen Teil der Lösung des Problems sieht, betrachtet die andere Hälfte das vielmehr als Grund allen Übels. Zu Letzteren gehören vor allem Anhänger der AfD oder etwa des französischen Front National.
Von den Studie-Autoren heißt es dazu schlussfolgernd, die Ängste der Globalisierungsgegner ernst zu nehmen und zu bekämpfen, "ist die entscheidende Herausforderung der kommenden Jahrzehnte für die etablierten Parteien sowohl im linken als auch im rechten Spektrum." Nur so würden sie die Wähler von den Populisten zurückgewinnen. Die Menschen müssten wieder ein Gefühl der Kontrolle und des Selbstvertrauens bekommen. Thematisch hätten dabei der internationale Terrorismus sowie die Migration und weniger wirtschaftliche Probleme Vorrang. Es bleibt abzuwarten, ob sich dessen auch die Anhänger der FDP wieder bewusster werden.
Für die Studie befragten die Forscher mithilfe des europäischen Meinungsforschungs-Instruments der Bertelsmann Stiftung "eupinions", das zusammen mit Dalia Research entwickelt wurde, rund 10.000 Europäer. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die EU insgesamt sowie für die fünf bevölkerungsreichsten Mitgliedsstaaten: Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Spanien.
Quelle: n-tv.de
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