Das kann die SPD der Union noch abringen

  23 Januar 2018    Gelesen: 1010
Das kann die SPD der Union noch abringen

SPD-Frontfrau Andrea Nahles will mit der Union verhandeln, "bis es quietscht". In der Gesundheit und beim Arbeitsrecht verspricht das sogar Erfolg

Der SPD-Parteitag hat Ja gesagt. Nun muss die Parteiführung in den Koalitionsverhandlungen mit der Union das Aber durchsetzen. Denn vielen in der SPD fehlen im Sondierungspapier wichtige Ergebnisse. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles versprach Verhandlungen, "bis es quietscht auf der anderen Seite". So will die SPD nicht nur beim Familiennachzug von Flüchtlingen, sondern auch in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik noch mehr herausholen.

Bei der Gesundheitspolitik bringt es der erweiterte SPD-Leitantrag vom Sonntag auf die griffige Formel vom "Ende der Zwei-Klassen-Medizin". Wer die auf 28 Seiten aufgeschriebenen Sondierungsergebnisse liest, der sieht tatsächlich im Bereich Gesundheit noch viel Spielraum. Denn dazu reicht Union und SPD gerade einmal eine halbe A4-Seite.

Konkret wurden nur zwei Vorhaben vereinbart:

Mehr Steuergeld in die Krankenversicherung zu stecken, um die Versorgung von Hartz-IV-Empfängern zu finanzieren.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen wieder gleich hohe Beiträge in die Krankenversicherung zahlen.
Der Rest sind schwammige Formulierungen wie "Solidarität der Gesellschaft" und "Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitswesen". Das Gute für die Verhandler: Hier bleibt noch viel Raum für Konkretes.


Ihre große Reformidee von der Bürgerversicherung - also das Ende des Nebeneinanders von gesetzlicher und privater Krankenversicherung - wird die SPD bei den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen können. Aber sie könnte erreichen, dass die Unterschiede zwischen den beiden Systemen verringert werden. Die Partei könnte das als ersten Schritt in Richtung Bürgerversicherung verkaufen. Die Union wiederum könnte ihren Anhängern die Reformen mit dem Verweis auf längst bekannte Probleme erklären. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte ein, es gebe im Gesundheitssystem "strukturelle Schwächen".

In folgenden Bereichen sind Kompromisse denkbar:Annäherung bei der Honorarordnung

Derzeit sind privatversicherte Patienten für Ärzte wesentlich lukrativer als gesetzlich Versicherte. Denn die Mediziner können bei den privaten Kassen jede Leistung nach der privatärztlichen Gebührenordnung abrechnen. Experten zufolge wird für Privatpatienten bei gleicher Behandlung das Doppelte oder gar Dreifache abgerechnet im Vergleich zu Kassenpatienten. Denn für gesetzlich Versicherte gibt es nur ein festgelegtes Quartalshonorar und Pauschalen für bestimmte Leistungen wie etwa EKG. Besonders zum Quartalsende hin wird bei vielen Ärzten das Budget für Untersuchungen knapp. Überschreiten Ärzte es, werden Leistungen niedriger vergütet.

Die SPD fordert deshalb, die Honorarsysteme für Privat- und Kassenpatienten zu überarbeiten und anzugleichen. Indem etwa für Kassenpatienten mehr und für Privatpatienten weniger gezahlt wird, könnte der Geldanreiz für Praxen und Kliniken anders gestaltet werden. Und Privatpatienten könnten unnötige Behandlungen erspart bleiben.

Mit einer Reform der Honorarordnung könnte eine Große Koalition sogar noch ein weiteres Problem angehen: den Ärztemangel in bestimmten Gegenden. Bislang lassen sich Ärzte vor allem dort nieder, wo lukrative Privatpatienten leben. Eine angemessenere Honorarverteilung könnte Anreize dafür schaffen, dass Ärzte sich wieder auf dem Land ansiedeln.

spiegel.de


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