Justizskandal in Deutschland? Terrororganisation oder "Regime"

  26 Januar 2018    Gelesen: 1720
Justizskandal in Deutschland? Terrororganisation oder "Regime"

Ein deutsches Gericht berät darüber, ob ein DHKP-C-Terror-Helfer in der Türkei ein verfolgter Oppositioneller ist.

Hamburg / TABP - Vor dem Oberlandesgericht in Hamburg ist ein Holländer wegen seiner aktiven Mitgliedschaft in einer türkischen Terrorgruppe angeklagt. Er soll für die Gruppe Geld gesammelt und Waffen beschafft haben. Die Verteidigung jedoch stilisiert den Angeklagten zum in der Türkei verfolgten Oppositionellen hoch. Und das Gericht will jetzt darüber beraten, ob das zutrifft.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem 56-jährigen Niederländer Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor. Er soll für die türkische Terrororganisation DHKP-C Spenden gesammelt und Waffen für Selbstmordanschläge und andere Gewalttaten beschafft haben.

Die Revolutionäre Volksbefreiungspartei/front (in der Türkei abgekürzt als DHKP-C bezeichnet) ist eine marxistisch-leninistische Untergrundorganisation in der Türkei. Sie verfolgt das Ziel, die Staatsordnung in der Türkei durch "bewaffnete revolutionäre Aktionen zu zerschlagen". Dabei bedient sie sich in der Türkei auch terroristischer Methoden. Die Gruppe steht auf der Liste der terroristischen Vereinigungen des Rates der Europäischen Union und der USA.

Doch die DHKP-C ist nicht nur in der Türkei terroristisch aktiv, auch andere Länder sind ein wichtigeres Betätigungsfeld der Terrormiliz. In Deutschland organisiert sich die DHKP-C durch Vereine, deren Satzungen keinen Rückschluss auf die Organisation zulassen. Die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front" (DHKP-C) hat sich zu zahlreichen Anschlägen in der Türkei bekannt und ihre Kämpfer wiederholt für Selbstmordanschläge eingesetzt.

Auch in der Anklageschrift der deutschen Bundesanwaltschaft gegen den aus den Niederlanden stammenden Angeklagten, der für die Gruppe nicht nur in Deutschland Geld gesammelt und mutmaßlich auch erpresst sowie Waffen besorgt haben soll, wird darauf Bezug genommen. So soll der Angeklagte beispielsweise im Jahr 2012 mehrmals enge Kontakte zu einem Mann gepflegt haben, der sich dann im Februar 2013 im unmittelbaren Bereich der US-Botschaft in Ankara in die Luft sprengte. 

Bei dem Anschlag in Ankara am 1. Februar 2013 vor der US-Botschaft, verwendete der Selbstmordattentäter Ecevit Şanlı rund 6kg. Sprengstoff und trug zwei Handgranaten mit sich, die ebenfalls detonierten. Dabei starb ein wachhabender privater türkischer Sicherheitsmann, die ehemalige Korrespondentin des türkischen Nachrichtensenders NTV, Didem Tuncay, wurde dabei schwer verletzt. Die DHKP-C übernahm die Verantwortung für den Anschlag, entschuldigte sich später über eine Pressemitteilung bei der Korrespondentin.

Die Verteidigung des angeklagten Mannes beantragte zum Prozessauftakt am heutigen Donnerstag jetzt die sofortige Einstellung des Verfahrens. Die Verteidigung vertrat dabei die Auffassung, dass die Türkei "ein Unrechtsregime" sei, "welches die deutsche Justiz nicht schützen darf, indem sie Oppositionelle festnehmen und als Terroristen verurteilt". Der Prozess müsse daher unverzüglich eingestellt werden.

Die Richter des Oberlandesgerichts in Hamburg haben daraufhin die Verhandlungen unterbrochen und beraten derzeit über den Antrag der Verteidigung. Eine Entscheidung über den desaströsen und wundersam an das Verhalten der Verteidiger im früheren Baader-Meinhof-Prozess um deutsche Terroristen erinnernden Abtrag steht seither aus.

Dabei hätte das Oberlandesgericht nur einfach der letztinstanzlichen Entscheidung des deutschen Bundesverwaltungsgericht vom 1. Februar 2000 folgen müssen. Das nämlich hatte entschieden, dass die DHKP-C in Deutschland seit dem 13. August 1998 als Ersatzorganisation der bereits 1983 verbotenen Devrimci Sol anzusehen und somit zweifelsfrei verboten ist.

Die DHKP-C hatte seinerzeit gegen die nachrichtendienstliche Beobachtung durch den deutschen Verfassungsschutz geklagt und den Prozess, wie bereits angemerkt, letztinstanzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht verloren.

Bei dem Prozess gegen den Niederländer vor dem Oberlandesgericht Hamburg geht es wohlweislich nicht um ein Auslieferungsverfahren, sondern um die Verhandlung über in Deutschland und begangene mutmaßliche Straftaten und deren Sühne in einer deutschen Haftanstalt.


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