Den „Hai“ zersägen: Darum muss Russland auf seine größten U-Boote verzichten

  26 Januar 2018    Gelesen: 2184
Den „Hai“ zersägen: Darum muss Russland auf seine größten U-Boote verzichten

Eines der wichtigsten Symbole des Kalten Krieges, die Atom-U-Boote des Projektes 941 „Akula“ („Hai“), könnten in absehbarer Zeit entsorgt werden. Dabei handelt es sich um die weltweit größten U-Boote, die dafür sogar in das „Guinness Buch der Rekorde“ aufgenommen wurden.

Quellen in der Schiffbaubranche verrieten, dass bis 2020 zwei dieser U-Boote, die „Archangelsk“ und die „Sewerstal“, zersägt werden sollen. Die „Dmitri Donskoi“, das letzte der „Akula“-Reihe, wird noch bei den Tests der neuen „Bulawa“-Raketen zum Einsatz kommen. Warum sind diese herausragenden U-Boote auf einmal überflüssig geworden?

Rakete ist zu schwer
Bei einer Länge von 172 Metern und einer Breite von 23 Metern beträgt die Wasserverdrängung der „Akula“ in der Überwasserlage  48 000 Tonnen. Die Expertenmeinungen bezüglich der Zweckmäßigkeit solch großer U-Boote sind unterschiedlich: Einige halten diese Idee für wahnsinnig, andere aber für durchaus sinnvoll.

„Die U-Boote des Projekts 941 sehen wie schreckliche Monster aus und sind wahnsinnig teuer“, sagte der Vizeleiter des Zentrums für Strategien- und Technologienanalysen, Konstantin Makijenko. „Deshalb konnte selbst die enorm starke Sowjetunion nur sechs solche U-Boote bauen, obwohl die ‚Akula‘ zunächst eine Antwort auf die US-U-Boote ‚Ohio‘ werden sollten, von denen die Amerikaner fast 20 Stück gebaut hatten.“

Allerdings sei das nicht die Schuld der Schiffbauer gewesen, die lediglich ein U-Boot entwickelt hätten, das für enorm große Raketen geeignet sein sollte.

Das Projekt 941 „Akula“ resultierte aus der Entscheidung der sowjetischen Führung, eine seegestützte ballistische Feststoffrakete zu entwickeln. Solche Raketen haben einige Vorteile gegenüber Flüssigkeitsraketen: Unter anderem können sie schneller auf den Einsatz vorbereitet werden, lassen sich leichter lagern und warten. Außerdem hatten die Amerikaner schon in den 1970er-Jahren die Entwicklung ihrer Feststoffraketen Trident C-4 und Trident II D-5 begonnen.

Die Sowjetunion antwortete darauf mit dem Raketenkomplex D-19 „Taifun“ mit der Feststoffrakete R-39 „Osjotr“, die 1983 in die Bewaffnung aufgenommen wurde. Die „Osjotr“ wog samt Aggregaten des Raketenstartsystems 95 Tonnen und war damals die weltweit schwerste seegestützte Rakete: dreimal so schwer wie die Trident C-4 und anderthalb Mal so schwer wie die Trident II D-5, deren Nutzlast und Reichweite größer als die der R-39 waren. Der Grund war, dass die Sowjetunion keine Erfahrungen bei der Entwicklung von Raketen-Festtreibstoffen hatte.

Für die wahnsinnig große Rakete war ein Träger mit besonderen technischen Daten nötig.  Es wurde beschlossen, das U-Boot „Akula“ nach dem Katamaran-Schema zu entwickeln: mit zwei festen Rümpfen innerhalb eines leichten gemeinsamen Rumpfes. Die Ballastbehälter der „Akula“ hatten einen Umfang von mehr als 20 000 Tonnen. Übrigens  betrug die volle Wasserverdrängung der US-amerikanischen „Ohio“ „nur“ 18 500 Tonnen, wobei sie 24 D-5-Raketen trug – gegenüber 20 R-39-Raketen bei der „Akula“.

„Wasserführer“

Die erste „Akula“ (TK-208), die die sowjetischen Seestreitkräfte im Dezember 1982 erhielten, bekam sofort den Spitznamen „Wasserführer“. Aber die Finanzabteilung des Verteidigungsministeriums konnte nur schwer Scherze machen: Die Ausgaben für die Wartung des neuen U-Boots waren mindestens doppelt so hoch wie die für die Wartung der zuvor in die Bewaffnung aufgenommenen U-Boote 667 BDR „Kalmar“ sowie der neuesten U-Boote des Projekts 667 BDRM „Delfin“. Dabei trug ein „Delfin“-U-Boot nur um vier Raketen (Flüssigraketen R-29RM) weniger als die „Akula“, und die Nutzlast und Reichweite der Raketen war nahezu identisch.

Auch die Infrastruktur für den Betrieb der „Akula“-U-Boote verlangte gigantische Ausgaben. Die 90 Tonnen schweren Raketen ließen sich nur per Eisenbahn befördern. In den frühen 1980er-Jahren wurde im Gebiet Murmansk extra für die „Akula“-U-Boote die fast 40 Kilometer lange Bahnstrecke Njal-Saosjorsk gebaut. Inzwischen wurde sie wieder demontiert.

Mit der gigantischen Masse der R-39-Rakete war ein weiteres Problem  verbunden: Kein einziger Kran konnte sie heben. Für die Umladung der „Akula“ wurde ein Zwei-Konsolen-Kran mit einer Hebekraft von 125 Tonnen entwickelt. Für die Beförderung der Raketen zu den U-Booten musste ein spezielles Schiff („Alexandr Brykin“) gebaut werden, dessen Wasserverdrängung 16 000 Tonnen betrug.

Und außerdem musste die Sowjetunion in Schweden ein Schwimmdock (PD-50) bestellen, das immer noch eines der weltweit größten ist.

Durchgreifen!
Es gibt die Meinung, dass die riesige Größe der „Akula“ gewisse Vorteile hatte. Unter anderem konnte das U-Boot angeblich an jedem Ort auftauchen, ohne nach offenen Stellen im Eis zu suchen. Das stimmte aber nicht ganz: 1990 unternahm das U-Boot TK-202 mehrere Versuche aufzutauchen und dabei das Eis zu brechen, aber vergebens. Wie einstige Besatzungsmitglieder verrieten, war das eigentlich sehr riskant gewesen, denn das U-Boot brauchte dabei Riesenmengen Druckluft, deren Reserve schnell aufgebraucht worden sei. Und nach der Rückkehr zum Stützpunkt seien viele Schäden am Rumpf entdeckt worden.

Raketen feuerte die „Akula“ zum ersten (und auch letzten) Mal im Jahr 1995 ab. Von der Schwere dieser Aufgabe kann wohl die Tatsache zeugen, dass alle Besatzungsmitglieder der „Sewerstal“ mit Medaillen ausgezeichnet wurden, und dem Kommandeur, Konteradmiral Wladimir Makejew, wurde der Orden „Held Russlands“ verliehen.

„Gas-„ und „Nickelführer“

Seit 1982 wurden insgesamt sechs U-Boote des Projekts 941 gebaut. Inzwischen sind nur noch drei von ihnen in Betrieb: TK-208 „Dmitri Donskoi“, TK-20 „Sewerstal“ und TK-17 „Archangelsk“. Früher gab es Medienberichte, sie könnten für die neuen Feststoffraketen R-30 „Bulawa“ umgebaut werden, denn die letzten R-39-Raketen wurden schon in den 2000er-Jahren entsorgt. Infrage kamen auch alternative Verwendungsvarianten für die „Akula“-U-Boote.

„Die Amerikaner haben Erfahrungen bei der Verwendung von ‚Ohio‘-U-Booten als Träger von seegestützten Marschflugkörpern. Ich denke, so etwas ließe sich auch mit dem Projekt 941 tun“, vermutete der Militärexperte Kapitän zur See Konstantin Siwkow. „Wenn eine ‚Ohio‘ 150 Tomahawk-Raketen an Bord nehmen kann, könnte eine ‚Akula‘ etwa 250 Marschflugkörper an Bord nehmen.“

Auf den ersten Blick ist das eine interessante Idee, denn die Startanlagen könnten in die bereits vorhandenen Startschächte eingebaut werden. Aber der Betrieb der „Sewerstal“ und der „Archangelsk“ ist enorm kostspielig. Viele Experten glauben deshalb, die russische Marine würde einen solchen Aufwand  kaum verkraften können.

sputniknews.com


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