"Natürlich bedienen wir Männerfantasien"

  06 Februar 2018    Gelesen: 1263
"Natürlich bedienen wir Männerfantasien"
Aufreizende Kleidung, begehrliche Blicke von Männern: Eine Hostess berichtet, warum sie den Job trotzdem viele Jahre gern gemacht hat - das Ende der Grid Girls bei der Formel 1 versteht sie nicht.  

Hostessen sind Freiwild, heißt es. Objekt der Begierde männlicher Betrachter. Ich habe das nicht so wahrgenommen. Warum die Formel 1 ihre Grid Girls abgeschafft hat, verstehe ich nicht. Mir hat der Job immer viel Spaß gemacht.


Ich habe mit 18 Jahren angefangen, als Hostess zu arbeiten. So habe ich mir mein ganzes Studium finanziert und auch mein Kind jahrelang allein ernährt. Ich verdiente schnell gutes Geld: Ein Stundenlohn von 12 Euro ist üblich, bis zu 22 Euro pro Stunde sind möglich. Oft dauerten Veranstaltungen den ganzen Tag. An manchen Wochenenden habe ich bis zu 760 Euro verdient.

Insgesamt habe ich neun Jahre lang als Hostess gearbeitet, bei Fußball-Events, in der Promotion, in Autohäusern und auf der Rennstrecke. Mit einer Freundin zusammen betreute ich zuerst einen Promotion-Stand für eine große Tageszeitung vor der Uni. Ich hatte Spaß. Dann kam ich in die Kartei einer Agentur und damit auch an immer mehr Aufträge.

Es werden keine Model-Maße erwartet

Die Bewerbung in der Agentur war unkompliziert. Ich musste ein Ganzkörperbild und ein Profifoto einreichen. Genaue Vorgaben machte die Agentur nicht, aber es sollten weder biedere Bewerbungsfotos noch freizügige Bikini-Bilder sein. Auch meine Körpermaße musste ich angeben. Es werden keine echten Model-Maße von 90-60-90 erwartet, aber die Kunden bevorzugen ein gewisses Schönheitsideal. Das bedeutet: Hostessen sollten Kleidergröße 34 bis 36 haben.


Wenn ich gebucht wurde, bekam ich eine E-Mail mit einem Briefing von meiner Agentur. Meine Aufgaben richteten sich nach dem Wunsch des Kunden. Manchmal musste ich im Eingangsbereich Gäste empfangen und Namen von der Gästeliste streichen, ich war Ansprechpartnerin für Kunden bei Messen oder stand beim Fußballspiel am Spielfeldrand.

Auch die Kleidung legt der Kunde fest. Wenn das Unternehmen will, dass alle gebuchten Frauen das gleiche Outfit tragen, bekommen sie die Kleidung gestellt - oft sind es hohe Schuhe und kurze, weit ausgeschnittene Kleider oder Röcke. Für einige Promotion-Jobs, die ich gemacht habe, war die Vorgabe nur, dass alle Hostessen einen schwarzen Hosenanzug tragen müssen. Den habe ich selbst mitgebracht. Wenn mir ein Outfit nicht gefallen hat, hatte ich immer die Möglichkeit, abzulehnen. Damit war der Auftrag aber dann natürlich hinfällig. Meine Agentur hatte damit kein Problem, sie hat mich trotzdem weiterhin vermittelt.

Im Konflikt mit den Table-Dancerinnen

Spannend fand ich die Arbeit immer. Kein Auftrag ist wie der andere und man lernt sehr viele Leute kennen. Fußballveranstaltungen waren meine Highlights. Wir waren ein tolles Team und verstanden uns untereinander sehr gut. Mit meinen "Mädels", die auch als Hostessen arbeiten, haben wir auch privat viel unternommen.

Einmal wurde ich als Hostess für eine große Zigarettenmarke gebucht. Es gab über mehrere Wochen hinweg viele Veranstaltungen. Alle Hostessen trugen sehr enge kurze Kleider. Eine der Veranstaltungen fand in einem Stripklub statt. Wir standen am Rand der Feier, um Fragen der Gäste zu beantworten. Ich glaube, dass es den Table-Dancerinnen nicht recht war.

Manchmal dauern Veranstaltungen mehrere Tage. Die Kosten für Hotel und Anfahrt übernimmt der Kunde. Auch vom Büfett durften wir uns etwas nehmen, allerdings erst, wenn die Gäste schon gegessen hatten, in einem Nebenraum.

Wir werden wegen unseres Aussehens gebucht

Natürlich bedienen Hostessen die Fantasien von Männern. Wir werden wegen unseres Aussehens gebucht, mein Charakter interessiert nicht. Ich habe auch übergriffiges Verhalten erlebt. Anzügliche Kommentare zu meiner Figur oder meinen Brüsten. Ich hatte jedoch nie das Gefühl, dem schutzlos ausgeliefert zu sein. In der Branche gibt es auch schwarze Schafe: Agenturen, denen die Sicherheit der Frauen egal ist. Aber mit meiner Agentur hatte ich Glück. Sie fühlte sich für mich verantwortlich.


Einmal standen wir zu zweit an einem Messestand. Immer wieder versuchte ein etwas älterer Mann uns zu umarmen und anzufassen. Da es eine Großveranstaltung war, war auch jemand von der Agentur anwesend und hat den Mann des Platzes verwiesen. Bei Fußballspielen bekommen wir nach dem Abpfiff auch männliche Begleiter zur Seite gestellt. Sie passen auf, dass vor allem angetrunkene Fans nicht übergriffig werden.

Ich bin erneut Mutter geworden und arbeite nun nicht mehr als Hostess. Meiner Tochter würde ich - später einmal - nicht abraten, diesen Job zu machen. Denn so leicht und schnell verdient man nirgendwo Geld.

Quelle : spiegel.de


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