Es rumort in der CDU. Während ein Teil der Partei das Zustandekommen des Koalitionsvertrages feiert, reagieren Unionsvertreter an anderer Stelle mit Spott und Ironie auf die Ressortverteilung. "Puuuh! Wir haben wenigstens noch das Kanzleramt", schrieb der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Olav Gutting etwa, kurz nachdem die ersten Details über die Verteilung der Ministerien bekannt wurden. Auch am Tag nach der Einigung hält sich bei ihm das Unverständnis. Hinsichtlich der Verteilung der Ministerposten sagt er n-tv.de: "Das Ergebnis ist ähnlich wie 2005. Aber das Wahlergebnis war ja ein ganz anderes. Das gibt einem schon zu denken."
Eine "Überraschung" sei für ihn vor allem die Vergabe des Finanzministeriums gewesen. "Damit hätte ich nicht gerechnet", sagt er. Auch Christian Freiherr von Stetten, der an den Verhandlungen beteiligt war, kritisiert die Ressortvergabe scharf. "Insbesondere der Verlust des Finanzministeriums war ein politischer Fehler", sagt der Abgeordnete aus Schwäbisch-Hall n-tv.de. Wolfgang Schäuble gegenüber habe es ein Grundvertrauen gegeben, "dass in Brüssel deutsche Interessen vertreten werden und es keine Leistung ohne Gegenleistung gibt. Da ist nun durchaus die Befürchtung, dass die deutsche Position geschwächt wird", gibt er zu bedenken. Auch der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, bezeichnet das Finanzministerium als einen "sehr hohen Preis für diese Einigung".
"Kann durchaus von Drohkulisse sprechen"
Mehrere Abgeordnete hatten bereits gestern in Richtung der Kanzlerin die Sorge geäußert, dass mit der SPD im Finanzministerium der Stabilitätskurs verlassen werden könnte. Merkel konterte, sie wisse, dass der Verzicht auf das Bundesfinanzministerium "einige Sorgen" bereite. Der CSU-Mittelstandspolitiker Hans Michelbach sagte, die SPD habe die Übernahme des Finanzressorts zu einer Grundbedingung gemacht. "Das Finanzministerium als Schlüsselministerium abzugeben, ist alles andere als zufriedenstellend", betonte er. Noch deutlicher äußerte sich der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, Carsten Linnemann: "Die Verteilung der Ressorts lässt jede Ausgewogenheit vermissen. Dieses deutliche Ungleichgewicht zulasten der Union und zugunsten der SPD ist bitter und wird lange in den Kleidern bleiben", erklärte der CDU-Politiker.
In den Verhandlungen habe die SPD das mögliche Scheitern des Mitgliederentscheides bewusst als Druckmittel eingesetzt. "Immer wenn es in Richtung Innovation ging, hat die SPD mit Blick auf den Mitgliederentscheid geblockt", sagt Unterhändler von Stetten. "Man kann da durchaus von einer Drohkulisse sprechen." Gutting kritisiert, die CDU sei von Beginn an mit einer "schlechten Ausgangssituation" in die Verhandlungen gegangen. "Das war der Grundfehler, dass man sich keine weitere Option offenhält und sich etwa einer Minderheitsregierung verschließt. Dann steht man mit dem Rücken zur Wand." Die Drohkulisse der SPD sei "verhandlungstaktisch natürlich klug" und auch schon vor vier Jahren das "Standardargument" gewesen, so Guttig.
"Vorwurf der Selbstaufgabe"
Von Stetten berichtet außerdem von einem Klima der Angst in den Reihen der SPD-Unterhändler. "Die Verhandler der SPD waren wie paralysiert vor Angst", sagt er. Die Sozialdemokraten und der Mitgliederentscheid, das habe ihn an die Angst des Kaninchens vor der Schlange erinnert. Die Furcht war jedoch offenbar kein Hindernis für aus Sicht der SPD sehr erfolgreiche Verhandlungen. Das Szenario eines möglicherweise scheiternden Mitgliederentscheids konnten die Sozialdemokraten gut einsetzen, um Verhandlungspunkte einzusammeln. Am Ende habe "die CDU der SPD etwas viele Punkte gegeben", kritisiert von Stetten. Inhaltliche Punkte, die von der SPD nicht hätten erreicht werden können, seien mit Posten bezahlt worden. "Es ist schon der Eindruck da, dass Ministerien gegen Inhalte getauscht wurden", sagt er.
An der Basis sei die Stimmung schlecht, berichtet Olav Gutting. "Die Zuschriften, die ich bekomme, gehen alle deutlich in eine Richtung: Da steht der Vorwurf der Selbstaufgabe im Raum." Und auch in den Reihen der Abgeordneten ist die Stimmung offenbar angeschlagen. Interviews werden ausgeschlagen, sonst gesprächsbereite Ansprechpartner wollen lieber im Moment nichts sagen. Das könne jedoch auch daran liegen, heißt es aus CDU-Kreisen, dass viele Posten jetzt noch offen sind und sich kein Kandidat die Karriere mit unwillkommenen Zitaten verbauen will. Das könnte auch erklären, warum sich etwa Jens Spahn noch nicht zu Wort gemeldet hat, der normalerweise nicht so lange damit wartet, seinen Kommentar abzugeben. Spahn will Karriere machen und über die Besetzung der Generalsekretärsposten wurde bisher noch nicht gesprochen.
Quelle: n-tv.de
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