Russlands eigene Wege mit BRICS – Grund für Frust im Westen

  10 Februar 2018    Gelesen: 848
Russlands eigene Wege mit BRICS – Grund für Frust im Westen
Sind die “BRICS“, Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, „Weltmächte im Wartestand“? Das fragt die Zeitschrift „WeltTrends“ in ihrer Februar-Ausgabe und hat dazu mehrere Beiträge veröffentlicht. Wolfgang Grabowski, Ex-Diplomat, beschäftigt sich darin mit „Russland und die BRICS“. Im Interview mit Sputnik erklärt er das Verhältnis.

„Russland gehört zu den Mitinitiatoren und den aktivsten Mitgliedern der BRICS und fördert von Anfang an die Initiativen dieser Organisation“, so Wolfang Grabowski im Interview. Es handele sich nicht um einen formalen Zusammenschluss, sondern um ein Bündnis, in dem verschiede Schritte miteinander abgesprochen werden. Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), die von den Hauptakteuren der BRICS, Russland, China und Indien, gegründet wurde, müsse damit im Zusammenhang gesehen werden.

Grabowski war unter anderem DDR-Diplomat in der Sowjetunion und zuletzt viele Jahre Leiter des Moskauer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung. In seinem „WeltTrends“-Beitrag schreibt er über die Gründe, warum sich Russland in den späten 1990er Jahren Richtung Osten öffnete: „Der Westen wollte mit dem im Kalten Krieg unterlegenen Russland nicht auf Augenhöhe verhandeln, obwohl Präsident Jelzin und sein Außenminister Kosyrew alles taten, um die Erinnerung an die Sowjetunion zu tilgen und dem Westen zu Diensten zu sein. Die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion anfänglichen Illusionen hinsichtlich des Westens verflogen aber in Russland bald.“

Kurswechsel in Moskau vor Putin eingeleitet


Zu den Folgen habe gehört, dass mit Jewgenij Primakow 1996 ein Außenminister ernannt wurde, der als linker Politiker galt, wie Grabowski schreibt: „Gegen den Widerstand des Kreml und des Westens leitete dieser einen strategischen Kurswechsel ein.“ Primakow habe die Außenpolitik wieder an den Interessen Russlands orientiert. Es habe sich auch um eine Reaktion auf die Aktivitäten der Nato gehandelt, erklärte der Ex-Diplomat im Interview. Er bestätigte, dass der neue, selbstbewusstere Kurs Moskaus zu mehr Eigenständigkeit schon begann, bevor Wladimir Putin im Jahr 2000 erstmals Präsident wurde.

Die Beziehungen zu den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken und den aufstrebenden Ländern des Südens und Ostens seien damals zu Schwerpunkten der Moskauer Außenpolitik geworden. „Besonders mit China sollte eine strategische Partnerschaft aufgebaut werden“, so Grabowski in seinem Beitrag. Erste Meilensteine seien die Regelung der Grenzfrage sowie die Gründung der SOZ gewesen, angeregt von Primakow. Diesen gewähren zu lassen, das gehöre zu den wenigen Leistungen Jelzins, schätzte der Experte ein.

Ziel: Friedliche Koexistenz der Interessen


„Russlands außen- und sicherheitspolitische Standpunkte sind mit denen der BRICS-Staaten identisch“, stellt er in „WeltTrends“ fest. Gemeinsam werde abgelehnt, Gewalt in den internationalen Beziehungen anzudrohen und anzuwenden. Zugleich werde versucht, Konfrontation zu vermeiden – „und die Zusammenarbeit mit den USA, ausgehend von den strategischen Veränderungen in der Welt und auf gleichberechtigte Grundlage, neu zu gestalten, so in der russischen Sicherheitsstrategie von 2009 formuliert.“

Es werde „eine Art friedliche Koexistenz der Interessen“ vorgeschlagen, die innerhalb der BRICS und der SOZ umgesetzt werde. Das sei nicht als „Gegenmacht“ zum Westen angelegt, hob Grabowski hervor. Es gebe kein Interesse, zuzuspitzen: „So möchte man das auch nicht. Man will ja keine Konfrontation, weil man für die eigene Entwicklung Ruhe und friedliche Bedingungen des Austauschs im Wirtschaftsbereich benötigt.“ Die entsprechenden Aktivitäten für eine andere Weltordnung würden auch von anderen Staaten begrüßt.

Westen ruft: „Haltet den Dieb!“


Die fünf beteiligten Länder würden Einmischung in innere Angelegenheiten ebenso ablehnen wie auch angebliche „humanitäre Interventionen“ im Namen der Menschenrechte. Und: „Die BRICS-Staaten setzen sich für die Stärkung der UNO und des Völkerrechts ein und fordern Sicherheitskonzeptionen, die auf gegenseitigem Vertrauen, Gleichberechtigung und Zusammenarbeit basieren.“ Gerade das wird anscheinend im Westen ignoriert.

So warf der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz (MSK), Ex-BRD-Diplomat Wolfgang Ischinger, am Donnerstag in Berlin ausgerechnet Russland und China vor, das Völkerrecht nicht respektieren zu wollen und so die internationale Ordnung in Frage zu stellen. „Das ist die übliche westliche Position – der Dieb ruft weglaufend: ‚Haltet den Dieb!‘“, sagte Grabowski dazu im Interview. Zuvor hatte er schon den USA, der Nato und auch der bundesdeutschen Politik vorgeworfen, die Konfrontation zu suchen und zuzuspitzen. Es sei dagegen ständige westliche Praxis, das Völkerrecht zu verletzen, wie auch aktuelle Konflikte zeigten. „Wenn die östlichen Staaten ihre Interessen durchsetzen, wie in der Ukraine geschehen, was man nicht mehr verhindern kann, dann wird das als Bruch des Völkerrechts bezeichnet.“

Unterschiedliche Interessen und Konflikte


Der Ex-Diplomat und Ost-Experte machte im Interview wie in seinem Beitrag auch auf die unterschiedlichen Interessen unter den BRICS-Staaten aufmerksam. Gerade in Asien gebe es neben einem gewaltigen Entwicklungspotenzial auch Stoff für Konflikte, schreibt er. Im Interview verwies er unter anderem auf die handfesten Streitigkeiten zwischen China und Indien um Territorien im Grenzbereich, auch militärisch ausgetragen. Russland bemühe sich darum, die Probleme und Konflikte zu neutralisieren, schreibt Grabowski. Er macht zugleich auf die „strategischen Ränkespiele der USA“ aufmerksam, Indien gegen seine eigentlichen Partner in Stellung zu bringen, die aktuell neu aufleben.

Aber auch im Verhältnis Russlands zu den anderen asiatischen BRICS-Staaten gebe es Konfliktpotenzial. So gehe die Entwicklungsschere zwischen China und dem Osten Russlands weiter auseinander. Ersteres habe ein „gewaltiges demografisches Übergewicht in der Region“. „Der russischen Bevölkerung ist ziemlich klar, dass gute Beziehungen mit China für Russland lebensnotwendig sind. Aber der Alltag ist kompliziert.“ Alte Ressentiments würden die Atmosphäre vergiften, vermischt mit neuen Vorwürfen wegen der angeblichen chinesischen Dominanz.

Starker Rückhalt für Russland

Grabowski verweist darauf, dass Chinas Interessen vor allem auf den asiatisch-pazifischen Raum ausgerichtet sind. Russland sei dagegen vor allem in Europa verankert. „Der realpolitische Kurs Russlands in Richtung Nato, zur EU und zu Deutschland wird deshalb auch künftig einen besonderen Stellenwert haben. Das wird jedoch nicht dazu führen, dass Russland sich von Asien abwendet.“ Präsident Putin habe zum BRICS-Gipfel im chinesischen Xiamen bei einer Pressekonferenz programmatische Aussagen gemacht. Darin habe er Pekings Leistungen gewürdigt, die Besorgnis der anderen Staaten über die derzeitige ungerechte globale Finanz- und Wirtschaftsarchitektur geteilt und Vorschläge für gemeinsame Projekte gemacht. „Nicht zuletzt unterstrich Putin, dass angesichts der Sanktionen westlicher Staaten die Solidarität der BRICS ein starker Rückhalt für Russland sei.“

In der „WeltTrends“-Ausgabe beschäftigt sich im Schwerpunktteil außerdem Erhard Crome mit Chinas Aufstieg und den BRICS. Achim Wahl beschreibt, wie die fünf Staaten „Pfade abseits des Westens“ suchen und nehmen. John P. Neelsen setzt sich mit der Rolle Indiens auseinander: „Neu-Delhi tanzt gleichzeitig auf zwei Hochzeiten: mit dem Westen und zugleich mit dessen Gegnern.“ Die BRICS werden im Heft außerdem von Patrick Bond einem Realitätscheck aus südafrikanischer Sicht unterzogen. Das Land an der Südspitze Afrikas habe von den beteiligten Staaten am stärksten mit sozialer Ungleichheit und anderen Problemen zu kämpfen. Bond rechnet mit Protesten beim nächsten BRICS-Gipfel in diesem Jahr in Johannesburg.

„WeltTrends“ wurde 1993 als Zeitschrift für internationale Politik und vergleichende Studien gegründet.

Quelle: sputniknews

 

 


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