Der koreanische Kälte-Krampf

  12 Februar 2018    Gelesen: 567
Der koreanische Kälte-Krampf
Das olympische Wetter ist grenzwertig, die gefühlte Kälte überschreitet das normal Erträgliche sogar deutlich. Der fast schneelose Wind-Winter schlägt knallhart zu und stellt die Organisatoren zunehmend vor Probleme.
 

Die Kälte und der Wind, viele hatten darüber bei der olympischen Eröffnungsfeier am Freitag noch gelächelt. Kann ja schließlich nicht so schlimm sein, wenn da so ein Tongaer oben ohne seelenruhig durchs Olympiastadion in Pyeongchang wandert. Außerdem gab's doch Decken, Hot Packs und Überwürfe. Stimmt alles. Aber am vierten Tag der Spiele lacht niemand mehr. Höflichkeitsfloskeln werden des Kälteschutzes wegen versenkt. Türen aufhalten? Eher nicht. Sorry. Das Thermometer zeigt knackige sieben Grad minus an. Mittags. In der prallen Sonne, unter blauen Himmel. Blöd nur: Mittags findet in Korea kaum etwas statt, was die Menschen hier und in Europa begeistert. Außer Skifahren. Aber das tun sie ja nicht. Viel zu windig.

Die Kombination ist verheerend: Wenn's für Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich oder Norwegen richtig spannend wird - beim Biathlon oder beim Skispringen etwa - dann gibt's längst keine Sonne mehr, dann ist es finster. Und immer noch sehr windig. Dann gibt's gefühlte Temperaturen von minus 20 Grad und mehr. Sportvergnügen eingeschränkt. Fanvergnügen ausgesetzt. Dass die ohnehin nicht auf Zuschauer-Gigantismus ausgelegten Anlagen dennoch nur schmal besucht sind, die Gold-Emotionen nur aus der nicht wahrnehmbaren Ferne gekontert werden, niemand braucht sich darüber zu wundern.

Montagmittag Ortszeit, Pressekonferenz im deutschen Haus. Felix Loch ist da, Johannes Ludwig auch. Sie erzählen viel. Über die verpatzte Kurve neun im anspruchsvollen Sliding Center zum Beispiel, die Rodel-Gold für Deutschland überraschend raubte und Rodel-Bronze für Deutschland noch überraschender brachte. Auf dem Podium sitzt aber auch Bernd Wohlfahrt, Mannschaftsarzt des Olympiateams. Und als er gefragt wird, was gegen die Kälte zu tun sei, da fokussiert sich der Blick nur auf ihn, da ist es ganz ruhig: Das Zwiebelprinzip sei gut. Sagt er. Und die Körpersignale wahrnehmen. Wenn es also zu kalt wird, dann reingehen und aufwärmen. Blöd nur, Wintersport findet draußen statt. Gut manchmal auch drinnen, aber - doppelt blöd -, dieser Tage immer dann, wenn die Sonne noch scheint.

Wie ein geretteter Schiffbrüchiger


So ist der Zeitplan. Gut für den europäischen Fernsehmarkt. Nicht so optimal - wenn auch nicht kritisch - für die Sportler, befindet Dr. Wohlfahrt. Durch die Acht-Stunden-Verschiebung können aber zumindest einige quotenbringende Wettbewerbe zu Zeiten gesendet werden, die ein wenig Präsenz versprechen. Nun ist es aber nicht so, dass die koreanischen Abendstunden der Hauptstressfaktor sind. Es ist der Wind - der es wiederum abends noch unerträglicher macht. Den Skispringern bescherte er einen wilden Auftakt, der den Schweizer Simon Ammann minutenlang in Kälte und Wind stehenließ, der in Wolldecken gehüllt und warmgerubbelt wurde. Der ihn wie einen geretteten Schiffbrüchigen wirken ließ, wie die "Südddeutsche Zeitung" schrieb. Nun es sind halt Olympische Windspiele…, ähm, pardon, Olympische Winterspiele. Und sie werden zunehmend zu Problemspielen.

Diesmal trägt zwar nicht das IOC die Schuld, wie sonst ja fast immer, wobei, vielleicht doch. Sie haben Pyeongchang ja schließlich einst den Zuschlag gegeben. Einspruch eines Volunteers: "So ist es sonst nicht. Das Wetter ist schon extrem." Ebenso wie die daraus resultierende Terminnot der Alpinen: Die Abfahrt der Männer am Sonntag wurde abgesagt, ebenso der Riesenslalom der Frauen. Beides soll am Donnerstag stattfinden, fast zeitgleich.

An diesem Dienstag steht eigentlich die Kombination der Männer auf dem Programm. Doch Sung Baik You, der Sprecher des Organisationskomitees, warnt bereits: Die starken Winde sollen mindestens bis Mittwoch anhalten. Nächste Absage wahrscheinlich.

Vorher aber, heute Abend, droht den Biathleten womöglich eine katastrophale Windlotterie am Schießstand. Außerdem sollen direkt nebenan die Skispringerinnen über den Baken gehen. Ein deutscher Betreuer sagt: "Die werden niemals starten. Das wäre der totale Wahnsinn." Den haben am Vormittag die Snowboarderinnen erlebt. Über Todesangst bei den Sprungen über die hohen Kicker klagte die Norwegerin Silje Norendal nach dem Finale. Das hatte die Deutsche Silvia Mittermüller verpasst. Eine Windböe hatte sie erwischt, "ich war deshalb zu kurz und habe mir am Knie weh getan", schrieb sie auf Twitter. Die Australierin Tess Coady, die einen Kreuzbandriss erlitt, und der Niederländer Niek van der Velden, der sich den Oberarm bracht, führten ihre Stürze ebenfalls auf den Wind im Phoenix Snow Park zurück.

Besser und wärmer soll's in den kommenden Tagen werden. Sagt der Volunteer und zeigt auf sein Handy. Koreanische Angaben. Außer Sonne aber leider nix zu erkennen. Was vor allem an den ungewohnten Schriftzeichen liegt. Der internationale, besser zu lesende Wetterbericht sagt: minus18 Grad.

Quelle: n-tv.de

 


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