Hatte Angela Merkel schon eine fertige Kabinettsliste der christdemokratischen Seite, die versehentlich bekannt geworden ist? Oder ist es so, wie führende Christdemokraten beteuern: Die Namen der designierten CDU-Minister, die nach der Einigung von Union und SPD in die Öffentlichkeit gelangten, sind reine Spekulation?
Klar ist, dass CDU-Chefin Merkel bis zum Parteitag am 26. Februar bekannt geben will, wen ihre Partei in ein Kabinett mit CSU und SPD schicken würde - anderslautende Planungen hat sie bei ihrem ZDF-Auftritt am Sonntagabend über den Haufen geworfen.
Aber wer wird nun am Ende auf Merkels Liste stehen?
Die öffentlich gewordenen Namen hatten einige Plausibilität: Die Hälfte Frauen, wie von der Parteichefin vor der Wahl angekündigt (Ursula von der Leyen für Verteidigung, Julia Klöckner als Kandidatin für Landwirtschaft und Annette Widmann-Mauz für Gesundheit), mit Klöckner und Widmann-Mauz neue Gesichter im Kabinett - genau wie Helge Braun als möglicher Kanzleramtschef, dazu die beiden Merkel-Vertrauten Peter Altmaier im Wirtschafts- und Hermann Gröhe im Bildungsministerium.
Aber eine echte Verjüngung, wie sie nicht nur die Junge Union seit Langem fordert, wäre es nicht. Und jemand nach dem Geschmack des konservativen Flügels der CDU fehlt genauso. Beide Kriterien würde der bisherige parlamentarische Finanzstaatssekretär Jens Spahn, 37, erfüllen. Ebenso wenig auf der Liste steht die Frau, die als Merkels Favoritin für die Zukunft der Partei gilt: die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Und weil Merkel schon in der Vergangenheit immer mal unerwartete Ministerinnen und Minister aufgeboten hat, heißt es auch diesmal: abwarten - und sich möglicherweise überraschen lassen.
Frühestens am Wochenende vor dem Parteitag in zwei Wochen dürfte die CDU-Kabinettsliste öffentlich werden - die Vorsitzende hat also noch ein bisschen Zeit, um diese knifflige Aufgabe zu lösen.
Einiges spricht für Spahn
Einfacher ist sie jedenfalls nicht geworden, seitdem in den vergangenen Tagen von der JU bis zu den CDU-Altvorderen Kritik an Merkel laut geworden ist. Der Druck auf die Kanzlerin steigt. Ihre Ankündigung im ZDF, "die gesamte Breite der Partei" in einem künftigen Kabinett abbilden zu wollen, interpretieren beispielsweise die Spahn-Fans in der CDU als hoffnungsvolles Signal - und wohl auch er selbst.
Tatsächlich spricht aus Merkels Sicht einiges dafür, den ehrgeizigen Westfalen ins Kabinett zu holen: Die Konservativen in der Partei hätten ihren Wunschminister und würden fürs erste vielleicht ein bisschen weniger nörgeln. Außerdem würde die Vorsitzende Souveränität demonstrieren, indem sie einen ihrer Kritiker befördert. Auch möglich aber, dass Merkel einfach sagt: nein - und das Weitergenöle in Kauf nimmt.
Mit Spahn im Kabinett könnte sie jedenfalls bestimmt besser leben als mit Spahn auf dem Posten des CDU-Generalsekretärs, auf dem ihn mancher gerne sähe - oder sogar als Chef der Unions-Bundestagsfraktion: dafür fehlt wohl das nötige Vertrauen zwischen beiden.
Zudem ist der von Merkel hochgeschätzte - weil stets loyale - Volker Kauder gerade erst für ein Jahr zum Fraktionschef gewählt worden. Das Amt des Generalsekretärs dagegen wird wohl tatsächlich neu besetzt: Peter Tauber, der seit Wochen krankheitsbedingt ausfällt und auch noch einige Zeit fehlen wird, könnte auf einen Posten unterhalb der Ministerebene wechseln.
Klöckner als Generalsekretärin?
Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Klöckner, 45, erscheint vielen als ideale neue Generalsekretärin - aber dann fehlte im Kabinett wieder eine Frau. Und wenn Spahn und Gröhe Minister würden, wäre ihr nordrhein-westfälischer Landesverband im Kabinett überrepräsentiert. Und ohne Braun hätten die Hessen wiederum niemanden in der Regierung.
Wie gesagt, es ist eine knifflige Angelegenheit.
Möglich ist auch, dass die Liste der christdemokratischen Kabinettsmitglieder ein begrenztes Haltbarkeitsdatum bekommt: Im kommenden Jahr wird nämlich der CDU-Politiker Günter Oettinger voraussichtlich als EU-Kommissar abtreten - dann könnte der Saarländer Altmaier nach Brüssel gehen und für ihn Kramp-Karrenbauer von Saarbrücken nach Berlin wechseln. Zwei Christdemokraten aus dem kleinsten Bundesland der Republik gleichzeitig im Kabinett wären nämlich auch schwerlich vorstellbar.
"Jetzt geht es darum, zu zeigen, dass wir auch mit einer neuen Mannschaft antreten können", sagte Merkel im ZDF. Fest steht nur eines: Sie wird die Spielführerin sein.
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Quelle : spiegel.de
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