Schweinefleisch und Ehebruch für Sberbank-Kunden künftig verboten?

  23 Februar 2018    Gelesen: 1286
Schweinefleisch und Ehebruch für Sberbank-Kunden künftig verboten?
Russlands Sberbank wird fortan auch nach den Normen der Scharia – dem so genannten islamischen Banking – tätig sein. Warum dies beschlossen wurde und was es den Bankkunden bringen soll, das haben Finanzfachleute im Gespräch mit dem russischen Nachrichtenportal Ridus.ru erläutert.

Die Sberbank will in ihren Filialen „islamische Schalter“ öffnen, wo die Kunden nach den Normen der Scharia, das heißt gemäß den Normen des Partner-Bankings, das die Forderungen des Islams berücksichtigt, bedient werden sollen. Dies teilte am Donnerstag der Vize-Vorstandsvorsitzende der Bank, Oleg Ganejew, dem Nachrichtenportal mit.

Die Zentralbank Russlands und die Islamische Bank für Entwicklung wollen ihm zufolge bei dieser Neueinführung helfen.

Mit dem Koran in die Bank
Sollte es der Sberbank gelingen, die islamische Praxis allerorts zugänglich zu machen, werde dies der Bank einen viele Millionen umfassenden Mark erschließen, den sie bislang habe entbehren müssen, sagte der Chef der Rechtsabteilung der Assoziation muslimischer Unternehmer der Russischen Föderation, Ruslan Nagijew, im Gespräch mit „Ridus“.

„Bislang haben sich praktizierende Muslime um den Erhalt von Bankprodukten einfach nirgendwohin wenden können. Wenn sie für kleiner Einkäufe  entweder das Geld selbst sparen oder aber bei ihren Verwandten und Bekannten leihen konnten, so entstanden zum Beispiel bei Hypothek-Krediten ernsthafte Probleme“, sagte Nagijew.

Der Koran verbietet ihm zufolge die Erhebung von Zinsen bei Anleihen und auch Finanzspekulationen. Islamische Banken würden keine Zinsen verlangen, sondern ihre Einnahmen direkt aus den Business-Projekten erhalten, in die sie Mittel investieren. Auch bekämen die Bankkunden keine Zinsen auf ihre Bankeinlagen, ausgenommen der Prozentsatz gemäß der vom Staat festgelegten Inflationsrate, erläuterte der Experte die Normen der Scharia in der Finanzsphäre.

„Diese Normen sind für Muslime ebenso bindend wie zum Beispiel das Verbot, Schweinefleisch zu essen, zu stehlen oder Ehebruch zu begehen“, konkretisierte Nagijew.

Wie können islamische Banken bei all dem ein einträgliches Geschäft betreiben?

Der Experte erklärt das so: „Ein Muslime will zum Beispiel ein Auto oder eine Wohnung kaufen. Gewährt eine gewöhnliche Bank einen Kredit zu Zinsen, so verkauft ihm eine islamische Bank das Auto oder die Wohnung. Der Gewinn der Bank resultiert daraus, dass sie die Wohnung direkt beim Bauherrn für die eine Summe gekauft und dem Kunden dann für eine andere, höhere Summe verkauft hat. Der Koran verbietet nur Finanzspekulationen, nicht aber die Arbeit mit materiellen Werten, d. h.  den Handel.“

Geld ist in Banken entpersönlicht
Die Absicht der Bank „Filialen nach den Normen der Scharia“ zu öffnen, sind  aus der Sicht, zusätzliche Gelder der Bevölkerung heranzuziehen, verständlich, doch hierbei kann die Frage entstehen, ob sich diese Praxis mit der geltenden Gesetzgebung vereinbart, zweifelt Alexander Abramow, Professor am Lehrstuhl für Fondsmärkte und Marktinvestitionen der Moskauer Wirtschaftshochschule.

„Im Unterschied zu Kasachstan zum Beispiel, dessen Bankengesetz ein extra Kapitel über islamisches Banking enthält, fehlt dieser Begriff  in Russlands Bankengesetz und auch im Zivilgesetzbuch. Es ist unklar, wie ein und dieselbe Bank auf dem Territorium eines Landes nach unterschiedlichen Normen tätig sein kann. Möglicherweise bereitet die russische Bankengemeinschaft die Einbringung irgendwelcher Veränderungen in die geltende Gesetzgebung vor, damit islamisches Banking  nicht in eine Grauzone gerät“, sagte Prof. Abramow im Gespräch mit „Ridus“.

In Russland leben etwa 25 Millionen Muslime. Den Service der „islamischen Filialen“ der Sberbank soll indes ein beliebiger Bürger Russlands nutzen können, selbst wenn er Schweinefleisch isst und Ehebruch begeht. Die Bankiers sind keineswegs geneigt, das Glaubensbekenntnis ihrer Kunden zu prüfen. Russlands Bürger sind alle gleichberechtigt.

Für die Banken sei es nicht von prinzipieller Bedeutung, ob sie Kreditzinsen bekommen oder nicht, da sie ihren Gewinn hauptsächlich durch das Investieren der herangezogenen Mittel erzielen, betont Prof. Abramow.

„Eine Bank kann in einem Land oder einer Region nach den islamischen Normen tätig sein, die  gesammelten Mittel dann in einem anderen Land investieren, wo die Normen der Scharia nicht gelten. Gerät Geld in eine Bank, so ist es entpersönlicht. Das heißt, für die Banken ist es viel wichtiger, ihren Kundenkreis zu erweitern als die Kunden ‚zu melken‘. Zudem existiert in der Finanzsphäre eine enorme Menge verborgener Vorgehensweisen, die es den Banken erlaubt, ohne formell gegen die Verbote der Scharia zu verstoßen, nicht minder effektiv zu arbeiten als jenen Banken, die sich nicht an diese Verbote halten“, schließt der Experte.

Wie das Nachrichtenportal Ridus.ru zuvor berichtete, hätten viele russische Anleger aus Furcht vor einer Instabilität des Bankensystems und zur Erhaltung ihrer Ersparnisse ihre Konten geschlossen.

sputniknews


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