Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht in den Beziehungen des westlichen Verteidigungsbündnisses zu Russland wachsendes Konfliktpotenzial. "Russland wird immer unberechenbarer und immer aggressiver", sagte Stoltenberg der "Welt am Sonntag". Nach der illegalen Annexion der Krim, der Stationierung von Truppen in Georgien und zahlreichen Cyberattacken gebe es nunmehr weitere Bedrohungen.
"Wir sehen neuerdings, wie Russland Nuklearwaffen in die Militärdoktrin und in Militärübungen zusammenführt", kritisierte Stoltenberg. Das verringere die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen seitens Moskau. "Wir werden darauf Antworten finden müssen", mahnte der Nato-Generalsekretär. Schließlich bestehe "die Gefahr, dass die russische Regierung sich schrittweise vom Einsatz konventioneller Waffen in Richtung Nuklearwaffen bewegen könnte".
Die Nato-Staaten müssten darum ihre Verteidigungsbereitschaft und ihre Fähigkeiten weiter verbessern. Er rechne damit, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen beim Nato-Gipfel im Juli in Brüssel neue Entscheidungen treffen würden. "Wir müssen wachsam und entschlossen sein", sagte der frühere norwegische Ministerpräsident. Russland müsse klar sein: "Wir sind jederzeit bereit zu antworten, wenn ein Verbündeter militärisch angegriffen wird." Die Nato wolle "glaubhaft abschrecken", um einen Krieg zu vermeiden und zur Deeskalation beizutragen.
Stoltenberg beobachtet hybride Kriegsführung
Forderungen nach einer atomaren Abrüstung wies Stoltenberg in der "Welt am Sonntag" zurück. "Solange es Nuklearwaffen in der Welt gibt, muss die Nato ein Bündnis mit Nuklearwaffen bleiben", sagte er. Russland, China und Nordkorea besäßen "signifikante Atomwaffenarsenale". "Dem müssen wir Rechnung tragen", sagte Stoltenberg. Er verteidigte in diesem Zusammenhang auch die von Washington angekündigte Modernisierung der B 61-Atombomben in Büchel in der Eifel. Es sei "wichtig sicherzustellen, dass diese Waffen sicher und effektiv sind".
Als mögliches zusätzliches Thema für den Nato-Russland-Rat nannte Stoltenberg die hybride Kriegsführung. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus militärischen und nicht-militärischen Mitteln, die zur Destabilisierung führen sollen. Nach Ansicht der Nato wird diese Taktik von Moskau beispielsweise in der Ostukraine angewendet. Cyberattacken und Desinformationskampagnen gehören nach Ansicht des Bündnisses ebenfalls zu hybrider Kriegsführung.
Die Beziehungen zwischen der Nato und Russland werden derzeit auch durch den Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal im Nato-Mitgliedsland Großbritannien belastet. Die Regierung in London und ihre westlichen Partner machen Russland für den Anschlag verantwortlich, Moskau weist die Vorwürfe zurück.
Quelle: n-tv.de
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