Aserbaidschan, nur wenige kennen das Land vom Namen, und selbst bei denen gilt: “Nichts Genaues weiß man nicht!“ Was einigen dazu einfällt ist meist der Krieg gegen Armenien oder Baku, die Erdölmetropole und Umweltschäden durch die Erdölförderung. Also nicht unbedingt ein Land, in das es einen zieht. Georg Schuh – Blende-Teilnehmer, bot sich die Gelegenheit, dieses Land zu erkunden. Sein Fazit, überwältigt von den Schätzen und Schönheiten sowie den Menschen dieses Landes, ist nicht nur eine Reise wert! Die Motive-Vielfalt macht Aserbaidschan für Fotografen jedes Genres interessant.
Was ist nun bei einer Reise nach Aserbaidschan zu berücksichtigen? Als erstes braucht man ein Visum. Hat man vor, nicht länger als drei Wochen zu bleiben, gibt es seit Anfang 2017 die Möglichkeit ein eVisa über das Internet zu beantragen, das man dann innerhalb von wenigen Tagen per E-Mail erhält. Nach der Ankunft muss man sich in Baku bei der Migrationsbehörde melden und bekommt dann eine Bescheinigung ausgestellt, die man im Pass mitführen soll. Details sind auf der Homepage der aserbaidschanischen Botschaft zu finden. Als einzige Fluggesellschaft bietet Lufthansa von Deutschland aus Direktflüge nach Baku. Etwas preiswerter, aber umständlicher sind Flüge mit Zwischenstopps, z.B via Russland oder der Türkei!
Ende Juli bis Mitte August kann es sehr heiß werden. Es ist zwar eine trockene Hitze, aber bei Temperaturen von über 35° ist es trotzdem ganz schön schweißtreibend. Und man fährt schließlich nicht nach Aserbaidschan, um nur im Kaspischen Meer zu baden, auch wenn die Kulisse am Strand mit den Bohrtürmen im Wasser schon etwas exotisches hat! Ideal ist der September, aber auch Mai und Juni sind zu empfehlen.
Nicht nur in Baku, sondern im ganzen Land, heißt die Antwort Taxi. Für unsere Verhältnisse sind die Taxis extrem billig und die Fahrer in der Regel sehr nett. Leider ist dann da noch die Sprachbarriere. Neben der Landessprache ist russisch sehr verbreitet. Selbst in entlegenen Landesteilen findet sich meist noch jemand der russisch spricht. Weit abgeschlagen kommt englisch und mit deutsch braucht man erst gar nicht anfangen, auch wenn den Deutschen mit großer Sympathie begegnet wird.
Die digitale Infrastruktur ist sehr gut im ganzen Land und auf einer Smartphone KartenAPP zeigt man dem Fahrer einfach wohin man will und muss dann nur noch den Preis verhandeln. Dabei gilt Angebot und Nachfrage. Möchte man Nachts von der Kneipe nach Hause kostet es meistens etwas mehr als am Morgen. Auch für mehrtägige Ausflüge ins Landesinnere empfiehlt es sich ein Taxi samt Fahrer anzuheuern, das kommt billiger als ein Mietwagen und ist zudem wesentlich entspannter, da der Verkehr auf Aserbaidschans Straßen sehr adrenalinfördernd ist.
Schon der erste Eindruck am Flughafen lässt erahnen, dass Aserbaidschan ein modernes und offenes Land sein will. Hochhäuser deren Glasfronten von softwaregesteuerten farbigen Lichtern in züngelnde Flammen verwandelt werden und futuristische Gebäude säumen den Weg über breite Avenues in die City.
Allein die Hauptstadt Baku ist schon die Reise wert. Besonders Architekturfotografen kommen voll auf ihre Kosten. Deshalb ist ein Weitwinkelobjektiv ein absolutes Muss in der Fototasche. Die phantastischen Illuminationen der Hochhäuser – vor allem die des neuen Bakuer Wahrzeichens, die “Flame Towers“ – verzaubern ab der Blauen Stunde und in der Nacht den Betrachter. Zum Ablichten ist ein Stativ sinnvoll, will man nicht das Rauschverhalten seiner Kamera im High-Iso Bereich austesten. Da inzwischen die Videofunktion zur Standardausstattung jeder Digitalkamera gehört, sollten bei dem Motiv auch die eingefleischtesten Standbildpuristen zur Videofunktion greifen. Es ist schon tief beeindruckend wie die über 100m hohen Fassaden sich in Lichtspiele verwandeln.
Ein weiterer Höhepunkt Bakus ist die noch fast komplett von der Stadtmauer umgebene mittelalterliche Altstadt. Mit ihren malerischen Gassen, dem beeindruckenden Palast und traditionellen Gaststätten bietet sie dem Fotografen Motive in Hülle und Fülle. Um die Altstadt herum sind prachtvolle Bauten aus der Zeit des Fin de Siècle zu bewundern, als Baku durch den Ölboom mit Beginn der Motorisierung zu Wohlstand kam. Gerade der Kontrast der Baustile ermöglicht eine abwechslungsreiche Bildgestaltung. Hier bietet sich oft der Gebrauch eines leichten Teleobjektivs an, um die Bildinhalte zu verdichten.
Besondres Augenmerk verdient der kilometerlange Bulvar. Zwischen Uferstraße und dem Kaspischen Meer zieht sich fast um die ganze Bucht an der Baku liegt, ein breiter Streifen von zum Teil mit Marmor gepflasterten Wegen, Parkanlagen und interessanten, meist für die Öffentlichkeit bestimmten Bauwerken. Darunter finden sich Museen, Vergnügungsbauten, wie ein Kleinvenedig oder klimatisierte Karussells, Veranstaltungshallen in futuristischer Bauweise bis hin zum 162m hohen Fahnenmast mit der größten Nationalfahne der Welt. Unter all den Bauwerken besonders empfehlenswert ist das Teppichmuseum, das schon von außen durch seine außergewöhnliche Architektur auffällt. Es ist einem aufgerolltem Teppich nachempfunden. Das Baku-Eye, ein Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes, ist ein auf einer Plattform ins Meer gebautes Riesenrad, von dem man aus einen phantastischen Blick über die Bucht und die Skyline von Baku hat. An der Kasse ist zwar ein Schild mit durchgestrichenem Fotoapparat angebracht, der freundliche Kassierer erlaubt es aber trotzdem. Und das sollte man auf jeden Fall ausnützen!
Auf dieser gigantischen Uferpromenade kann man mit schußbereiter Kamera stundenlang flanieren und bekommt ständig Aufregendes vor die Linse. Auch für Fashion- und Beautyfotografie bietet sich der Bulvar an. Deshalb sollte auch eine Porträtlinse im Fotorucksack sein. Auch für die Streetfotografie ist die Stadt geeignet. Die Aserbaidschaner lassen sich gerne fotografieren, wenn man sie fragt, manchmal machen sie sogar auf sich aufmerksam, wie ein Arbeiter, der sich in schwindelerregender Höhe präsentierte.
Noch vor einigen Jahren zogen sich bis ins Zentrum verfallene Industrieanlagen aus sowjetischer Zeit und Erdölförderanlagen, die Boden und Wasser verschmutzten. Diese sind heute größtenteils abgebaut oder saniert. Im Norden von Baku in der Gegend von Sumgait sind noch Reste dieses postindustriellen Alptraums zu finden. Sie sind zumindest ein Paradies für Lost Place Fotografen.
In Aserbaidschan sind auf engsten Raum 11 Klimazonen vorhanden, von Wüstenlandschaften bis hin zu Gletschern im Kaukasus ist alles vertreten. Landschaftsfotografen finden ursprüngliche Gebirgslandschaften im großen Kaukasus und verwunschene Seen im kleinen Kaukasus. Wer auf der Suche nach historischen Bauwerken ist wird in Aserbaidschan ebenfalls fündig. In abgelegenen Landstrichen und Gebirgsdörfern haben etliche Kirchen aus albanischer Zeit überdauert. Das sagenumwobene Albanien war ein frühchristliches Reich, bevor es im 7. Jahrhundert von den Arabern erobert und islamisiert wurde. Die noch älteren sagenumwobenen Tempel mit dem ewigen Feuer der Zoroaster, einer monotheistischen Religion, die durch Nietzsches Werk “Also sprach Zarathustra“ bekannt wurde, verfielen nach der Islamisierung und die Feuer waren zwar für etliche Jahrhunderte erloschen. Aber der Haupttempel wurde durch die in Indien überlebenden Anhänger des Kultes im 18. Jahrhundert wieder aufgebaut und kann heute frisch renoviert in der Nähe von Baku besichtigt werden.
Im weiteren Umkreis von Baku findet sich ein geophysikalisches Highlight, das mit nichts auf der Welt vergleichbar ist: die Schlammvulkane, die sich hauptsächlich in der Gegend von Gobustan, südlich von Baku, befinden. Gut für den Reisenden, der sich die Schätze dieses Landes allein erschließen möchte, ist die Abgeschiedenheit und Unzugänglichkeit dieser geologischen Besonderheiten. Kein Wegweiser, keine Straße führt zu den Vulkanen. Einige lassen sich mit Hilfe ortskundiger Einheimischer mit dem Geländewagen erreichen. Vorbei an schwarzen Tümpeln, entstanden durch austretendes Erdöl, kämpft sich der Geländewagen über schmierige aus grauem, tonartigem Material bestehende Hänge zum Krater hinauf. Dort erwartet den Besucher eine Landschaft, die auf einem anderen Planeten sein könnte. Der vegetationslose Krater ist mit lauter kleinen Kegeln durchsetzt in deren Kratern eine graue kalte Schlammlava hin und her wogt und durch aufsteigendes Gasblasen aus dem Krater heraus schwappt und die Hänge herunterläuft. Das ausströmende Gas ist Methan und es empfiehlt sich bei heftiger Aktivität, keine Funken zu erzeugen! Die Besichtigung ist relativ gefahrlos, nur sehr selten kommt es zu starken Gasaustritten, die, wenn sich das Gas entzündet, durch bis zu über 100 m hohen Flammen weithin sichtbar sind und dann schon gefährlich sein können. Doch nicht nur mit den bizarren Schlammvulkanen, sondern auch mit unzähligen Felszeichnungen von der Steinzeit bis zu den Römern, die dadurch ihr Vordringen bis zum Kaspischen Meer dokumentiert haben, lockt diese Gegend. Ein modernes Museum ist dem Areal angegliedert und mit Hilfe englischsprachiger Führer kann man sich die Felszeichnungen aus der in der archaischen Landschaft erschließen.
Südlich von Ganja an den Ausläufern des kleinen Kaukasus gelegen kann der deutsche, speziell schwäbische Tourist eine Überraschung erleben. Fährt man durch den Ort Göygöl, der sich erst seit kurzem nach dem traumhaften gleichnamigen See umbenannte, auf dem Weg zu eben diesem See, glaubt man seinen Augen nicht zu trauen. Der Baustil ändert sich schlagartig und mitten im Dorf steht eine Kirche. Des Rätsels Lösung: Der Ort hieß ursprünglich Helenendorf und wurde vor 200 Jahren durch schwäbische Aussiedler gegründet. Der Ort kam durch Weinbau zu großem Wohlstand, bis 1941 durch Stalin die Deutschen nach Sibirien und Kasachstan deportiert wurden. In ganz Schwaben findet man wohl kaum noch ein so geschlossen erhaltenes historisches Dorfbild wie hier in Aserbaidschan. Der Fotograf wird hier auf der Suche nach kleinen Details fündig, die auf die deutsche Vergangenheit hinweisen, wie alte Straßenschilder und Inschriften an den Häusern. Die aserbaidschanische Regierung ist sehr am Erhalt dieser historischen Siedlungen, Helenendorf war nicht die einzige deutsche Kolonie, interessiert und fördert auch wieder den Weinanbau.
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