Einschränkungen und Sanktionen gegen russische Spitzenpolitiker und Geschäftsleute sind angesichts der heutigen US-Politik irgendwie logisch, nachvollziehbar. Bestimmte Berufe zählen quasi zur Risikogruppe. Aber Ballett?
Die US-Behörden haben der Primaballerina und dem ersten Solisten des Bolschoi-Theaters, Olga Smirnowa und Jacopo Tissi, das Visum zur Einreise in die Vereinigten Staaten verweigert. Die beiden wollten an der Gala des größten Wettbewerbs für junge Tanz-Talente in den USA teilnehmen.
So etwas habe es selbst zu Hochzeiten des Kalten Krieges nicht gegeben, kommentierte das russische Außenministerium. Die Lage sei ein Beweis für den weit fortgeschrittenen Verfall der US-Eliten, sagen etliche russische Experten. Das US-Establishment schießt sich seit einiger Zeit so häufig selbst ins Knie, dass andere Erklärungen in der Tat überflüssig erscheinen. Doch ohne die schwerwiegenden Kompetenzmängel der US-Führung zu ignorieren, müsste man erkennen, dass die Lage etwas komplizierter ist.
In seiner berühmten Fulton-Rede sprach Winston Churchill einst vom Eisernen Vorhang, der „von Stettin an der Ostsee bis nach Triest an der Adria“ verhängt worden sei. Bezeichnend an der Rede war, dass Churchill niemanden dafür verantwortlich machte, auch Moskau nicht. Vielmehr stellte der britische Regierungschef die schlichte Tatsache fest, dass Europa geopolitisch in zwei Lager gespalten war. Man kann dem großen Staatsmann nun wirklich keine Inkompetenz oder mangelnde Intelligenz vorwerfen: Der Eiserne Vorhang wurde vor über 70 Jahren in der Tat von beiden Seiten des Konflikts errichtet. Dann aber geschah das Entscheidende.
Die Sowjetführung zog die Schrauben zu fest an: Einschränkungen und Verbote für Sowjetbürger waren derart zahlreich und wirkten so absurd, dass der Eiserne Vorhang in der Öffentlichkeit bald als eine Ausgeburt der Sowjetunion wahrgenommen wurde, mit der sie ihre eigenen Bürger einsperrte. Vor dem Hintergrund dieser despotischen UdSSR konnte sich der Westen als eine Zivilisation des Rechts und der Freiheit positionieren. Dieser Gegensatz in der öffentlichen Wahrnehmung spielte beim Untergang des Sowjetstaates eine nicht unwesentliche Rolle.
Heute wiederholt sich die Geschichte: Der Eiserne Vorhang wird als unvermeidliches Element der geopolitischen Konfrontation erneut hochgezogen. Mit dem Unterschied, dass diesmal die USA den Bogen überspannen, in ihrem Wunsch sich vom gefährlichen Konkurrenten abzusondern.
Es ist schon absurd: Die Vereinigten Staaten werden zusehends zu einer im Vergleich zu Russland autoritären Macht. Dabei waren es einst ausgerechnet Sportler und Künstler, die das Leben in den USA dem Leben in ihrer sowjetischen Heimat vorzogen. Bleibt noch abzuwarten, dass Washington den US-Bürgern die Ausreise nach Russland und Eheschließungen mit Russen verbietet. Das Gute an solchen Restriktionen wäre bloß, dass sie weder in Russland noch im Westen entlarvt werden müssten – sie sprechen einfach für sich.
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