Der Weltenbauer von Berlin

  10 Mai 2018    Gelesen: 1249
Der Weltenbauer von Berlin

Wes Anderson hat die Idee, Simon Weisse die Kunstfertigkeit: In Berlin-Neukölln schafft der Requisitenmacher die hinreißenden Szenenbilder für "Grand Budapest Hotel" und jetzt "Ataris Reise". Ein Besuch.

 

Megasaki City ist die schillernde Dystopie einer Metropole: Autoritär regiert, aber anziehend schön. Am Horizont kratzen die bunt beleuchteten Hochhäuser den Nachthimmel, davor liegen die Überreste traditioneller, japanischer Baukunst - Holzhäuser mit Lampions zwischen Kirschblütenbäumen.

Die Fantasiestadt gehört zu den handgefertigten Szenenbildern, die Wes Andersons Stop-Motion-Film "Ataris Reise - Isle of Dogs" (Kinostart: 10. Mai), neben den ebenso handgefertigten Figuren, seine sehr spezielle Ausstrahlung verleihen. Und genau wie Filmprotagonist Atari haben auch Schauplätze wie die verlassene Raffinerie, der melancholische Autoschrottplatz und eben Megasaki eine kleine Odyssee hinter sich: Gebaut wurden die Miniatursets im Atelier von Simon Weisse in Berlin-Neukölln.

Gemeinsam mit seinem Team war er für jene Szenenbilder im Film verantwortlich, die nicht mit Figuren bespielt werden. Die machen rund die Hälfte der gesamten Schauplätze aus. Gut zwei Jahre Arbeit stecken in Weisses Miniaturen, für Absprachen und Planung, Recherche, den eigentlichen Bau und Nachkorrekturen. In der heißen Phase schickte er jeden Abend eine E-Mail mit Bildern des aktuellen Status quo an den Regisseur. Die fertigen Kulissen wurden dann per Spedition nach London geliefert und mit den anderen Szenenbildern zusammengebracht.

Das Wort Modellbau mag Simon Weisse nicht. "Ich würde es vielleicht 'Bühnenbild für den Film' nennen - oft, aber nicht nur im Miniaturformat." "Prop Maker" lautet Weisses offizielle Bezeichnung, im Deutschen gäbe es das schöne Wort "Requisitenmacher" dafür. Aber die Arbeit funktioniert international, wie der 56-Jährige selbst: Aufgewachsen in einem zweisprachigen Elternhaus in Frankreich, gearbeitet in Großbritannien, Kooperationen mit US-amerikanischen Produktionen, ist er irgendwann in den Neunzigerjahren nach Berlin gezogen. Sein Vater war Set-Fotograf, über ihn landete Simon Weisse beim Film. Oder genauer: In einer sehr speziellen Nische davon.

spiegel


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