Das Verhalten von Ex-VW-Konzernchef Martin Winterkorn erinnert ein bisschen an den VW-Werbespot für den "Käfer" aus den Sechzigern: Er schweigt und schweigt und schweigt. Reklame macht der im Abgasskandal wegen Betrugs verdächtige frühere Manager für seinen früheren Arbeitgeber aber längst nicht mehr. Im Gegenteil - VW prüft Schadensersatzansprüche gegen ihn.
Doch Winterkorn will sich zu den Vorwürfen offenbar frühestens dann äußern, wenn seine Anwälte Akteneinsicht erhalten haben. Das sei die Linie des 70-Jährigen, sagte ein Insider der Nachrichtenagentur dpa. Eine Bestätigung für diese Informationen gibt es bislang nicht.
Früheren Angaben des Braunschweiger Oberstaatsanwalts Klaus Ziehe zufolge sollen Winterkorns Verteidiger möglicherweise in diesem Sommer einen Blick in die Akten werfen dürfen. Die US-Klage gegen Winterkorn ändere den derzeitigen Sachstand in Deutschland nicht.
Druck von Verkehrsminister Scheuer
Wegen Betrugs im Zusammenhang mit den manipulierten Abgaswerten bei Dieselautos gibt es in den USA gibt es einen Haftbefehl gegen Winterkorn. Außerdem werfen ihm die Ankläger Verschwörung zum Verstoß gegen Umweltgesetze und zur Täuschung der Behörden vor.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer verlangt von Winterkorn derweil mehr Willen zur Aufklärung. Es sei "mehr Tempo" nötig, sagte der CSU-Politiker dem "Handelsblatt". "Herr Winterkorn muss auch seinen Beitrag leisten. Jeder Verantwortliche muss wissen, dass diese Vorgehensweise im Häppchen-Stil kein Vertrauen schafft - weder in die Unternehmen noch in die Diesel-Technologie."
Gegen die Spitze des Verkehrsministeriums hatte es insbesondere unter Führung Alexander Dobrindts Vorwürfe gegeben, gegenüber der Autoindustrie würde ein Kuschelkurs mit zu laxen Kontrollen gefahren. Wie sein Vorgänger lehnt auch Scheuer Fahrverbote und Hardware-Nachrüstungen ab.
Winterkorn war im September 2015 von seinem Amt als VW-Chef zurückgetreten, kurz nachdem der Abgasskandal mit weltweit Millionen manipulierter Dieselautos von US-Behörden aufgedeckt worden war. Er hatte betont, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein. Allerdings prüft der VW-Aufsichtsrat weiterhin Schadenersatzansprüche auch gegen Winterkorn. Wie lange dies dauern wird, blieb jedoch zunächst offen.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig geht unter anderem einem Betrugsverdacht nach. Zudem wird gegen Winterkorn wie auch gegen den neuen VW-Konzernchef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wegen möglicher Marktmanipulation ermittelt. Die Behörde hat inzwischen insgesamt 49 mutmaßlich Beteiligte im Visier - bei 39 geht es um Software-Manipulationen zum Stickstoffdioxid-Ausstoß, bei sechs um falsche CO2- und Verbrauchsangaben. In drei Fällen geht es um Marktmanipulation, in einem Fall um einen Mitarbeiter, der zum Löschen von Daten aufgerufen haben soll.
"Wir haben ein Ermittlungskonzept, das wir abarbeiten, und wir werden über die Frage von Anklageerhebungen nicht heute oder morgen entscheiden", hatte sagte Staatsanwalt Ziehe gesagt. Die Anklagebehörde nehme die US-Anklage "interessiert zur Kenntnis". Es ergäben sich zudem immer wieder neue Ansätze. Daher sei nicht ausgeschlossen, dass auch noch weitere Beschuldigte hinzukommen könnten.
Zahlreiche Diesel-Besitzer klagen derzeit auch gegen Volkswagen oder VW-Händler. Mit der kürzlich vom Bundeskabinett beschlossenen Musterfeststellungsklage sollen sie künftig mithilfe von Verbänden Schadenersatz erstreiten können - ohne selbst einen Prozess gegen ein Unternehmen anzustrengen.
spiegel
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