Stellen Sie sich ein Feld vor: Darauf wachsen verschiedene Pflanzen. Manche schneller, die kleinen Pflanzen können nicht mithalten, sie bekommen weniger Licht und Nährstoffe. Der Landwirt will gegensteuern - und streut Dünger. Alle Pflanzen kriegen ein bisschen was ab. Die Großen werden größer, viele Kleine rappeln sich gerade so auf, und die Mickrigen gehen ein. Ungefähr so funktioniert derzeit die Europäische Agrarpolitik.
Nach dem Gießkannenprinzip werden Agrarbeihilfen verteilt. Das wichtigste Kriterium ist dabei Fläche: Je größer ein Betrieb ist, desto mehr Subventionen bekommt er. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft lässt sich so nicht aufhalten. Jedes Jahr geben Tausende kleinere Bauern auf und die großen Betriebe sehen sich oft trotz EU-Hilfen nicht gewappnet für den Weltmarkt.
Derzeit werden die Weichen für den künftigen EU-Haushalt gestellt. Die EU-Agrarpolitik bräuchte dringend eine grundlegende Reform. Und Deutschland eine Diskussion darüber, wie zukunftsfähige Landwirtschaft hierzulande aussehen könnte.
Eine radikale Umstellung auf Bio? Doch die Erträge der ökologischen Landwirtschaft reichen längst nicht aus und viele Menschen können sich teurere Lebensmittel schlicht nicht leisten.
Eine komplette Abschaffung von Subventionen? Damit wäre die Produktion von Lebensmitteln und der Erhalt der Umwelt dem freien Markt ausgeliefert. Der Großteil der deutschen Landwirte könnte auf dem Weltmarkt nicht mithalten. Und von Nahrungsmittelimporten will keiner abhängig sein.
Was wäre also die Lösung?
Die EU sollte die Verteilung der Agrarsubventionen stärker den Mitgliedsstaaten überlassen. Die deutsche Politik muss mit Blick auf die Gesellschaft und Umwelt festlegen, wie die Landwirtschaft hierzulande aussehen soll: Masse oder Klasse?
Wenn Massenproduktion flächendeckend als Konzept nicht taugt, dann sollte die Politik in Deutschland die Bauern vor die Entscheidung stellen:
Wollt ihr bei der Produktion von Lebensmitteln hohe Standards einhalten und bei der Landschafts- und Umweltpflege eine wichtige Rolle spielen? Dann bekommt ihr dafür verstärkt öffentliche Gelder, und Verbraucher müssen keine rasant steigenden Lebensmittelpreise fürchten.
Wollt ihr nur Mindestauflagen akzeptieren und dafür in der Massenproduktion auf dem Weltmarkt konkurrieren? Dann müsst ihr mit schwankenden Marktpreisen kalkulieren und erhaltet entsprechend weniger staatliche Unterstützung.
Der Wandel lässt sich nicht von heute auf morgen vollziehen, sondern muss finanziell begleitet werden. Für die Bauern wäre die langsame Abkehr von pauschalen Direktzahlungen pro Hektar eine Umstellung.
Doch Resignation ist für Landwirte keine Lösung: Sie müssen sich dem Strukturwandel stellen. Und so, wie die EU-weite Milchquote angesichts der Globalisierung scheiterte, so werden auch die Agrarsubventionen in ihrer derzeitigen Form die Bauern nicht dauerhaft vor dem Weltmarkt schützen können.
Viele Bauern haben sich sowieso schon mit kreativen Ideen zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten geschaffen: Es gibt Urlaub auf dem Bauernhof, Direktvermarktung, Bauernhof-Kitas wurden gegründet oder Senioren wohnen auf Höfen. Für viele Landwirte ist ihr Betrieb nicht nur eine Einkommensquelle, sondern eine von Generation zu Generation übertragene Aufgabe. Darum ist es vielen wichtig, ein produzierender Landwirt zu sein - und nicht ausschließlich ein staatlich subventionierter Landschaftsgärtner.
Doch in schwierigen Berglagen etwa geht es heutzutage eben weniger um hohe Erträge, als um die Pflege der Kulturlandschaft. Solche Aufgaben sollten Landwirte als Geschäftsmodell und nicht als Almosen sehen.
Und auch Verbraucher sollten die EU-Agrarsubventionen nicht als milde Gabe aus ihrer Tasche und Landwirte pauschal als Abkassierer abwerten. Wem hochwertige Nahrungsmittel und der Erhalt der Kulturlandschaft wichtig sind, der wird sich vorerst mit Subventionen abfinden müssen.
Angesichts des Brexit muss die EU auch bei den Agrarausgaben kürzen. Auch ohne Mega-Reform lässt sich schon etwas ändern.
Die EU sollte bei den Direktzahlungen eine Grenze ziehen. Ab dem 500. Hektar etwa könnten Betriebe keine Flächenprämie mehr erhalten, aber die Schaffung von Jobs könnte im Gegenzug honoriert werden.
Großbetrieben sollte die sogenannte Umverteilungsprämie gestrichen werden. Dieser Zuschlag auf die ersten 46 Hektar eines Betriebs wird als Förderung von kleinen und mittleren Betrieben angepriesen. Heute bekommen die Großbetriebe dieses Geld ebenso.
Tierschutz und gute Haltungsbedingungen spielen bei den Direktzahlungen bisher keine Rolle, bei den Verbrauchern dagegen schon. Hier sollte die EU mehr Anreize für Landwirte setzen, denn Investitionen in größere und modernere Ställe sind teuer.
Die Richtung muss sein: Betriebe gezielt da unterstützen, wo sie das höchste Potential haben - und neue Geschäftsmodelle fördern. Kleine Betriebe sollten nicht der Konkurrenz am Weltmarkt hinterherjagen . Dort werden ihnen auch Subventionen nicht helfen.
spiegel
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