Großer Raketenmann in Singapur

  13 Juni 2018    Gelesen: 996
Großer Raketenmann in Singapur

Die Bilder aus Singapur sind atemberaubend. Gestern wusste niemand nach Sonnenuntergang, wie die Welt heute nach dem Treffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem Machthaber aus Nordkorea, Kim Jong-un, aussehen würde. Die Ungewissheit hat sich gelegt – und vielleicht verflüchtigt.

Man hat fast den berühmten Song von Frank Sinatra im Ohr, wonach man es auf der Welt überall schafft, wenn man es in New York hingekriegt hatte. Das spricht für Trump und seinen Wagemut, den er sich als Person nicht nur in New York zugelegt hatte.

Der noch vor Monaten als „kleiner Raketenmann“ gescholtene Kim Jong-un ist dagegen am Ziel seiner nordkoreanischen Träume, die er familienseitig in dieser quasi-sozialistischen Erbmonarchie von seinem Großvater und Vater mit auf den Weg bekommen hatte. Es besteht kein Zweifel mehr an der über Jahrzehnte hinweg angestrebten „gleichen Augenhöhe“ zwischen den Vereinigten Staaten und Nordkorea.

Das „Modell Kim“ dürfte auf der Welt Schule machen und einen neuen Handlungsspielraum nicht nur für den amerikanischen Präsidenten Donald Trump eröffnen. Er hat das Momentum der Geschichte für sich – und das im Gegensatz zu vielen anderen Staatsführern, die sich in den Spannungen zwischen Staaten gleichsam eingegraben haben und nichts anderes fertigbringen, als nur Spannungen zu vertiefen.

Alles das, was in Singapur hingelegt wurde, wird jetzt einer Globalüberprüfung unterzogen. Selbst die Gipfelerklärung muss erst unter Beweis stellen, dass sie mehr ist als eine flüchtige Momentaufnahme. Ein Indiz dafür dürfte sein, ob und in welchem Umfang in den nordkoreanischen Medien alles so übertragen wird, wie wir es zuvor bei den großen internationalen Medienhäusern gesehen haben. Was wird unter Umständen dabei ausgelassen und was wird gegebenenfalls hinzugefügt? Daran wird man sich ebenso festhalten können wie an den aus der Vergangenheit bei beiden Partnern festzustellende Absetzbewegungen von angeblich erreichten Vereinbarungen.

In der Luft liegen andere Umstände, die aufhorchen lassen. Das gilt zunächst einmal für Singapur selbst. Dieser Nachweis asiatischer Effizienz findet sich gleichsam in zwei Welten wieder. Schon der ehemals starke Mann Singapurs, Lee Kuan Yew, hat immer wieder deutlich gemacht, wie eng Singapur dem chinesischen Kosmos verbunden ist. Bei einer gemeinsamen Reise mit Lee Kuan Yew und dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl zur „Global-Universitäten“ im Süden Chinas konnte ich das miterleben.

Auf der anderen Seite befand sich der amerikanische Präsident Trump in Singapur geradezu auf heimischem Boden. Die amerikanische Pazifikflotte hat in Singapur fast einen Heimathafen zur Verfügung. Bei allen Rivalitäten im Südchinesischen Meer mit China ist dieser Umstand ebenso bemerkenswert wie der Verbleib amerikanischer Nuklearwaffen an Bord amerikanischer Kriegsschiffe, wenn diese im Hafen von Hongkong vor Anker gehen.

Atmosphärisch hat der Gipfel in Singapur die asiatische Welt verändert. Dazu reicht es, sich die letzten Monate vor Augen zu führen. Trump drohte mit der Vernichtung eines ganzen Volkes. Kim ließ sich nicht lumpen, was eine nicht hinnehmbare Bedrohung des amerikanischen Staatsgebietes anbetraf. Eine Fortsetzung des Korea-Krieges und ein daraus resultierender Weltkrieg schienen nicht ausgeschlossen zu sein. Das wird bei südkoreanisch-amerikanischen Großmanövern jedes Jahr bis zum dafür nötigen vorletzten Schuss geübt. Jetzt steht eine Einladung von Kim Jong-un ins Weiße Haus nach Washington an. Dramatischer kann eine Wandlung nicht sein.

Dabei darf man fast davon ausgehen, dass die Erziehung von Kim Jong-un in der Schweiz so nachhaltige Spuren hinterlassen hat, dass in der Kombination mit asiatischer Höflichkeit keine exzentrischen Ausschläge zu erwarten sein dürften.

Aber eines ist mit Singapur klar geworden. Der südkoreanische Präsident Moon Jae-in hat in den letzten Monaten und damit unmittelbar nach seiner Wahl eine atemberaubende Dynamik entwickelt. Das kann man nur, wenn es nicht nötig ist, sich in eine bedeutende Materie erst einarbeiten zu müssen. Die machtvolle Anwesenheit amerikanischer Truppen in Südkorea und die aufgezwungene Stationierung amerikanischer Abfangsystem haben ihn auch nicht hindern können, weltpoltische Umstände zu nutzen. Dies für sein Korea, damit auch in Tokio kein Zweifel besteht.

Tokio scheint ohnehin am Straßenrand zu stehen und mehr oder weniger ungefragt den Ereignissen in Singapur zuschauen zu dürfen. Selbst japanische Beobachter der Szenen von Singapur waren nicht in der Lage, andere Argumente als solche zu finden, die Sand ins Getriebe hätten streuen können. So ganz anders, als das für China und die Russische Föderation gesagt werden kann.

Kim Jong-un war sichtbar genug in Peking, Präsident Putin fährt demnächst nach Nordkorea. Ein möglicher Nuklearkrieg auf der koreanischen Halbinsel und die daraus resultierenden Schäden auch für den russischen Fernen Osten haben die Konfliktlage für alle Beteiligten deutlich gemacht. Rechtzeitig zum Gipfel Kim/Trump kam auch die Warnung von Putin/Xi, keine völkerrechtswidrigen Kriege der USA und ihrer Hintersassen unter Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen mehr hinnehmen zu wollen. Deutlicher konnte man es nicht sagen.

In trockenen Tüchern ist nach der Gipfelerklärung, die der Welt präsentiert werden konnte, zunächst nichts. Die Fallstricke kommen erst jetzt. Sie bemessen sich in den Vereinigten Staaten danach, wie die Nebenregierung im Kongress ihre Möglichkeiten bewertet, das bisherige Konzept der „Amerikanisierung des Globus“ umsetzen und fortführen zu können.

Änderungen der Militärpräsenz in Südkorea verschärfen die Neigung, sich zum „MacArthur“ gegenüber dem eigenen Präsidenten aufzuschwingen. Gerade wegen des amerikanischen Verhaltens in Asien hat der ehemalige amerikanische Oberbefehlshaber, General Mac Arthur, sich auf der Pazifikinsel Guam in bemerkenswerter Weise seinem Präsidenten gegenüber aufgespielt, vom geplanten Einsatz von Nuklearwaffen gegen Korea und gegen China ganz zu schweigen.

Das Modell „General Patton“ ist in den USA hoffähig und wird von der aufmerksamen Weltgemeinschaft unter die Lupe genommen werden. Kim Jong-un wird bedenken, wo der Niedergang Nordkoreas als erstes Opfer der weltweiten Klimaveränderung über das Wetterphänomen „El Nino“ und dem nuklearen Vernichtungsschlag der USA hätte enden können und sollen.

Bei Präsident Trump wird man sehen können, ob der Weg der Vereinigten Staaten, seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 auf Krieg gegen andere Staaten zu setzen, in Korea ein Ende findet. Dann wird auch die Frage danach zu beantworten sein, ob derjenige, der es in Singapur schafft, dies auch mit Teheran und Tel Aviv macht. Diejenigen, die noch nicht einmal die eigenen Grenzen schützen oder einen Flughafen bauen können, stehen da, wo sie hingehören: in der Schmoll-Ecke.

sputnik.de


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