Abrüstung nach Absprache: Wer oder was die Kernwaffenflut auf der Welt bremst

  13 Juni 2018    Gelesen: 580
Abrüstung nach Absprache: Wer oder was die Kernwaffenflut auf der Welt bremst

Damit nicht noch mehr Staaten dem exklusiven Atomklub beitreten, haben die Vereinten Nationen am 12. Juni 1968 den Atomwaffensperrvertrag verabschiedet. Die Vereinbarung sollte verhindern, dass weitere Ländern außer den damaligen Atommächten in den Besitz von Kernwaffen kommen. Ein Vertrag mit Stärken und Schwächen, schreibt Gazeta.ru.

Ein Mittel, um die Gefahr eines Atomkrieges zu bannen, sollte der Atomwaffensperrvertrag werden. Wenige Wochen nach der Verabschiedung in der Uno-Vollversammlung unterzeichneten mehr als 40 Länder das Dokument, einschließlich der USA und der Sowjetunion.

„Das Bilderbuchbeispiel für einen Staat, der zuerst Atomwaffen entwickelt hatte und dann darauf verzichtete, sein Atomprogramm einstellte und dem Atomwaffensperrvertrag beitrat, ist Südafrika. Andere Länder haben sich zu solchen Schritten bislang nicht entschlossen. Pakistan, Indien und Israel haben den Vertrag nie unterzeichnet und sind im Besitz von Kernwaffen. Nordkorea war einst ein Teilnehmerstaat, hat sich aber für Kernwaffen entschlossen und ist aus dem Vertrag ausgestiegen“, sagt der Analyst Baklizki von der russischen Denkfabrik PIR-Centre.

Bei all seiner Nützlichkeit und Unabdingbarkeit weist das bahnbrechende Vertragswerk aber auch Schwachstellen und Schlupflöcher auf. „Es gibt da den Artikel 6 des Vertrags, in dem es heißt, dass die Staaten, die bereits Atomwaffen besitzen, im guten Willen über den Abbruch des Wettrüstens und über Abrüstung verhandeln müssen. Aber dieser Artikel ist sehr schwammig formuliert. Wie, wann und auf welche Art die Atommächte ihre Arsenale verringern müssen, steht da nicht drin. Das bleibt den Staaten selbst überlassen. Deshalb kritisieren die atomwaffenfreien Staaten den Vertrag, weil er keine konkreten Einschränkungen enthält“, erklärt der Experte Baklizki.

Der Atomwaffensperrvertrag verpflichtet die Teilnehmerstaaten, die bereits Atomwaffen besitzen – und das sind jene Staaten, die ihre Atomwaffen vor dem 1. Januar 1967 gebaut und getestet haben – von einer Weitergabe dieser Waffen an Drittstaaten abzusehen. Auch dürfen die Atommächte anderen Staaten weder dabei helfen, Atomwaffen zu beschaffen oder zu produzieren, noch sie dabei fördern oder sie dazu ermutigen. Und auch die atomwaffenfreien Teilnehmerstaaten werden vom Atomwaffensperrvertrag in die Pflicht genommen: Sie haben verbindlich zugesagt, weder Kernwaffen herzustellen noch zu beschaffen. Das Recht auf die friedliche Forschung, Herstellung und Nutzung der Kernenergie sichert der Vertrag jedoch allen Teilnehmerstaaten ausdrücklich zu. Der Austausch von Technologien und Erkenntnissen zu diesem Zweck wird sogar explizit gefordert.

Die Entwicklung neuer Atomwaffen wird teils auch von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) überwacht. Ihrer Kontrolle unterstehen auch die Teilnehmerstaaten des Atomwaffensperrvertrags. „Die IAEO ist ja gerade dafür geschaffen worden, um darüber zu wachen, dass ein friedliches Atomprogramm zu keinem militärischen Atomprogramm wird. Um mit der Internationalen Atomenergie-Organisation einen Vertrag zu schließen, muss ein Staat nicht dem Atomwaffensperrvertrag angehören. Wenn aber spaltbares Material unter IAEO-Aufsicht kommt, garantiert die Organisation, dass dieses Material nur friedlichen Zwecken dienen wird“, erklärt der Analyst vom PIR-Centre.

Israel etwa hat zwei Atomreaktoren, von denen die Internationale Atomenergie-Organisation einen kontrolliert. Fachleute der Organisation besuchen den Reaktor regelmäßig, um sicherzugehen, dass er ausschließlich zur friedlichen Nutzung verwendet wird. So wird zumindest ein Reaktor überwacht, auch wenn in der anderen Anlage waffenfähiges Plutonium hergestellt wird. Einen ähnlichen Weg geht auch Indien seit 2006, nachdem es sein Atomprogramm geteilt hat: in einen friedlichen und einen militärischen Teil. Die Inspektoren der Atomenergie-Organisation dürfen dabei jedes Objekt auch außerplanmäßig inspizieren sowie Proben entnehmen, um etwaige Spuren radioaktiver Isotope festzustellen.

So war das allerdings nicht immer. Einst war es den Staaten überlassen, die Verfügbarkeit und die Anzahl ihrer Reaktoren der IAEO mitzuteilen. 1991 aber wurde das Ausmaß des irakischen Atomprogramms offenbar, wonach ein Zusatzprotokoll verabschiedet wurde, das die Inspekteure der Internationalen Atomenergie-Organisation mit derart weitreichenden Befugnissen ausstattet. Aber auch dieses Dokument hat einen strittigen Punkt.

„Das Problem des Zusatzprotokolls besteht darin, dass es freiwillig ist, und jedes Land selbst entscheidet, ob es das Protokoll unterzeichnet oder nicht. Viele Staaten halten das Dokument für überflüssigen und zudem noch diskriminierenden Ballast, weil die Atommächte ja Atomwaffen besitzen, die atomwaffenfreien Länder sich aber rechtfertigen und Inspekteure hereinlassen müssen“, erklärt der Experte Baklizki. „Die IAEO-Inspekteure können ja auch Zugang zu Militärobjekten fordern, allein aus der Vermutung heraus, dass sich dort nichtangegebenes spaltbares Material befinden könnte. Und die Länder müssen sie reinlassen. Das ist der Grund dafür, dass viele Länder das Zusatzprotokoll bislang nicht ratifiziert haben.“

Das Wichtigste aber: Vor dem Einsatz von Kernwaffen kann der Atomwaffensperrvertrag nicht schützen – er regelt nur deren Verbreitung. „Ein Verfahren, das beispielsweise Russland daran hindern würde, einen Atomkrieg gegen die USA anzufangen, existiert nicht. Da müsste die Uno klären… Die atomare Abrüstung fördert der Vertrag indes in der Tat. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges hatten die Atommächte Zehntausende nukleare Sprengköpfe. Heute haben Russland und die USA je 1.550 Stück“, sagt Baklizki.

Auch das seien immer noch zu viele und allemal genug, um einander irreversiblen Schaden zuzufügen, betont der Experte. „Ob die Abrüstung weitergehen wird, ist bislang unklar. In den letzten Jahren jedenfalls finden zwischen USA und Russland keine Gespräche diesbezüglich statt.“

Auch fehlen im Atomwaffensperrvertrag Regeln zu Strafmaßnahmen bei Verstößen, sie fehlen auch bei der Internationalen Atomenergie-Organisation. Diese Fragen regelt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Bei Verdacht auf Verstoß gegen die Nicht-Verbreitung von Kernwaffen werden zunächst Wirtschaftssanktionen verhängt und die Völkergemeinschaft fordert die Einstellung des Atomprogramms. In diese Lage ist der Iran geraten, der seit 2004 verdächtigt wird, insgeheim Kernwaffen zu entwickeln. „Was man aber sehen muss, ist, dass kein Staat der Welt Kernwaffen einfach so, aus dem Nichts heraus entwickelt. So eine Entwicklung ist ein kompliziertes und kostspieliges Projekt. Diese Belastung nehmen Länder nur auf sich, wenn ihre Sicherheit bedroht ist“, betont Baklizki.

sputnik.de


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