"Wenn er auf dem Platz stand, schien er den Himmel zu berühren"

  14 Juni 2018    Gelesen: 1194
"Wenn er auf dem Platz stand, schien er den Himmel zu berühren"

"Kleines Vögelchen", großes Genie: Garrincha war der beste Rechtsaußen der Fußballgeschichte und führte Brasilien zu seinen ersten beiden WM-Titeln. Privat verlief sein Leben tragisch.

 

Als Brasiliens Fußballnationalmannschaft sich im Sommer 1958 auf den Weg zur Weltmeisterschaft in Schweden machte, war das Team von zwei großen Enttäuschungen geprägt: Der nationalen Katastrophe beim Heim-Turnier 1950, als man den sicher geglaubten Titel dem Nachbarn aus Uruguay überlassen musste, folgte das Viertelfinal-Aus 1954 gegen die Ungarn. Titellos und unsicher fuhr man nun nach Nordeuropa - und wurde Weltmeister. Der Mann, der daran den Hauptanteil trug, hätte eigentlich nie auf einem Fußballplatz stehen sollen: Garrincha.


Geboren im Herbst 1933 in Pau Grande als Manuel Francisco dos Santos, lag die Freiheit des Seins für ihn, dessen Großeltern noch Sklaven waren, früh auf dem Fußballplatz. Zu Hause warteten der alkoholkranke Vater und das Leben in Armut, mit dem Ball schienen alle Fesseln abgestreift.

Auch die körperlichen: Sein Rückgrat war deformiert, das linke Bein sechs Zentimeter kürzer als das rechte. Nach zahlreichen Operationen konnte er zwar laufen, das linke Bein blieb jedoch ein O-, das rechte ein X-Bein. Viel zu klein war er zudem für sein Alter, so dass ihn seine Schwester Rosa "Garrincha" nannte, "kleines Vögelchen".

Aufnehmen wollte ihn zunächst kein Klub. Ein körperlich limitierter Junge, der kaum geradeaus laufen konnte - was wollte man mit so einem? Erst bei Botafogo ließen sie ihn mitkicken. Und der seltsame Spieler mit dem noch seltsameren Körper nutzte seine Chance, auch im Nationalteam.

Als er kurz vor dem Turnier 1958 in einem Freundschaftsspiel fünf Verteidiger und den Torhüter ausdribbelte, bevor er überhaupt erst in Erwägung zog, den Torabschluss zu suchen, war das für die Verantwortlichen zuviel. Sie setzen ihn nach diesem ungehörigen Treffer in den ersten beiden WM-Spielen auf die Bank, bevor Kapitän Djalma Santos intervenierte: Garrincha muss ins Team und der 17-jährige Pelé ebenfalls.

Die beiden gaben in der Partie gegen die Sowjetunion ihr Debüt. Und was für eines: Vom Anpfiff weg dribbelte sich Garrincha über die rechte Außenposition Richtung sowjetisches Tor und traf mit seinem Schuss den Pfosten. Keine 45 Sekunden später flankte er auf den in der Mitte wartenden Pelé, dessen Versuch die Latte touchierte. Was für ein Start - die Fußballwelt war begeistert.

Brasilien gewann 2:0 und traf im Halbfinale auf Wales, das mit 1:0 besiegt wurde. Deren Innenverteidiger Mel Hopkins beschrieb ihn anschließend als "Pänomen, das zur Zauberei in der Lage schien".

Mit beiden Füßen gleich stark, war Garrincha ein unberechenbarer Dribbler, ein Torjäger, ein Flankengott. Im Finale gegen die Gastgeber bereitete er die beiden ersten Treffer vor, die Seleção gewann 5:2 und war zum ersten Mal Fußballweltmeister. Die Bilder des jubelnden 17-jährigen Pelé gingen um die Welt, "die größere Gefahr war jedoch Garrincha", so Wales-Verteidiger Hopkins.

Die Veranlagung, Konventionen Konventionen sein zu lassen, machten Garrincha auf dem Spielfeld zum Genie. Außerhalb des Platzes sorgte sie zeitlebens für Probleme. Als er 1959 Schweden nach einer Gastspielreise seines Vereins Botafogo wieder verließ, blieb mal wieder eine schwangere Liebschaft zurück. Sohn Kim war eines von mindestens 14 Kindern, denen Garrincha ein Vater sein sollte.

spiegel


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