Die ersten Schüsse richteten sich gegen eine Glastür am Eingang der Redaktion. Als die Scheiben zerborsten waren, richtete der Schütze seine Waffe gegen Mitarbeiter der Zeitung "Capital Gazette" in Annapolis: Bei einer der schlimmsten Gewalttaten gegen Medien in den USA sind im Bundesstaat Maryland fünf Menschen getötet und zwei verletzt worden.
Der Schütze kam mit einem Gewehr und Rauchbomben bewaffnet in die Redaktion und eröffnete das Feuer. Unter den Todesopfern sind vier Redaktionsmitglieder sowie eine Vertriebsmitarbeiterin. Die beiden Verletzten konnten inzwischen das Krankenhaus verlassen.
Der mutmaßliche Täter ist ein 38-Jähriger aus dem Ort Laurel, etwa eine halbe Autostunde von Annapolis entfernt. Die Polizei war schnell vor Ort, stürmte das Gebäude und konnte ihn festnehmen. Er hatte sich unter einem Schreibtisch verkrochen. Bei der Festnahme habe seine Schusswaffe auf dem Boden und nicht in seiner unmittelbaren Umgebung gelegen, hieß es.
"Er wollte Schaden anrichten", sagte William Krampf, Polizeichef des Bezirks Anne Arundel. "Das war ein gezielter Angriff auf die 'Capital Gazette'". Der Schütze habe "nach seinen Opfern gesucht", er sei darauf vorbereitet gewesen, auf Menschen zu schießen".
"Es gibt nichts Angsteinflößenderes, als zu hören, wie Menschen erschossen werden"
Polizeireporter Phil Davis sagte der "Baltimore Sun", er habe sich unter seinem Schreibtisch versteckt, als der Schütze die Redaktion betreten habe. Er schreibe ständig über Schießereien und Tod, sagte Davis. Aber ganz gleich, wie sehr er versuche, zu beschreiben, wie traumatisierend es sei, sich unter seinem Schreibtisch zu verstecken, könne man es nicht verstehen, bis man selbst dort sei und sich hilflos fühle.
"Es gibt nichts Angsteinflößenderes, als zu hören, wie mehrere Menschen erschossen werden, während du unter deinem Schreibtisch sitzt und dann hörst, wie der Schütze nachlädt", schrieb Davis bei Twitter. In den Büroräumen sehe es aus wie in einem Kriegsgebiet. "Ich weiß nicht, warum er aufgehört hat", sagte er über den Schützen.
Angeblich soll der Verdächtige seine Fingerkuppen absichtlich verletzt haben - möglicherweise habe er so seine Identifizierung erschweren wollen, berichteten örtliche Medien. Polizeichef Krampf machte dazu keine Angaben; ebenso wenig sprach er über ein mögliches Motiv des Schützen. Bislang hat sich der Mann offenbar nicht zur Sache geäußert. Auch während der Tat soll er nicht gesprochen haben.
Verdächtiger hatte Zeitung verklagt - und verloren
Allerdings ist inzwischen bekannt, dass der Mann seit Jahren einen Disput mit der Zeitung hatte. 2012 verklagte er einen Journalisten des Blattes wegen übler Nachrede. Der Reporter hatte geschrieben, der Mann habe eine Frau auf Facebook belästigt und sich vor Gericht entsprechend schuldig bekannt. Er hatte die Frau dem Artikel zufolge in zahlreichen Nachrichten vulgär beschimpft und ihr gesagt, sie solle sich umbringen.
Gegen diese Berichterstattung war der nun festgenommene 38-Jährige gerichtlich vorgegangen. Er machte geltend, seine Sicht der Dinge sei in dem Artikel nicht fair wiedergegeben worden. 2013 wies ein Gericht die Klage ab. Er ging dagegen vor und verlor 2015 in nächster Instanz ebenfalls. Nach Überzeugung der Gerichte waren die Artikel inhaltlich korrekt und basierten auf öffentlich zugänglichen Informationen.
Die "Capital Gazette" ist eine der ältesten Zeitungen in den USA. Ihre Ursprünge reichen bis ins Jahr 1727 zurück. Das Blatt gehört zur Tronc-Gruppe, die im Büro in Annapolis mehrere Lokalzeitungen produziert. Die Zeitungen konzentrieren sich auf lokale Berichterstattung.
In New York verstärkte die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen bei Medienhäusern. Die Tat ereignet sich zu einer Zeit, in der die Arbeit der Medien in den USA besonders im Fokus steht - und in der sich Journalisten verbalen Angriffen auch von höchster Stelle ausgesetzt sehen.
Donald Trump sprach bereits als Präsidentschaftskandidat von "fake news media". Unter anderem bezeichnete er renommierte Zeitungen und Sender wie die "New York Times", CNN und CBS als "Feind des amerikanischen Volkes".
spiegel
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