Das georgische Parlament argumentierte hingegen, dass das Ziel der umstrittenen Bestimmung darin bestehe, „das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft zu schützen und die öffentliche Ordnung sicherzustellen“. Es betonte auch, dass der Cannabiskonsum der Gesundheit schade und besonders für Jugendliche gefährlich sei.
Der Gerichtshof einigte sich in seinem Urteil vom 30. Juli darauf, dass die Beschränkung des Konsums von Marihuana zwar „dem legitimen Zweck des Schutzes des Wohlergehens der Verbraucher dient“, fügte aber hinzu, dass der Marihuana-Konsum eine „durch das Recht auf freie Selbstentwicklung garantierte Handlung“ sei. Die Gefahr, die von der individuellen Nutzung ausgeht, sei „sehr gering“. Pauschale Einschränkungen des Marihuana-Konsums stünden daher in keinem angemessenen Verhältnis zur Erreichung des legitimen Zwecks. Sie stünden im Widerspruch zum Artikel 16 der Verfassung Georgiens, so der Gerichtshof. Das Verfassungsgericht entschied, dass die Einschränkung der Verwendung von Marihuana im Einklang mit der Verfassung stehe, wenn sie „eine Bedrohung für Dritte darstellt“, wie zum Beispiel in Bildungseinrichtungen, öffentlichen Verkehrsmitteln, in Anwesenheit von Jugendlichen, etc.
Kritik an der Entscheidung
Surab Dschaparidse begrüßte die Gerichtsentscheidung. Laut Dschaparidse sei die Entscheidung „ein Meilenstein“ und würde das Land „viel freier machen“. „Damit ist Georgien das erste Land im postsowjetischen Raum, in dem der Konsum von Cannabis vollständig legalisiert wird“, so Dschaparidse.
Erzpriester Andria Dschagmaidse, ein ranghoher Geistlicher der Georgischen Orthodoxen Kirche, kritisierte die Gerichtsentscheidung und bezeichnete sie als „Verrat an der Nation“. „Wenn man bedenkt, wie gering das jugendliche Bewusstsein über die schädlichen Auswirkungen des Drogenkonsums ist, kann eine solche Lockerung nur als äußerst negativ empfunden werden“, bemerkte der Erzpriester und fügte hinzu, dass das Verfassungsgericht „vollständig abgeschafft werden müsse“. „Wie können vier Richter des Verfassungsgerichtshofs absolut unklare Entscheidungen treffen, den Willen von vier Millionen Menschen ignorieren und schädliche Entscheidungen aufgrund ihrer unklaren Logik treffen“, sagte Erzpriesterin Dschagmaidse gegenüber der Presse.
Ähnlich entschiedene Forderungen wurden von Schalwa Natelaschwili, dem Präsidentschaftskandidaten der oppositionellen Labour Party, geäußert. „Was das Verfassungsgericht gestern beschlossen hat, war ein historisches Verbrechen“, meinte Natalaschwili und fügte hinzu, dass das Verfassungsgericht abgeschafft werde, soll er den Wahlkampf gewinnen.
Mirian Tsiklauri, Mitglied des georgischen Parlaments, erklärte, dass die Gerichtsentscheidung von „unverantwortlichen Menschen“ getroffen worden sei und „die Nation und den Staat verraten“ habe. „Vier ernannte Richter sollten solche Befugnisse nicht haben; sie haben so viel Macht, dass sie Wahlergebnisse sogar annullieren können“, kritisierte Tsiklauri. Auf die Frage, ob er für die Abschaffung des Verfassungsgerichts sei, sagte Tsiklauri, dies sei nur eine „vorläufige Idee“ und er habe keine „festen Ansichten“ zu diesem Thema, sondern würde „zusammen mit Kollegen darüber nachdenken“.
Bis Oktober 2015 sah die georgische Gesetzgebung für den Besitz von großen Menge Marihuana eine Freiheitsstrafe von 7 bis 14 Jahre vor. Laut der damaligen Definition galt die Menge ab 50 Gramm Marihuana als „groß“. Im Oktober 2015 hob das Verfassungsgericht die zulässige Menge auf 70 Gramm an.
Das Verfassungsgericht Georgiens hatte im Jahr 2017 ein Urteil verkündet, das besagt, dass niemand für die Verwendung von Marihuana ins Gefängnis kommen würde. Drogenhandel in Georgien ist strafbar und fällt in die Kategorie der Schwerverbrechen.
Quelle: caucasuswatch
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