Kampf um den Öl-Thron: USA rücken Russland mit Schieferöl zu Leibe

  09 Auqust 2018    Gelesen: 730
Kampf um den Öl-Thron: USA rücken Russland mit Schieferöl zu Leibe

Experten sagen eine neue Welle der Schieferölrevolution in der Welt voraus. In diesem Jahr wird diese Branche in den USA zum ersten Mal die Gewinnschwelle erreichen.

Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert, dass in dieser Branche aktive Unternehmen sich rentieren und damit kaum noch Kredite bräuchten. Experten der US-amerikanischen Verwaltung für energetische Informationen (EIA) erwarten einen wesentlichen Aufschwung der Schieferölförderung. 2018 soll für die US-Schieferöl- bzw. Schiefergasbranche zum Wendejahr werden.

„Das ist sowohl durch die relativ hohen Ölpreise als auch durch das Wachstum der technologischen und operativen Effizienz bedingt“, sagte ein Sprecher des Zentrums für makroökonomische Studien der russischen Sberbank zu dem IEA-Bericht.

Die russischen Experten weisen auf mehrere Entwicklungsphasen der Schieferöl- und —gasbranche in Amerika hin: Die erste dauerte von 2010 bis 2014, als sich die Technologien entwickelten und die hohen Ölpreise große Investitionen in die Schieferölförderung ermöglichten. Allerdings blieben diese Investitionen unrentabel. „In diesen fünf Jahren belief sich der negative ‚Free-Flow‘ auf mehr als 200 Milliarden Dollar“, stellten die IEA-Experten fest. „Unternehmen aus dieser Branche wurden abhängig von der Kreditfinanzierung.“

Dann begann die „Überlebensphase“, die 2015 und 2016 andauerte. Vor dem Hintergrund der fallenden Ölpreise war es viel schwerer, Sponsoren und Kreditgeber zu finden, „die Unternehmen mussten ihre Aktivitäten mit ihrem eigenen Kapital finanzieren“, so die IEA weiter. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf die Förderung der Effizienz und die Kürzung ihrer Ausgaben. Viele Unternehmen, die ihre Konkurrenzfähigkeit einbüßten, mussten den Markt verlassen.

Die dritte Phase – die Konsolidierung – begann 2017. Der erneute Anstieg der Ölpreise nach dem OPEC+-Deal und die weitere Entwicklung der Technologien, ein wesentlicher Anstieg der Effizienz, sinkende Ausgaben und die Entdeckung von neuen Schieferöl- bzw. —gasvorkommen – das alles führte zu einer Investitionssteigerung von 60 Prozent. Dennoch blieb der „Free-Flow“ weiterhin negativ.

2018 scheint eine neue Phase begonnen zu haben: Die IEA-Experten schließen nicht aus, dass sich die Investitionen der letzten Jahre endlich rentieren werden.

Die Branche befindet sich nach Einschätzung der Experten „auf dem Weg zum ersten positiven ‚Free-Flow‘ in ihrer Geschichte. Dank dem Investitionszuwachs um 60 Prozent 2017 und um 20 Prozent (voraussichtlich) in diesem Jahr könnte die Schieferölförderung den Rekordstand von 5,7 Millionen Barrel pro Tag erreichen. Allerdings räumen die IEA-Experten ein, dass der finanzielle Erfolg der Schieferölbranche noch sehr schwankend ist.

Die US-amerikanische Energiebehörde EIA veröffentlichte gestern ihrerseits ihre Prognose für die Ölförderung in Amerika. Diese wurde etwas nach unten korrigiert: 2018 wird eine Förderung von 10,7 Millionen Barrel (gegenüber 10,8 Millionen zuvor) pro Tag erwartet. 2019 sollte diese Zahl 11,7 Millionen Barrel (statt 11,8 Millionen) erreichen.

Dennoch wird der Anstieg der Fördermenge bedeutend sein. Zum Vergleich: 2017 hatten die USA 9,4 Millionen Barrel täglich gewonnen. Dabei werden sich die Vereinigten Staaten im kommenden Jahr als größter Ölproduzent der Welt etablieren. Russland förderte 2017 knapp 11,3 Millionen Barrel pro Tag, und Saudi-Arabien noch weniger.

Branchenkenner erkennen den Erfolg der amerikanischen Schieferölbranche an. „Die US-Schieferölunternehmen sind heutzutage viel stabiler und werden mit größerer Wahrscheinlichkeit einen neuen Preissturz überleben“, meint Alexej Kalatschow (Finam).

„Die Schieferölprojekte sind sehr unterschiedlich: Für einige belaufen sich die Selbstkosten auf 30 bis 40 Dollar pro Barrel, für andere auf 50 bis 60 Dollar. In den vergangenen Jahren ist der Schieferölpreis in den USA tatsächlich zurückgegangen: Die Unternehmen haben gelernt, ihre Ausgaben einzudämmen“, so Roman Tkatschuk (Alpari). In diesem Jahr wird die Ölförderung nach seinen Worten im Schnitt wachsen, weil die Rentabilität der Bohranlagen immer größer wird.

„Wir beobachten gerade die zweite Welle der Entwicklung von Schieferölunternehmen in den USA“, sagte der Analyst von Freedom Finance, Alen Sabitow. „Wenn die Ölpreise stabil bleiben, wird sich die Situation mit der Zeit verbessern“, stimmte Albert Korojew (BCS Broker) zu. „Zumal sich die USA um die Isolierung des iranischen Öls bemühen und die Ölpreise dadurch im Allgemeinen stabilisiert werden.“ 

Gleichzeitig zeigten sich Kenner des Metiers einig, dass die Ölbranche in den USA aus technologischer Sicht zu den besten weltweit gehöre. „Erst vor zehn Jahren entfielen in den USA auf die ‚untypischen‘ Arten (Schieferöl, Schelf-Öl) etwa sieben Prozent der Produktion, und jetzt übertrifft diese Zahl 50 Prozent“, präzisierte Tkatschuk.

Allerdings kann man noch nicht behaupten, die Selbstkosten des Schieferöls in den USA wären die niedrigsten weltweit. „Trotz des technologischen Fortschritts sind die Selbstkosten immer noch höher als die bei der Förderung des billigen Öls im Nahen Osten, und deshalb wäre ein Anstieg der Förderung in den Mitgliedsländern des OPEC+-Deals gefährlich für das Schieferöl in Amerika“, so Sabitow weiter.

Die Experten geben aber zu, dass die USA in absehbarer Zeit zum wichtigsten Ölproduzenten der Welt aufsteigen werden. „Im ersten Halbjahr 2018 haben die Schieferölunternehmen zum ersten Mal die Förderung um mehr als eine Million Barrel pro Tag aufgestockt, so dass sie in den USA im Durchschnitt elf Millionen erreichte. Ein solches Wachstum wird den USA gestatten, gegen 2023 weltweit größter Ölproduzent zu werden, und zwar für Jahrzehnte“, vermutete Sabitow. Ihm zufolge könnte das Wachstum der Ölförderung in Amerika 80 Prozent der globalen Nachfrage abdecken.

Zwar werde das in den USA geförderte Öl überwiegend auf dem Binnenmarkt verbraucht, doch seien sie an einer globalen Expansion interessiert, meinen die Experten. Und angesichts dessen bekommen Washingtons antiiranische Sanktionen eine ganz besondere wirtschaftliche Bedeutung. „Wir sind der Ansicht, dass Irans ‚Nische‘ die USA, Saudi-Arabien und auch Russland einnehmen könnten“, sagte Experte Sabitow weiter. Kollege Tkatschuk bemerkte seinerseits, dass der Iran allerdings schweres Öl gewinne, das in Ölraffinerien verwendet werde, während das Schieferöl leicht sei und den iranischen Rohstoff nicht vollständig ersetzen könnte.

sputniknews


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