Wie Trump Iran zu Nordkorea macht

  04 September 2018    Gelesen: 950
Wie Trump Iran zu Nordkorea macht

Währungsabsturz, galoppierende Inflation, sinkende Ölexporte: Trumps neue Sanktionen stürzen den Iran ins Wirtschaftschaos. Gewinner sind die Hardliner in Teheran. Sie rufen nach neuen Waffen. Auch ein neues Atomprogramm ist kein Tabu mehr.

Die Bevölkerung im Iran hatte es noch nie leicht. Proteste gegen die Mangelwirtschaft in der Islamischen Republik gibt es seit der Revolution vor fast 40 Jahren regelmäßig. Seit dem Atomabkommen von 2015, mit dem Präsident Hassan Ruhani auf die Entwicklung von Atomwaffen verzichtete und im Gegenzug die Sanktionen gelockert wurden, ging es wieder aufwärts. Der vergleichsweise moderate Reformer hatte es geschafft, ausländische Investoren zurück ins Land zu locken. Doch seit US-Präsident Donald Trump den Deal im Mai aufgekündigt hat, ist die Wirtschaft dramatisch abgestürzt.

Die Inflation liegt inzwischen bei mehr als elf Prozent monatlich. Die Preise für Medikamente und andere Importwaren steigen dramatisch. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Viele Iraner können sich Essen und Mieten kaum noch leisten. Sie gehen seit Monaten gegen Ruhanis Wirtschaftspolitik auf die Straße. "Wir brauchen Brot und Butter", zitierte das "Wall Street Journal" (WSJ) vor wenigen Wochen einen jungen Mann in Teheran.

Der iranische Rial hat in den letzten drei Monaten mehr als die Hälfte seines Werts zum Dollar verloren. Der Schwarzmarkt blüht. Illegale Wechselstuben in Teheran verstecken laut "WSJ" ihre Dollar-Lieferungen in Pizzaschachteln. Für die Gegner der Annäherung an den Westen ist das Wirtschaftschaos willkommene Munition. Angesichts der neuen Sanktionen des Weißen Hauses machen sie Stimmung gegen Ruhani. Die Hardliner treiben Iran mehr und mehr auf Konfrontationskurs. Selbst mit Atomwaffen liebäugelt Teheran nun wieder offen. Nach dem faktischen Ende des Iran-Deals ist das Land auf dem besten Weg, wieder zum Nordkorea des Nahen Ostens zu werden.

Säuberung in der iranischen Regierung


Trump hat Ruhani auf dem falschen Fuß erwischt. Wegen seiner Absage an den Atom-Deal fliehen westliche Firmen wieder aus dem Iran. Sie haben Angst, von Washington bestraft zu werden, wenn sie ihre Geschäfte mit Teheran nicht einstellen. Siemens, Daimler, Telekom, die Deutsche Bahn, Total, Shell und viele andere Konzerne sind schon weg. Air France, KLM und British Airways werden das Land ab Mitte September nicht mehr ansteuern.

Die Hardliner nutzen das Chaos, das Trump gestiftet hat, für die Jagd auf die Ruhani-Regierung. Im iranischen Parlament nehmen sie Ruhanis Kabinett ins Verhör. Seinen Finanzminister haben sie bereits abgesetzt. Anders als in Deutschland ist das laut der iranischen Verfassung möglich. Auch der Wirtschaftsminister und der Arbeitsminister wurden des Amtes enthoben. Im Juli hatte Ruhani bereits den Zentralbankchef gefeuert, weil der die Währungskrise des Landes nicht in den Griff bekommen hatte.

Und der Druck auf Ruhani dürfte noch weiter zunehmen. Am 4. November treten neue Sanktionen der USA in Kraft. Washington hat gedroht, auch Firmen aus anderen Ländern auf die Finger zu klopfen, wenn sie sich nicht an die Deadline halten. Die Strategie geht offenbar auf: Japans größte Ölkonzerne wollen laut Medienberichten den Import aus Teheran im Oktober stoppen. Auch Banken sollen nach dem Willen Washingtons dann den Zahlungsverkehr einstellen.

Öl-Schock soll Iran den Todesstoß versetzen


Außenminister Heiko Maas und andere EU-Länder wehren sich dagegen, Iran wieder zum Schurkenstaat abzustempeln. Maas will nicht nur den Atomdeal retten, sondern vor allem auch die Finanzkanäle nach Teheran offenhalten. Berlin setzt sich mit Nachdruck dafür ein, das Land im November nicht vom Swift-Zahlungssystem abzukoppeln, wie Washington es will. Zudem arbeite man daran, "von den USA unabhängige Zahlungskanäle einzurichten", heißt es. Konkrete Erfolge gibt es bislang allerdings nicht.

Mit offenem Visier wird Teheran Donald Trump kaum Paroli bieten können. Schon bevor die neuen US-Sanktionen greifen sind Irans Ölexporte auf den niedrigsten Stand seit zweieinhalb Jahren gefallen. Im November könnten sie um die Hälfte einbrechen. Denn anders als bisher will die Trump-Administration den Rest der Welt dann zwingen, überhaupt kein iranisches Öl mehr zu kaufen. Deshalb dürfte Teheran schon bald wieder auf verdeckte Handelskanäle setzen, so wie es Nordkorea schon seit Jahren macht.

Auch Iran hat das Schmuggeln in der Zeit vor dem Atom-Abkommen schließlich bestens gelernt. Damals schalteten die Tanker aus Teheran auf hoher See einfach ihre Ortungsgeräte aus. Millionen Barrel sickerten so heimlich aus dem Land. Auch jetzt dürfte es wieder genügend Abnehmer geben: Indien und China haben bereits angekündigt, bei den US-Sanktionen nicht mitmachen zu wollen - zumal Iran ihnen unschlagbare Rabatte anbieten dürfte. Darüber hinaus setzt Teheran auf Abschreckung. Irans Revolutionsgarden drohen bereits wieder, die Straße von Hormus im Persischen Golf und damit alle Ölexporte aus dem Nahen Osten zu blockieren.

Raketen, U-Boote, Jets - Teheran rasselt mit den Säbeln


"Mit einer Radikalisierung unserer Politik werden wir definitiv nichts erreichen", warnte Präsident Ruhani letzte Woche zwar im Parlament. "Mit dem Deal haben wir in erster Linie der Welt bewiesen, dass unser Atomprogramm friedlich ist." Doch die konservativen Kleriker haben ihn und seinen Reformkurs offenbar schon aufgegeben.

Der oberste Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei rasselt wieder mit dem Säbel. Das Militär müsse wachsam sein, die Zahl der Soldaten erhöhen und die Ausrüstung verbessern, forderte Iran politisches Oberhaupt auf seiner Homepage. Der stellvertretende Verteidigungsminister Mohammad Ahadi kündigte am Wochenende an, Teheran wolle die Fähigkeiten seiner Raketen ausbauen. Zudem wolle der Iran neue Kampfflugzeuge, Schiffe mit großer Reichweite und U-Boote beschaffen, die mit verschiedenen Waffen ausgestattet werden könnten, sagte Ahadi.

Am Boden schafft das iranische Militär bereits Fakten. Offenbar bewaffnen die Streitkräfte des Gottesstaates schiitische Milizen im Irak mit ballistischen Kurzstreckenraketen, die die saudi-arabische Hauptstadt Riad oder Tel Aviv in Israel erreichen können. Die Waffen seien ein "Notfallplan, falls Iran angegriffen wird", zitiert Reuters einen iranischen Beamten. Die Milizen sollen so in die Lage versetzt werden, die Geschosse selbst herzustellen. Bisher seien kaum zwei Dutzend Raketen verlegt worden. Die Waffen seien als Warnung an die USA und Israel gedacht, sagt ein westlicher Geheimdienstbeamter in dem Bericht.

Teheran macht auch offiziell keinen Hehl aus seinem Strategiewechsel. Die iranische Regierung sollte "bei Fragen wie dem Atomabkommen oder der Wirtschaft ihre Hoffnung nicht auf die Europäer setzen", mahnte Revolutionsführer Chamenei vergangene Woche. Brüssel bemüht sich zwar intensiv um neue Gespräche über Irans atomare Zukunft. Doch momentan beißen die Diplomaten in Teheran auf Granit. Es gebe "keinen Grund, keine Notwendigkeit, keine Zuverlässigkeit und kein Vertrauen für Verhandlungen über Fragen, die nicht zur Debatte stehen", teilte das iranische Außenministerium auf französische Forderungen nach Verhandlungen über das Atomabkommen kurz vor dem Wochenende mit. Eine klare Absage an nukleare Ambitionen klingt anders.

Quelle: n-tv.de


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