Nervös blickt die Welt auf den anstehenden Syrien-Gipfel von Russland, der Türkei und dem Iran: In der iranischen Hauptstadt Teheran kommen vor dem Wochenende der russische Präsident Wladimir Putin, der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und der iranische Präsident Hassan Ruhani zusammen, um sich über das Vorgehen im Syrien-Krieg abzustimmen. Beobachter rechnen mit einer Entscheidung über den erwarteten Großangriff auf die von syrischen Rebellen gehaltene Region Idlib, in der mehr als drei Millionen Menschen leben.
Offen ist dabei die Frage, ob es im Fall des gefürchteten Großangriffs der syrischen Regierung auf die Rebellenhochburg zu einer humanitären Katastrophe kommt. Bei dem Dreiergipfel in Teheran ist die Türkei als Schutzmacht der Rebellen dabei, Russland und der Iran als Verbündete der syrischen Regierung. Vor dem Gipfel hatten die UN und viele Regierungschefs eindringlich vor einem Blutbad gewarnt, sollte Syrien seine Offensive durchziehen. In Idlib leben neben Rebellen auch rund drei Millionen Zivilisten, darunter laut UN mehr als eine Million Kinder.
Der iranische Parlamentschef Ali Laridschani hatte am Vortag des Gipfels erklärt, er erwarte von dem Syriengipfel eine Entscheidung zu Idlib. Die Präsidenten Wladimir Putin, Hassan Ruhani und Recep Tayyip Erdogan schauen allerdings von äußerst unterschiedlichen Blickwinkeln auf den Konflikt. Die Türkei, die sich für den Gipfel stark gemacht hatte, will die Offensive verhindern.
Die Provinz Idlib grenzt an türkisches Staatsgebiet, türkisches Militär ist mit stark befestigten Vorposten in Idlib stationiert. Die Türkei befürchtet, dass im Fall eines Großangriffs Hunderttausende syrische Flüchtlinge Richtung Türkei fliehen könnten. Das Land beherbergt schon jetzt mehr als drei Millionen Flüchtlinge.
Der Iran wiederum befürwortet einen Angriff auf Idlib. "Ohne eine Säuberung Idlibs von Terroristen wäre der Friedens- und Wiederaufbauprozess Syriens nicht möglich", sagt Außenminister Mohamed Dschawad Sarif. Es müssten aber Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten getroffen werden.
Russische Kriegsschiffe im Meer
Russland hat in den vergangenen Tagen immer wieder betont, dass bestimmte Terroristen aus Idlib vertrieben werden müssten. Das russische Militärkontingent in Syrien begann vor einigen Tagen mit Luftangriffen, die bis zuletzt fortgesetzt wurden. Die russischen Streitkräfte haben zudem an der syrischen Küste im östlichen Mittelmeer eine starke Flotte zusammengezogen, die offenbar als Unterstützung des erwarteten Angriffs auf Idlib bereitsteht.
Von den russischen Kriegsschiffen im Mittelmeer aus könnten etwa Marschflugkörper für Luftschläge auf Ziele in Syrien gestartet werden, heißt es. Daneben könnte die russische Marine den Nachschub an Munition und Material über den Seeweg sicherstellen oder im Fall einer drohenden Intervention auch starke Kräfte zur Luftabwehr bereithalten.
Unklar ist bislang, ob das Dreier-Format von Russland, Türkei und Iran dabei hilft, die Probleme im Detail zu besprechen. In Teheran sah es kurz vor dem Gipfel so aus, als könnte das Treffen der Präsidenten am Freitagmittag nur eine Stunde dauern. Bisher bekannten Planungen zufolge ist im Anschluss an das Treffen eine Pressekonferenz angesetzt. Danach soll es bilaterale Treffen bis zum späten Nachmittag geben. Falls es eine Entscheidung über eine gemeinsame Militäroffensive in Idlib gibt, dürfte sie demnach bereits am Mittag fallen.
Rollenverteilung festgelegt?
Informationen der arabischen Tageszeitung "Al-Hayat" zufolge ist das weitere Vorgehen der drei Kriegsparteien Russland, Iran und Türkei ohnehin schon ausgemacht. Unter Berufung auf syrische Oppositionskreise berichtete das Blatt, Russland und die Türkei hätten bereits eine Einigung zu Idlib erzielt. Demnach soll die Türkei dort die Aufgabe übernehmen, Terrororganisationen zu bekämpfen und dafür ausreichend Zeit bekommen.
Die EU-Staaten im UN-Sicherheitsrat riefen Russland und den Iran dazu auf, bei ihren Gesprächen die bisher vereinbarte Waffenruhe aufrechtzuerhalten. Eine militärische Eskalation im Nordwesten des Bürgerkriegslandes könne "katastrophale humanitäre Folgen für die Zivilbevölkerung" haben, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von acht europäischen Staaten. Hinter dem Appell stehen Großbritannien, Frankreich, Italien, Schweden, Polen, die Niederlande, Belgien und Deutschland.
Die Vertreter der acht EU-Staaten wollten im Tagesverlauf parallel zum Syrien-Treffen in Teheran ein Treffen mit Vertretern der syrischen Opposition in New York abhalten. Dabei solle ihnen eine "Plattform und eine Stimme innerhalb der UN" gegeben werden, um zu erklären, wie eine humanitäre Katastrophe in Idlib ihrer Meinung nach verhindert werden kann.
Quelle: n-tv.de
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