Hilfsbereitschaft: Deutsche spendeten 2015 so viel wie nie zuvor
Eine Umfrage von SPIEGEL ONLINE unter acht der größten Hilfsorganisationen in Deutschland bestätigt diesen Befund: Fast alle verzeichnen einen höheren Spendeneingang als im Vorjahr, in keinem Fall ging die Spendensumme zurück. Als Grund für die große Spendenbereitschaft der Deutschen nannten die Organisationen übereinstimmend zwei Ereignisse: Das verheerende Erdbeben in Nepal im Frühjahr und der starke Anstieg der Flüchtlingszahlen.
Der Deutsche Spendenrat und die Marktforschungsgesellschaft GfK gehen für das Jahr 2015 von Privatspenden im Bereich von 5,4 bis 5,6 Milliarden Euro aus. Das entspricht einem Zuwachs von mindestens 8,2 Prozent. Das DZI rechnet mit sieben Milliarden Euro an Spenden, im Vergleich zu 6,5 Milliarden im Jahr 2014 - eine Steigerung von knapp acht Prozent.
Die Differenzen in den Zahlen des Spendenrates und des DZI ergeben sich aus unterschiedlichen Berechnungsmethoden. So sind in den Zahlen des Spendenrats zum Beispiel keine Großspenden von mehr als 2500 Euro enthalten.
Der Spendenrat erwartet für 2015 ein "Rekordjahr", ihm zufolge ist nicht nur die Gesamtsumme der Spenden, sondern auch die Zahl der Spender gestiegen: Von Januar bis September 2015 spendeten demnach rund 18,4 Millionen Menschen Geld an gemeinnützige Organisationen oder Kirchen - eine Million Menschen mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Der Betrag einer durchschnittlichen Spende erhöhte sich von 34 auf 35 Euro. Zudem hätten die Menschen öfter gespendet.
Deutschland steigt im weltweiten Vergleich auf
Zu dem Ergebnis, dass 2015 mehr Geld gespendet wurde, kommt auch der Spendenmonitor des Marktforschungsinstituts TNS Infratest, der vom Deutschen Fundraising-Verband in Auftrag gegeben wurde und den Zeitraum von November 2014 bis November 2015 abdeckt.
Im Gegensatz zur Studie des Spendenrats ermittelte der Spendenmonitor allerdings einen Rückgang der Spenderzahl: 2015 hätten sich demnach nur 42 Prozent der Bundesbürger dazu entschieden, eine gemeinnützige Organisation zu unterstützen, nach 45 Prozent im Vorjahr. Dafür würden pro Einzelspende höhere Summen gegeben. Mehr Menschen leisteten zudem Sachspenden oder engagierten sich ehrenamtlich.
Auch im internationalen Vergleich ist die Hilfsbereitschaft in Deutschland überdurchschnittlich gestiegen: Im World Giving Index stieg Deutschland in diesem Jahr acht Plätze auf und liegt auf dem 20. Rang von 145 untersuchten Ländern. Der World Giving Index wird jährlich von der britischen gemeinnützigen Organisation Charities Aid Foundation herausgegeben und misst, wie viele Menschen in einem Land Geld an Hilfsorganisationen spenden, Fremden helfen oder in ihrer Freizeit ehrenamtlich in einer Organisation mitarbeiten. Sowohl bei Geldspenden als auch bei der ehrenamtlichen Tätigkeit hat Deutschland 2015 im World Giving Index um sieben Prozent zugelegt.
Das spiegelt sich auch bei den einzelnen Hilfsorganisationen wieder - wie eine Umfrage von SPIEGEL ONLINE unter acht der größten deutschen Hilfsorganisationen belegt:
SOS-Kinderdörfer weltweit
2014 haben die SOS-Kinderdörfer 95 Millionen Euro durch Spenden und Patenschaften eingenommen. "Dieses Jahr rechnen wir damit, die 100-Millionen-Euro-Grenze zu knacken", sagt Mitarbeiterin Katharina Ebel.
Den Grund für diese positive Entwicklung sieht sie in der noch immer anhaltenden Flüchtlingskrise, die viele Menschen zum Spenden veranlasst hat, und in dem Erdbeben in Nepal, wo die Kinderdörfer gleich nach dem Erdbeben eine weitreichende Nothilfe organisiert hätten.
Mit den diesjährigen Spenden sei die Organisation sehr zufrieden. "Es versetzt uns in die Lage, dringend notwendige Soforthilfe zu leisten und auch mehr Bildungsprojekte durchzuführen, die langfristig Perspektiven schaffen."
Ärzte ohne Grenzen
Ärzte ohne Grenzen geht von einem gleichbleibenden Spendenvolumen aus. Jirka Wirth, Leiter der Spendenabteilung bei Ärzte ohne Grenzen ist mit der Spendenbereitschaft trotzdem "sehr zufrieden", denn 2014 sei "ein absolutes Ausnahmejahr" gewesen, seine Organisation hatte 113,4 Millionen Euro Privatspenden eingenommen.
Die hohe Spendenbereitschaft in diesem Jahr führt Wirth ebenfalls auf das Erdbeben in Nepal und die zahlreichen Flüchtlingen zurück, die auf dem Weg nach Europa sind.
World Vision
Die christliche Hilfsorganisation World Vision rechnet mit Spenden etwa auf dem Niveau vom Vorjahr, dabei stamme ein großer Teil von Dauerspendern. Ein kleinerer Teil seien anlassbezogene Spenden, wie für die Opfer des Erdbebens in Nepal. Weitere Schwerpunkte der Arbeit in diesem Jahr waren die Flüchtlingskrise und der Südsudan.