CSU vor dem Parteitag

  15 September 2018    Gelesen: 993
CSU vor dem Parteitag

Kurz vor der Bayernwahl hält die CSU ihren Parteitag ab - die Umstände könnten kaum schlechter sein: miese Umfragewerte, ein Chef im Krawallmodus und ein etwas ratloser Ministerpräsident.

 

Erwartungsmanagement heißt es im Finanzjargon, wenn ein Unternehmen Analysten und Anleger auf anstehende Geschäftszahlen vorbereitet. Zumeist geht es darum, im Vorfeld ein wenig zu tief zu stapeln, damit die Ergebnisse dann positiv überraschen.


Aber die Umfragewerte sind im Moment so niederschmetternd für die CSU, dass im Keller landen würde, wer jetzt noch tiefer stapelte.

Auf 35 Prozent kommen die Christsozialen einen Monat vor der bayerischen Landtagswahl in einer vom Bayerischen Rundfunk in Auftrag gegebenen Erhebung. In einem Parlament mit - dieser Umfrage zufolge - sieben Fraktionen könnte man womöglich noch nicht einmal zusammen mit der SPD eine Regierung bilden. Zur Erinnerung: Aktuell regiert die Partei mit einer absoluten Mehrheit.

Was kann noch ein realistisches Ziel sein?

Man muss von "Krisenparteitag" sprechen, wenn am Samstag die rund 1000 CSU-Delegierten im Münchener Postparlament zusammenkommen - ein Wort, das von den Parteioberen öffentlich niemand gebrauchen würde. Zumal man nun ja schon einige Krisen hinter sich gebracht hat in den vergangenen zwölf Monaten, angefangen mit dem miserablen Ergebnis bei der Bundestagswahl im September 2017, der darauf folgenden Führungsdebatte, schließlich dem Beinahe-Bruch mit der Schwesterpartei CDU vor der Sommerpause im Bundestag.

Aber so wenig Zuspruch für die Partei bei den Bürgern, dazu die deutlich zurückgegangenen Werte für Ministerpräsident und Spitzenkandidat Markus Söder- das hatten nur die größten Pessimisten in der Partei kommen sehen.

Von der Verteidigung der absoluten Mehrheit spricht inzwischen nicht einmal mehr der Vorsitzende Horst Seehofer (der als Ministerpräsident vor fünf Jahren noch 48 Prozent erreicht hatte), die Frage ist allerdings - Stichwort Erwartungsmanagement: Was kann noch ein realistisches Ziel sein? Und wie kann man die erfolgsverwöhnte Basis motivieren in den verbliebenen Wochen?

Kein Rückenwind aus Berlin

Ministerpräsident Söder sagt vor dem Parteitag: "Es war schon einmal leichter, für die CSU Ministerpräsident zu sein." Aber wenn sich die Zahlen nicht verbessern, mancher Christsoziale hält sogar weniger als 35 Prozent für ein mögliches Ergebnis, kann er sich ja nicht einmal mehr sicher sein, Ministerpräsident zu bleiben. Sogar eine Mehrheit gegen die CSU wäre am Ende möglich - und bei einem Sturz ins Bodenlose könnte es auch eine Debatte um den Regierungschef selbst geben.

Das Problem ist: Rückenwind aus Berlin bekommt Söder, der unermüdlich von einem Termin zum anderen tingelt und kein Bierzelt in Bayern auslässt, keinen. Stattdessen steckt Parteichef Seehofer, der widerwillig das Ministerpräsidentenamt an seinen ungeliebten Rivalen Söder abgegeben hatte, um wenigstens das Vorsitzendenamt zu retten, als Bundesinnenminister in der Dauerkrise.

"Der Gefährder" nennt ihn der SPIEGEL auf seinem aktuellen Titel, derzeit steht Seehofer wegen seines Festhaltens am umstrittenen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen in der Kritik und befindet sich schon wieder im Clinch mit Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel.

Auf dem Parteitag wird die CSU ihr Wahlprogramm vorstellen, darin viel Bewährtes und das übliche Selbstlob: Bayern als Musterland, die CSU als Garantin von Stabilität und Ordnung, als Bewahrerin der Seele des Freistaats. Aber reicht das aus, um die Stimmung wieder zu drehen?

CSU als Bollwerk gegen das politische Chaos

Die selbst ernannte letzte Volkspartei Europas muss gerade schmerzlich erfahren: Bayern ist keine Insel, die nationalen und internationalen Debatten wirken auf den Wahlkampf ein, das konstatierte am Freitag auch Alt-Ministerpräsident Edmund Stoiber in der "FAZ". Söder hatte deshalb zuletzt Mühe, sich bemerkbar zu machen.

Dafür scheint mit der AfD auch in Bayern eine Partei zu reüssieren, die genau das den Wählern vorgibt: Deutschland oder in dem Fall Bayern abkoppeln zu können vom Rest der Welt - für alle Probleme aber die Migranten verantwortlich macht.

"Es ging sehr wenig um Bayern", sagt Söder etwas desillusioniert. Die "Berliner Sicht" präge die Wahrnehmung, in einer zerfaserten Gesellschaft mit erstarkenden Rändern seien die Menschen verunsichert. Wenn sich die Umfragen so bestätigen sollten, glaubt Söder, "dann wäre Bayern auf dem Weg in die Instabilität".

Das soll wohl am Samstag und für den Wahlkampf die zentrale Botschaft der CSU sein: Stabilität geht nur mit uns. Die CSU als Bollwerk gegen das politische Chaos. Aber nimmt das die Mehrheit der Bayern den Christsozialen noch ab, nach all dem, was sie im vergangenen Jahr aufgeführt haben, dem inhaltlichen, vor allem aber rhetorischen Zickzack gerade in der Flüchtlingspolitik? Zuletzt setzte Parteichef Seehofer dem mäßigendem Ton Söders wieder das Gegenteil entgegen.

Nur gemeinsam können sie es schaffen

Der Ministerpräsident wählt neuerdings klare Worte gegen die AfD, deren bürgerliche Maske nun falle. "Eine Fratze tritt zutage", sagt Söder. Eine Podiumsdiskussion im Landtag, an der auch ein AfD-Vertreter teilnehmen sollte, sagte er kurzerhand ab, auch Seehofer ging die Partei am Freitag in einem Interview ungewohnt hart an. Aber auch hier gab es lange keinen klaren Kurs, obwohl ein Strategiepapier von Generalsekretär Markus Blume im Mai genau eine deutliche Abgrenzungslinie zur AfD formuliert hatte.

Was der CSU Hoffnung macht, sind die vielen Unentschlossenen im Land, die es offenbar noch gibt. Aber die muss man auch erst mal von sich überzeugen. Und dann wird viel und häufig von der Schwäche der Demoskopen gesprochen - mit dem Argument, die Meinungsforscher hätten in der jüngsten Vergangenheit auch bei Wahlen in Deutschland immer wieder ordentlich daneben gelegen.

Am Ende dürfte es vor allem darum gehen, ob sich die CSU in den letzten vier Wochen vor der Wahl nochmal richtig geschlossen zeigt - und das hängt natürlich vor allem an den Antipoden Seehofer und Söder. Nur gemeinsam können sie es schaffen, die eigenen Leute zu mobilisieren.

Auf dem Parteitag werden beide sprechen.

spiegel


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