Bisher machten die USA im Reich der Mitte ein gutes Geschäft mit ihrem Flüssiggas: Rund 15 Prozent aller amerikanischen LNG-Lieferungen gingen im vergangenen Jahr nach China, den weltgrößten Absatzmarkt für diesen Brennstoff.
Jetzt drosselt Peking den Import von Flüssiggas aus den USA drastisch. Seit Juni dieses Jahres sind lediglich vier amerikanische Gastanker in China eingelaufen, während es in den ersten fünf Monaten des Jahres ganze 17 Schiffe waren, berichtet „Reuters“.
Über 28 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas könnten die USA in diesem Jahr insgesamt exportieren. Doch kommt auf die US-Exporteure ein ernstes Problem zu: Peking verhängt zum 24. September einen 10-prozentigen Einfuhrzoll auf verflüssigtes Erdgas aus den USA.
Damit verpasst Peking Washingtons energiepolitischen Ambitionen einen mächtigen Dämpfer. Von einer echten Führungsposition auf dem internationalen Gasmarkt sind die Vereinigten Staaten ohnehin meilenweit entfernt, sagen Experten.
Bei Lichte besehen haben die USA „nur für sehr begrenzte Mengen von Flüssiggas“ Abnehmer gefunden. „28 Milliarden Kubikmeter pro Jahr sind nur ein Tropfen im Vergleich zu den mehreren Hundertmilliarden Kubikmetern Gas, die in China und in Europa benötigt werden“, sagt die Analystin Natalia Miltschakowa vom Vermögensbroker „Alpari Group“.
Wenn russisches Gas über die neue Pipeline „Kraft Sibiriens“ nach China kommt, dann „entfällt in China der Bedarf an Flüssiggas aus den USA ganz von allein“, betont die Expertin.
Ob die Lage der amerikanischen Gasexporteure auf dem Weltmarkt wirklich so schlimm ist, bleibt vorerst aber strittig. Der Marktanalyst Ilja Scharski, Seniorpartner bei der Unternehmensberatung „Veta“, sagt:
„Die Pläne der Vereinigten Staaten, auf dem globalen Energiemarkt in Führung zu gehen, sind durchaus berechtigt. Denn auch wenn China die Einfuhr von US-Flüssiggas durch Zölle langfristig drosseln wird, haben die USA immer noch viele Hebel in der Hand, um den Absatz in anderen Ländern zu sichern.“
Sehr viel aufregender sind indes die Folgen der chinesischen Strafzölle für die Ostseepipeline Nord Stream 2. Donald Trump hat nach seinem Treffen mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda am Mittwoch überraschend erklärt, Washington habe nicht vor, Sanktionen gegen Firmen zu verhängen, die an dem Bau der Gasleitung beteiligt seien.
Dabei versuchte der polnische Präsident, seinen Kollegen aus dem Weißen Haus davon zu überzeugen, die internationale Pipeline doch noch zu stoppen. Und nur wenige Tage vorher hatte der US-Energieminister bei einem Besuch im russischen Energieministerium Zusatzsanktionen gegen den ganzen russischen Energiesektor angedroht – insbesondere gegen Nord Stream 2.
„Entweder der US-Präsident und sein Energieminister spielen ‚Guter Cop, schlechter Cop‘, oder Präsident Trump und seine Mitarbeiter stimmen sich bei ihrem Vorgehen überhaupt nicht ab. Beides ist gleichermaßen möglich“, sagt die Analystin Miltschakowa.
Die Absage an Sanktionen gegen Nord Stream 2 könnte auch einen rationalen Kern haben, sagt der Marktexperte Igor Schestakow: „Der Wille, den Einfluss in Europa nicht gänzlich zu verlieren, ist aus meiner Sicht der Hauptgrund für den momentanen Verzicht auf Sanktionen gegen Nord Stream 2.“
Doch vielleicht versuche der US-Präsident mit seiner Erklärung einfach nur ein Täuschungsmanöver, sagt der Experte Scharski. Schließlich sei er auch mit China ähnlich verfahren.
Erst hatte die US-Regierung Peking eingeladen, über die Gegensätze im Handelsstreit zu verhandeln, dann führte sie unvermittelt neue Zölle gegen Importe aus China ein und machte jedes weitere Gespräch dadurch hinfällig.
Solange ein Handelskrieg tobt, „verlieren langfristige Lieferverträge zwischen USA und China ihren Wert, die Liefersicherheit wird gefährdet“, sagt die Volkswirtin Tamara Safonowa. „Russlands Relevanz als Energielieferant nimmt dadurch zu. Für China ist Russland ein loyaler Partner mit langfristigen Verbindlichkeiten.“
Russland werde von der Eskalation des Handelskriegs zwischen China und den USA sicherlich profitieren, sagt auch der Marktanalyst Alexej Antonow. „Als größter Lieferant von Energierohstoffen hat unser Land durchaus die Möglichkeit, zusätzliche Anteile auf dem chinesischen Markt zu bekommen.“
Er prognostiziert: Sollte der Handelskrieg sich weiter so entwickeln, würden die USA schon im kommenden Jahr mit ernsthaften Schwierigkeiten beim Absatz ihrer Brennstoffe konfrontiert – nicht nur auf dem Gas-, sondern auch auf dem globalen Ölmarkt.
Quelle : sputnik.de
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