Es gärt in der Union. Die CDU diskutiert die Nachfolge von Angela Merkel inzwischen so unverblümt wie ein abstiegsgefährdeter Bundesligist seine Traineroptionen. Bis vor kurzem noch wurde das Thema flüsternd behandelt wie die Fußpilzdiagnose der Großmutter. Jetzt aber ist klar, dass Merkel nicht nur eine Kanzlerin auf Abruf ist. Sie kann auch in der Union nicht mehr viel bestimmen. Dass Norbert Lammert gegen den Willen Merkels die Spitze der Adenauer-Stiftung erobern konnte, war ein Fingerzeig. Dass Jens Spahn sie zwei Mal (in der Doppelpassfrage und bei der Kampfkandidatur zum Präsidium) auf Parteitagen düpiert und besiegt hat, war eine Erschütterung. Die Wahl von Ralph Brinkhaus zum Unionsfraktionschef wirkt nun wie der finale Wirkungstreffer ins CDU-Machtgefüge Merkels.
Die enthemmten Debatten um potentielle Nachfolgekandidaten sind ein untrügliches Indiz wie Merkels Macht regelrecht versickert. Drei Personen entfalten dagegen neue, formative Kräfte. Um sie herum sammeln sich neue Machtzentren der CDU.
Das (vor allem weibliche) Lager der Merkelianer setzt auf die integre CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, gerne auch AKK gerufen. Die (vor allem jüngere) Truppe der Neo-Konservativen will hingegen den willensstarken Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Doch es gibt eine große Anzahl von Unionisten, die von beiden nicht überzeugt ist. Sie entdecken derzeit Armin Laschet. Der NRW-Ministerpräsident ist so liberal und konziliant wie AKK, zugleich aber auch tatkräftig und wortwitzig wie Spahn.
"Schwarz lackierter Sozialdemokrat"
Laschet hat zwei machtpolitische Vorteile auf seiner Seite: Zum einen ist er Ministerpräsident des größten Bundeslandes und Vorsitzender des wichtigsten CDU-Landesverbandes. Auf einem Wahlparteitag ist gegen ihn kaum etwas zu erreichen. Zum anderen ist er fernab der schwer angeschlagenen Bundesregierung und Berliner Szenerie. Er würde den ersehnten Neubeginn der CDU (im Gegensatz zu AKK) klar verkörpern und doch (im Gegensatz zu Spahn) über ausreichend Erfahrung verfügen, dass man ihm größte Aufgaben auch zutraut.
Darum wirkt es pikant, wenn Laschet nun offensiv der Berliner Politik die Leviten liest: "Es muss jetzt Schluss sein mit dem Theater in Berlin", rief er am Wochenende unter dem Beifall der Delegierten beim Deutschlandtag der Jungen Union in Kiel. "Auch in Berlin muss man jetzt mal anfangen mit der Arbeit", rief er wie ein rheinischer Klassenlehrer den ungezogenen, faulen Lümmeln von der Spree zu.
Dass dies eigentlich einer rhetorischen Ohrfeige für Angela Merkel gleichkommt, wird kaum mehr wahrgenommen, so sehr ist ihre Autorität schon beschädigt. Aber Laschet gelingt damit zugleich ein Narrativ für die erneuerte CDU: "Weniger großkoalitionäres Berlin, mehr bürgerliches Deutschland." Da AKK und Spahn im Berliner Betrieb fest eingebunden sind, kann nur er die Regierungs-Kritik in dieser Form intonieren.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner assistiert ihm dabei und gibt schon mal zu Protokoll: "Ein nordrhein-westfälischer Ministerpräsident kann immer Kanzler." Lindner lobt die von Laschet geführte schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen als "erfolgreich" und bezeichnet die Zusammenarbeit von CDU und FDP als "mustergültig". Laschet sei ein fairer Verhandlungspartner. Der Koalitionsvertrag lasse "beiden Partnern Projekte zur Profilgewinnung, ohne sie zu zwingen, irgendwo anders das eigene Wort zu brechen", erklärte Lindner. Über Bundesgesundheitsminister Jens Spahn lästert Lindner dagegen, der führe sein Ministerium "wie ein schwarz lackierter Sozialdemokrat".
"Das wird schon!"
Laschets Stärken sind seine Sanftheit und Konzilianz. Damit ist er nicht nur als Versöhner und Umarmer prädestiniert, die zerstrittenen Lager der Union wieder zu einen. Vor allem unterschätzen seine Gegner ihn durch seine heitere Verbindlichkeit. An Laschets Milde sind schon Norbert Röttgen und Hannelore Kraft, bissige Grüne und keifende AfDler verzweifelt.
Laschets Naturell ist katholisch, rheinisch, europäisch, adenauerig. Just dieses Habituelle macht ihn in der CDU mit ihrer Sehnsucht nach den guten, alten Zeiten interessant. Mit ihm wähnt sich der Unionist wieder beim gemütlichen Rosenschneiden in rheinischen Gärten mitsamt der Ahnung, dass auch die Bocciakugeln nicht weit sind. Wo AKK und Spahn Varianten von Anstrengung verkörpern, steht Laschet für die Selbstverständlichkeit des Seins. Das liebt die CDU mehr als jede Polarisierung. Und da in der Partei die Angst umgeht, wie die SPD als Volkspartei unterzugehen, kommt manchen diese altbundesrepublikanische Armin-Verkörperung von sozialer NRW-Volkspartei gerade vor wie die Rettung.
Vielleicht sogar schneller als man denkt. Denn der CDU-Parteitag im Dezember ist mitnichten ein Routinetreffen. Sollten die Wahlen in Bayern und Hessen für die Union schlecht oder gar desaströs ausgehen, wankt Merkels Wiederwahl im Dezember. Der Brinkhaus-Virus kursiert bereits, erste, noch unbekannte Gegenkandidaten melden sich.
Nach den Landtagswahlen könnte die offene Personal-Diskussion zur Feldschlacht werden. Von Spahn-Leuten ist bereits zu hören: "Wenn Merkel dann nicht abtritt, wird die CDU bei der Europawahl 2019 von der AfD überholt". Unter AKK-Fans wird geraunt: "Wenn Merkel jetzt den Parteivorsitz nicht an AKK übergibt, dann ist AKK verheizt." Und was hört man aus dem Laschet-Lager: "Sorgt Euch nicht, das wird schon!"
Quelle: n-tv.de
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