Es gibt viele gute Gründe, dem Internetkonzern Google auf die Finger zu schauen. Plattformregulierung lautet das entsprechende Stichwort. Google vor allen anderen Digitalunternehmen ist in vergleichsweise kurzer Zeit so schnell so einflussreich geworden, dass Wettbewerb geschützt werden muss.
Die Frage, ob und wie Google und andere Tech-Giganten in einer digitalen Gesellschaft reguliert werden sollten, hat allerdings rein gar nichts mit einer ganz grundsätzlichen Ablehnung des Unternehmens, gar mit Technologiefeindlichkeit zu tun.
Diese kleine Vorrede und diese Differenzierung braucht ein Kommentar, der sich mit dem jetzt geplatzten Plan von Google befasst, einen Campus für Start-ups in Berlin-Kreuzberg aufzubauen.
Der Mietvertrag in einem alten Umspannwerk war schon lange unterschrieben, seit 2015 arbeitete das Unternehmen an dem Konzept für einen Berliner Campus. Der nur einer von vielen auf der Welt verteilten Orte gewesen wäre, an denen Google innovative Projekte von Gründern und ihren Start-ups unterstützt.
Dieser Plan hatte von Anfang an viele Gegner in Kreuzberg. Einem sehr großen Bezirk mit ganz unterschiedlichen sozialen Milieus, von bürgerlich bis alternativ.
„Fuck off Google“
Zu den Kritikern des Campus gehörten Politiker wie der Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt von den Grünen, der sich als Aktivist bezeichnet und ganz grundsätzlich als Gegner von Investoren positioniert.
Bis hin zu anonymen Protestgruppen wie „Fuck off Google“, die dazu aufrufen, sich der „Invasion“ von Firmen zu widersetzen, denen es nur darum gehe, eine „dystopische Zukunft“ zur Realität werden zu lassen.
Google hat seine Pläne nun, nachdem bereits ein Kompromissvorschlag vorgelegt worden war, ganz begraben. Und übergibt den umgebauten Komplex mitsamt Mietvertrag an die Online-Spendenplattform Betterplace und die Sozialgenossenschaft Karuna.
Alle Kosten übernimmt Google, für die nächsten fünf Jahre. Es entsteht ein „Haus für soziales Engagement“. Bei Twitter würde es heißen: Bäm!
Alles andere als eine Kapitulation
Die „taz“ nennt den Rückzug eine „Kapitulation“. Tatsächlich ist er alles andere als das. Nur Kleingeister können diese strategische Entscheidung als Niederlage für Google deuten. Tatsächlich ist die Abkehr vom Campus eine Niederlage für Kreuzberg, ganz Berlin und letztlich für den digitalen Standort Deutschland.
Warum? Weil das Signal, das von dieser Geschichte, diesem gelungenen Innovations-Mobbing ausgeht, schädlich ist. Denn richtig wäre es gewesen, gemeinsam mit Google auszuarbeiten, wie ein Campus nach Berliner Modell hätte aussehen können.
Stattdessen dumpfe Ablehnung, die einfachste aller möglichen Arten, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen.
Integration? Nicht für Google
Viele derjenigen Menschen und Gruppierungen, die sich gegen die Ansiedlung des Campus ausgesprochen haben, sind in ihrer gesellschaftlichen Haltung Freunde der Idee von Integration, Befürworter eines „bunten Miteinanders“, der Verständigung und nicht der Spaltung.
Ihre Haltung gegenüber Google belegt, wie eindimensional sie denken und argumentieren. Die Stadt der Zukunft ist keine abgeschottete Insel. Und Unternehmen wie Google, die digitale Dienste anbieten, die eine überwältigend große Zahl von Bürgern nutzt, sind keine Feinde. Sie sind Größen, mit denen man umgeht, statt sie zu verjagen.
Natürlich will Berlin keine Verhältnisse wie in San Francisco, wo die Obdachlosigkeit infolge steigender Mieten dramatisch zugenommen hat. Aber es hätte an Berlin gelegen, einen eigenen Weg zu suchen und zu finden.
Google hat mit seinem Rückzug vom geplanten Campus den verantwortlichen Politikern in Kreuzberg nun also den stilvollsten Stinkefinger ever gezeigt.
Das würden die Google-Mitarbeiter natürlich selbst nie so sagen, sie sprechen dagegen von einem „ganz besonderen Kiez“, in den man nicht so recht gepasst hätte. Sie finden nur die reizendsten Worte.
Quelle : welt.de
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