Während einer Expertenrunde in der Nachrichtenagentur „Rossiya Segodnya“ konnte er aber nicht sagen, ob es um das Erstellen des technischen Auftrags oder bereits um die Entwicklungsphase geht, doch seien die Gelder dafür schon in den Haushalt aufgenommen worden. Seines Erachtens wird es nun schwerfallen, diesen Vorgang aufzuhalten.
Dabei machte der Experte auf ein Detail aufmerksam: Es sei aus militärischer Sicht unzweckmäßig, diese Raketen in Polen und dem Baltikum unterzubringen.
„Sie werden den eventuellen Gegenaktionen Russlands ausgesetzt sein, wenn wir am Rande des Krieges stehen. Diese Gebiete werden verwundbar sein, insbesondere durch das russische taktische Raketensystem ‚Iskander‛. Dagegen ist die Stationierung auf deutschem Boden zweckmäßig, weil es dort bereits Pershings gegeben hat und die Infrastruktur vorhanden ist.“
Laut dem Experten sei das Hauptziel der USA, die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin zu trüben. „Sie haben dies nicht erreichen können, indem sie sich dem Bau von ‚Nord Stream 2‛ widersetzten, nun ist ihr neuer Einfall, Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, im Hinblick darauf, dass Russland sich dann gezwungen sieht, diese Objekte als erstrangige Ziele für seinen Atomraketenangriff zu betrachten. In Russland erwartet man von Deutschland eine eindeutige Erklärung über die Unzulässigkeit der Stationierung neuer ballistischer Mittelstreckenraketen auf seinem Boden.“
Dabei sei zu berücksichtigen, so Jewsejew, dass sich der europäische Kriegsschauplatz grundsätzlich von dem fernöstlichen unterscheidet.
„Von daher darf man China und Europa nicht in einen Topf werfen. Geht es um die europäische Sicherheit, sind die Atomraketen zu beachten, über die Frankreich und Großbritannien verfügen. Was hat denn China damit zu tun, auf das sich Trump stets beruft? Die Sicherheitsrisiken sehen bei China völlig anders aus. So kann ich nicht vermuten, was sich ihm anbieten ließe, überhaupt Gespräche über die eventuelle Einbindung Chinas in die multilateralen Mechanismen zur Abschaffung von Mittel- und Kurzstreckenraketen einzuleiten.“
Chinas Streitkräfte besitzen recht wenig Interkontinentalraketen, sagte Jewsejew weiter. „Die Mehrheit machen gerade die Mittel- und Kurzstreckenraketen aus. Sie sind gegen die amerikanischen Militärstützpunkte in Südkorea, Japan und auf Guam gerichtet. Folglich wird China keine Verhandlungen zu ihrer Abschaffung aufnehmen. Auch den Iran soll man aus dem Spiel lassen. Welchen Gebrauch hat er von seinen ballistischen Raketen gemacht, etwa beim Angriff auf das syrische Territorium? Er hat taktische Mittelstreckenraketen eingesetzt. Der Iran plant aber keine Schläge gegen Europa, nicht einmal in der Theorie. Die Amerikaner möchten bloß ihre Auffassung der Raketenabwehr durchsetzen.“
Russland sei zum Kompromiss bereit, stellt der Militärexperte fest und führt folgendes Beispiel an: „Russland hat davon abgesehen, den Eisenbahnraketenkomplex ‚Bargusin‛ zu implementieren, der einen ähnlichen Komplex aus der Sowjetzeit hätte ablösen sollen. Dies war ein Schritt zur Entspannung des Verhältnisses zu den USA. Russland ist bereit, auch über Hyperschallwaffen zu verhandeln. Falls das Problem den USA zufolge in diesen Waffen liegt, ist Russland bereit, dies mit ihnen zu erörtern. Vielleicht verzichten wir auf die beweglichen Träger für Hyperschallgeräte. Wir sind zum Dialog bereit. Er muss aber konstruktiv und nicht ultimativ sein.“
Wenn Europa sich verwundbar für Hyperschallwaffen fühlt, geht Russland gern einen Kompromiss ein, betont Jewsejew, „falls man sich bei der Raketenabwehr auf einen Mittelweg einigt. Die beiden Waffenarten blockieren praktisch einander. Die eine ist dazu da, die andere zu überwinden.“
Was die Mittelstreckenraketen betrifft, kann Russland sie laut dem Experten auf der Grundlage des „Topol“-Komplexes schnell entwickeln. „Technisch ist es machbar. Aber dieses Szenario wünschen wir uns nicht.“ Jewsejew erwähnte die Rakete „Pioner“, deren Weiterentwicklung die „Topol“ darstellt. „Wir könnten jetzt einen Schritt zurück zu den Mittelstreckenraketen tun. Dies möchten wir aber vermeiden. Darum sind wir an der Aufrechterhaltung des einschlägigen Vertrags interessiert. Ist erst eine gemeinsame Stellungnahme Russlands und Europas dazu vorhanden, wird dadurch der Spielraum für die USA eingeengt.“
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