Die drei Kandidaten und der "weiße Elefant"

  21 November 2018    Gelesen: 912
Die drei Kandidaten und der "weiße Elefant"

Bislang ist das CDU-Kandidatenrennen eine harmonische Veranstaltung. Doch bei der zweiten Regionalkonferenz lugt Jens Spahns "weißer Elefant" hervor: das Thema Migration. Und es könnte wieder einmal für Ärger sorgen.

Die Veranstaltung dauert schon mehr als zwei Stunden, als der 19-jährige Marvin Schäfer in einer Messehalle in Idar-Oberstein ans Mikrofon tritt und CDU Gesundheitsminister Jens Spahn die entscheidende Frage stellt. Der Minister habe doch vorgeschlagen, über den UN-Migrationspakt auf dem CDU-Parteitag beraten zu lassen. "Wie stehen Sie denn zu dem Pakt?"

Bis dahin hatten Spahn, der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer auf der zweiten Regionalkonferenz schon über vieles geredet: Ehrenamt, Sozialversicherungen, Europa und die allgemeine Dienstpflicht. Und wie schon bei der ersten Regionalkonferenz in Lübeck in der vergangenen Woche gaben sich die Kandidaten für den CDU-Vorsitz, über den beim Parteitag am 7. und 8. Dezember in Hamburg abgestimmt wird, harmonisch. Nur ein Nebensatz hier, einer da, konnten als Spitzen aufgefasst werden und deuteten an, worauf die Kandidaten Wert legten. Kramp-Karrenbauer strich wieder einmal heraus, dass sie ihren Posten als Ministerpräsidentin im Saarland aufgegeben habe, um der CDU zu dienen. Merz erklärte selbstbewusst, er traue der Partei zu, 40 Prozent bei Wahlen zu bekommen und die AfD zu halbieren - wobei sich von selbst verstand, wer dann Parteichef sein müsse. Spahn wiederum sprach viel von guter Laune und dass die Partei mehr debattieren müsse.

Und er erwähnte in seinem Eingangsstatement noch ein Thema, mit dem er bereits am Wochenende die Partei in Aufruhr versetzt hatte: den Migrationspakt, mit dem die UN erstmals weltweit Grundsätze für den Umgang mit Migranten festlegen wollen. "Es gibt Themen, die müssen wir in der Partei diskutieren", so Spahn. Es sei das Normalste auf der Welt, dass die CDU an ihrem Parteitag auch darüber spreche. Schon in der "Bild am Sonntag" hatte Spahn gefordert, in der Unionsfraktion und auf dem CDU-Parteitag offen darüber zu diskutieren und die deutsche Zustimmung "notfalls" zu verschieben. Das wäre dann allerdings sehr kurzfristig. Am 10. und 11. Dezember will Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Pakt in Marokko zustimmen.

Wer nun hier in der Messehalle schon eine Diskussion über Sinn und Unsinn des Abkommens erwartet hatte, dürfte enttäuscht worden sein. Schließlich standen jedem Kandidaten nur drei Minuten Redezeit zum UN-Migrationspakt zur Verfügung. Und auch wenn diese sicher reichte, um die Frage "Wie stehen Sie denn zu dem Pakt?" zu klären, hielt sich Spahn weiter bedeckt.

"Rückendeckung" für die Bundesregierung


Er halte es für wichtig, die Debatte weiter zu führen und traue den 1001 Delegierten in Hamburg dies zu, sagte er vielmehr. Schließlich habe auch Annegret Kramp-Karrenbauer zu Recht darauf hingewiesen, dass die CDU das Prinzip umdrehen müsse: Nicht die Regierung entscheide und die Partei sei dann einverstanden, sondern erst entscheide die Partei und dann die Regierung. Für die Bundesregierung sei es auch gut, "die Rückendeckung des Bundesparteitags" zu haben.

Was passiert, wenn es keine Rückendeckung für die Regierung gibt, erwähnte Spahn nicht. Dabei müsste auch ihm klar sein, wie heikel das Thema ist und dass es das Zeug hat, wieder einmal einen erbitterten Migrationsstreit in der Union zu entfachen. Wobei die Wunden, die die vergangenen Flüchtlings-Debatten hinterlassen haben, noch gar nicht richtig verheilt sind. In Ansätzen deutete sich der neue Streit bereits in den vergangenen Tagen an, als sich die konservative Werteunion und der Chef der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, hinter Spahn stellten und Linnemann sogar eine Abstimmung auf dem Parteitag forderte, während sich etwa Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von Spahns Vorstoß überrascht zeigte.

Dass das Thema Migration wieder hochpoppt, dürfte daher einige in der CDU verärgern. Spahn selbst hatte es erst kürzlich in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" als "weißen Elefanten" im Raum der CDU bezeichnet hat - also als offensichtliches Problem, das keiner ansprechen will. Noch im Sommer, als der Pakt in New York zustande kam, spielte der UN-Migrationspakt allerdings bei den Unionsabgeordneten keine große Rolle. Doch nun machen einige Druck - allen voran Spahn, der laut Umfragen beim Ringen um den CDU-Vorsitz nur geringe Chancen hat. Die AfD hat das Thema für sich entdeckt, Parteichef Jörg Meuthen geißelte das Abkommen als "toxisch". Auch international wächst der Widerstand, vor allem in von Rechtsregierungen geführten Staaten wie Österreich, Polen, Ungarn oder Tschechien. Die USA hatten sich bereits im vergangenen Dezember als erstes UN-Mitglied aus den Verhandlungen zurückgezogen.

Der frühere Fraktionschef Merz zeigte sich bei der Regionalkonferenz skeptisch, ob eine Debatte so kurz vor der geplanten Unterzeichnung durch Merkel sinnvoll sei. Auch er habe erst in den letzten Monaten von dem Pakt erfahren, obwohl seit vielen Jahren über ihn verhandelt worden sei. "Ich hätte mir gewünscht, dass wir mit dieser Diskussion etwas früher begonnen hätten", sagte er. Große Teile der Bevölkerung machten sich Sorgen, dass mit diesem "Vehikel" die Einwanderung zunehme. Dies müsse man ernst nehmen. Auch wenn der Pakt nicht bindend für die deutsche Gesetzgebung sei, müsse dies die Bundesregierung angesichts der Kritik noch einmal klarstellen.

Kramp-Karrenbauer: "Ich stehe hinter diesem UN-Migrationspakt"

Im Gegensatz zu ihren Mitbewerbern positionierte sich Kramp-Karrenbauer eindeutig: "Ich sage ganz klar: Ich stehe hinter diesem UN-Migrationspakt." Sie freue sich auf die Diskussion und wolle auf dem Parteitag dafür werben. Erstmals bringe das Abkommen Herkunfts- und Migrationsländer in einer Vereinbarung zusammen. Sie kritisierte zudem, dass viele in der CDU erst Kritik an dem Vertrag geäußert hätten, nachdem sich Rechtspopulisten des Themas angenommen hätten. Dass Spahn aber nicht der erste ist, der dieses nun auf dem Parteitag behandelt wissen will, machte Kramp-Karrenbauer auch klar: Bereits seit geraumer Zeit gebe es aus der Mitte der Partei einen entsprechenden Antrag, darüber zu debattieren.

Schon einmal übrigens hatte Jens Spahn bei einem CDU-Parteitag für Aufsehen gesorgt. Das war im Jahr 2016, Spahn war noch Finanz-Staatsekretär, als er sich vehement gegen den Doppelpass aussprach. Die Partei folgte ihm damals und stimmte überraschend dafür, die sogenannte Optionspflicht wiedereinzuführen - gegen den ausdrücklichen Willen der Parteispitze und der Kanzlerin.

Quelle: n-tv.de


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