Ausbreitung multiresistenter Tuberkulose-Bakterien in Zentralasien

  27 November 2018    Gelesen: 1302
Ausbreitung multiresistenter Tuberkulose-Bakterien in Zentralasien

In einer aktuellen Studie konnten Wissenschaftler unter der Leitung des Forschungszentrums Borstel und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung die Anpassungsfähigkeit von Tuberkulose-Bakterien in der Ära der Antibiotika zeigen. Über 30 Jahre hinweg wurde der Erwerb von bis zu acht verschiedenen Antibiotikaresistenzen zurückverfolgt. Die ersten multiresistenten TB-Bakterien in Zentralasien entstanden wahrscheinlich bereits zu Zeiten der ehemaligen Sowjetunion und wurden durch unwirksame Therapien, Eigenbehandlung und mangelhafte Diagnostik selektioniert. Genetische Anpassungsmechanismen führten anschließend zu weiteren Resistenzen, die auch modernste Therapien an ihre Grenzen bringen.

 

Warum können sich multiresistente Krankheitserreger immer weiter ausbreiten und wie schnell entwickeln sich Resistenzen gegen neue Medikamente? Um diese Fragen zu beantworten, haben Prof. Matthias Merker und Prof. Stefan Niemann vom Forschungszentrum Borstel und dem Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) gemeinsam mit 13 weiteren renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen Ausbruch von multiresistenten TB-Bakterien in Usbekistan untersucht. Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift eLife vorgestellt.

Durch die Analyse des gesamten Erbgutes der TB-Stämme konnten die Forscher die Entstehung einzelner Antibiotika-Resistenzen bis in die Zeiten der Sowjetunion zurückdatieren. In dieser Zeit gab es keine einheitlichen Behandlungskonzepte, wichtige Antibiotika für die Behandlung von einer resistenten TB waren in Apotheken frei verfügbar und in der Regel gab es keine Resistenzdiagnostik für die eingesetzten Medikamente. Zudem ging man davon aus, dass multiresistente Stämme in ihrem bakteriellen Wachstum sehr eingeschränkt sind und nur in einzelnen Fällen von Patient zu Patient übertragen werden können.

„Bei den heutigen multiresistenten Ausbrüchen finden wir jedoch immer häufiger so genannte kompensatorische Mutationen, die dieses Wachstumsdefizit ausgleichen. Das könnte wiederum zu einer erhöhten Übertragungsrate führen und dann zu weiteren Resistenzen“, erläutert Prof. Matthias Merker, einer der Erstautoren der Studie. Der Selektionsdruck durch die eingesetzten Medikamente und die schnelle Anpassung der TB-Bakterien brachte in Zentralasien einen besonders resistenten TB-Stamm hervor. Nahverwandte Vertreter dieses Stammes wurden ebenfalls in Russland und bei deutschen Patienten identifiziert. „Besonders Besorgnis erregend sind die hohen Resistenzraten und die Verbreitung dieser Bakterien über weite Teile Zentralasiens, Ost- und Mitteleuropa. Dies gefährdet vor allem den Erfolg neuer Medikamente und moderner Kombinationstherapien“ so Prof. Stefan Niemann, Leiter der Studie am Forschungszentrum Borstel und Koordinator des Forschungsbereichs „Tuberkulose“ im DZIF. „Um dieser Entwicklung vorzubeugen, bedarf es einer schnellen und weit verfügbaren Diagnostik, welche eine maßgeschneiderte, individualisierte Therapie für jeden Patienten mit einer multiresistenten Tuberkulose ermöglicht“, so Niemann.

Diesem Konzept folgt auch der jüngst bewilligte Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“, dem Niemann und Merker angehören. In einem Verbund der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel, dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, der Universität zu Lübeck und dem Forschungszentrum Borstel entwickeln Professoren und junge Nachwuchswissenschaftler Strategien und Methoden für neue maßgeschneiderte Therapien, die individuell auf die Patienten zugeschnitten werden.

Quelle: eurasischepresse


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