Es ist wirklich ein schlechtes Omen, wenn der US-Präsident ein fest vereinbartes Treffen mit einem Amtskollegen absagt. Für bestimmte Staats- und Regierungschefs ist das in der Tat eine ganz schlechte Message. Wenn die Führung eines osteuropäischen Landes oder einer ehemaligen Sowjetrepublik eine Absage aus Washington bekommt, dann droht politisches Unheil: Das Weiße Haus ist verärgert, Rücktritt oder Regimechange sind nicht mehr fern.
Aber gilt das auch für Russland, für seinen Präsidenten und die russisch-amerikanischen Beziehungen? Schließlich gehört es doch zur Normalität, dass Washington über Russland und Putin verärgert ist. Und umgekehrt: Wenn das Weiße Haus sich über die russische Führung nicht mehr aufregt, ist das eher ein Zeichen dafür, dass mit dem Kreml etwas nicht stimmt.
In den Medien und sozialen Netzwerken wird intensiv behauptet, es seien Russland und Wladimir Putin persönlich, die ein Treffen mit der westlichen Führungsspitze benötigten. Es sei schließlich Russland, das vom Westen etwas wolle: die Aufhebung der Sanktionen zum Beispiel. Hingegen komme der Westen auch ohne Russland bestens zurecht und könne deshalb nach Belieben schalten und walten…
Der Punkt ist nur: Mit der geopolitischen und wirtschaftlichen Wirklichkeit hat diese Behauptung wenig gemein. Sogar westliche Medien räumen widerwillig ein, dass Sanktionen gegen Moskau entweder wirkungslos sind oder unerwartet positive Folgen für die russische Wirtschaft haben.
„US-Sanktionen werden unerwartet zum Antrieb für die russische Wirtschaft“, schreibt „The Wall Street Journal“. Oder: „Russlands Maschinenbau floriert wegen Wirtschaftssanktionen“, stellt „Japan Business Press“ fest. „Wenn der russische Maschinenbau sich weiter mit solchem Tempo entwickelt, werden westliche Sanktionen absolut zwecklos“, so das Wirtschaftsblatt.
Diese Beispiele sind natürlich kein Beweis dafür, dass die Sanktionen keinen Druck auf die russische Wirtschaft ausüben. Das tun sie schon. Nur ist deren Abschaffung es nicht wert, russische Nationalinteressen zu opfern oder um jeden Preis ein Gespräch mit dem Westen auf höchster Ebene zu erheischen.
Westliche Staats- und Regierungschefs kommen schließlich selbst nach Moskau. Und wer sich, wie Trump, einen solchen Besuch aus innenpolitischen Gründen nicht erlauben kann, der schickt eben seine Gesandten wie den Sicherheitsberater Bolton oder den Energieminister Perry. Die müssen dann Trumps fehlende Bereitschaft ausgleichen, die medialen und innenpolitischen Folgen eines direkten Treffens mit Putin auf sich zu nehmen.
Außerdem: Die Entscheidung, das Treffen mit Putin abzusagen, ist ein indirektes aber klares Zeichen dafür, dass Trump schlicht und einfach Angst hat. Er weiß, dass es ihm nicht gelingen würde, Putin so zu drangsalieren, wie er es mit anderen Staats- und Regierungschefs zu tun pflegt.
Trump hätte dann keinen Erfolg, den er an seine Wähler twittern könnte. Aber das Treffen einfach so abzusagen, wäre umso deutlicher ein Zeichen von Angst und Schwäche. Deshalb kommt der Vorfall in der Straße von Kertsch für die US-Regierung wie gerufen…
Wer durch diesen Vorfall wirklich verliert, sind die Kiewer Machthaber. Statt des erwünschten Drucks auf Russland erhält Präsident Poroschenko von Bundeskanzlerin Merkel einen unmissverständlichen Hinweis: Klug solle er sein, der ukrainische Präsident. „Es gibt keine militärische Lösung“, sagte Merkel laut der Zeitung „Die Welt“. Außenpolitische Erfolge sehen anders aus.
Die russische Führung hat indes allen Grund anzunehmen, dass der G20-Gipfel in Argentinien zugunsten Russlands verlaufen wird. Die Weltöffentlichkeit wartet gespannt auf die Gespräche zwischen Russland und Saudi-Arabien über die Ölförderung.
Kremls Reaktion auf Trumps Absage spricht jedenfalls für sich: „Der Präsident hat dann ein paar zusätzliche Stunden im Programm für wertvolle Treffen am Rande des Gipfels“, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow.
Es gibt heute keine einzige relevante Frage der Weltpolitik, die ohne Moskau gelöst werden könnte. Folglich ist ein Verzicht auf direkte Gespräche mit dem russischen Präsidenten vor allem ein Verlust für die USA – nicht für Russland.
sputniknews
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