Aus G20 wird kurzzeitig G19: Wegen der schweren Panne mit ihrer Regierungsmaschine verpasste Angela Merkel fast den ganzen ersten Gipfeltag in der argentinischen Hauptstadt. Bei den Beratungen der Staats- und Regierungschef musste die Kanzlerin zunächst von ihrem Wirtschaftsberater und G20-Chefunterhändler Lars-Hendrik Röller vertreten werden. Nach dem gravierenden Defekt der Kanzlermaschine durch den Ausfall elektronischer Systeme war Merkel von Madrid mit einer Linienmaschine nach Buenos Aires geflogen. Das für Freitag geplante Treffen mit US-Präsident Donald Trump will Merkel am Samstag nachholen. Zuvor trifft sich die Kanzlerin mit Wladimir Putin.
Demonstrativ herzlich empfing Russlands Präsident den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman zu Beginn der formellen Gespräche lachend mit einem kumpelhaften Handschlag. Salman wird verdächtigt, den Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi in Auftrag gegeben oder zumindest davon gewusst zu haben.
Während ihm die Kanzlerin aus dem Weg gehen will, sprach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Rande der Auftaktsitzung mit ihm. Auch die britische Premierministerin Theresa May will sich mit dem Kronprinzen treffen. US-Präsident Donald Trump, der weiter zu seinem Verbündeten steht, tauschte nach Angaben aus dem Weißen Haus Freundlichkeiten mit dem saudischen Kronprinzen aus - "wie mit fast jedem anderen der Teilnehmer auch". Trump selbst sagte: "Es kann sein, dass wir eine Diskussion führen werden, aber wir haben es noch nicht getan."
Verlängerung der Russland-Sanktionen geplant
Wie Salman steht auch Putin in der "Gruppe der 20" in der Kritik. Weil Russland drei Marine-Schiffe und Seeleute der Ukraine weiter festhält, hatte Trump ein geplantes Treffen mit dem russischen Präsidenten kurzfristig abgesagt. Damit kommt es umso mehr auf Kanzlerin Merkel an, die am Samstag sowohl Putin als auch Trump trifft. Die russische Küstenwache hatte den Patrouillenbooten der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch verweigert.
Die Gewässer sind seit der Annektierung der Krim durch Russland zwischen beiden Staaten umstritten. Die ukrainischen Schiffe und 24 Matrosen wurden in russischen Gewahrsam genommen. Angesichts des Ukraine-Konflikts bereitet die EU eine Verlängerung der im Januar auslaufenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland vor. "Ich bin sicher, dass die EU die Sanktionen gegen Russland im Dezember verlängern wird", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Entspannung zwischen USA und China?
Mit Spannung wurden auch die Gespräche zwischen US-Präsident Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erwartet. Es mehrten sich die Anzeichen, dass es zumindest zu einem "Waffenstillstand" im Handelskrieg der beiden größten Volkswirtschaften kommen könnte. Der zuständige chinesische Vizepremier Liu He ist "optimistisch". Es wurde für möglich gehalten, dass er Mitte Dezember nach Washington reist, um die Verhandlungen zur Beendigung der Spannungen fortzusetzen. Auch von amerikanischer Seite mehrten sich Signale, dass vielleicht eine vorläufige Einigung gefunden werden kann.
Trump beklagt unfaire Handelspraktiken Chinas, mangelnden Marktzugang, erzwungenen Technologietransfer, Produktpiraterie und Subventionen für Staatsbetriebe. Er hat Sonderabgaben auf die Hälfte der Importe aus China verhängt, während Peking Gegenmaßnahmen ergriffen hat. Kommt ihm Peking nicht ausreichend entgegen, droht er mit einer Anhebung der Zölle und einer Ausweitung auf alle Einfuhren aus China im Wert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar. Eine Eskalation würde nicht nur das Wachstum in beiden Ländern bremsen, sondern auch weltweit.
Zehntausende Demonstranten erwartet
Zum Auftakt des Gipfels blieb es auf den Straßen von Buenos Aires zunächst friedlich. Die Organisatoren der großen Demonstration erwarteten Zehntausende Demonstranten, doch konnten viele gar nicht zu dem Protest kommen, weil der Bus- und Bahnverkehr eingestellt worden war. Die Regierung hat am Freitag einen Ferientag verordnet. "Wir hoffen auf friedliche Demonstrationen", sagte Sicherheitsministerin Patricia Bullrich in Buenos Aires. Weite Teile des Zentrums wurden hermetisch abgeriegelt. Sicherheitskräfte beschlagnahmten nahe der Demonstrationsstrecke rund ein Dutzend Brandsätze in einem verlassenen Auto.
In Argentinien gibt es eine gut organisierte und kampferprobte linke Szene. Auch aus Deutschland reisten Demonstranten an, die schon beim von Gewalt überschatteten G20-Gipfel in Hamburg dabei waren.
Die Streitigkeiten mit dem US-Präsidenten über Handel und Klimaschutz sind die größten Stolpersteine, um ein gemeinsames Kommuniqué zu erreichen. Hinweise auf "Protektionismus", die als Kritik an den USA erstanden werden können, oder auch "unfaire Handelspraktiken", womit Trump auf China zielt, sind besonders umstritten. In der Geschichte der G20 hat es bisher immer eine gemeinsame Abschlusserklärung gegeben.
Quelle: n-tv.de
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