South Stream Pipeline vor Comeback ?

  12 Januar 2016    Gelesen: 833
South Stream Pipeline vor Comeback ?
Russland überlegt offenbar, das im Herbst 2014 mit großem Applomb begrabene Gaspipeline-Projekt „South Stream“ unter dem Schwarzen Meer nach Bulgarien wiederzubeleben. Eine entsprechende Meldung wird in bulgarischen Medien kolportiert.
Wie die russische Wirtschaftszeitung Wedomosti schreibt, gab es dafür heute – dem ersten Arbeitstag nach den langen russischen Neujahrsferien – jedoch keine Bestätigung. Das Energieministerium in Moskau teilte mit, auf russischer Seite bleibe „alles beim alten“. Gazprom wollte keinen Kommentar abgeben.

Probleme mit TurkStream und Kraft Sibiriens

Die Sofiaer Zeitung Standard berichtet unter Berufung auf bulgarische Regierungskreise, die zwei wesentlichen Gründe für die Wiederaufnahme des Projekts seien der akute russisch-türkische Konflikt und die Probleme beim Bau der Gaspipeline „Kraft Sibiriens“.

Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets über der syrischen-türkischen Grenze Ende November vergangenen Jahres war über Nacht eine politische Eiszeit in den russisch-türkischen Beziehungen hereingebrochen. Seither sind Wirtschaftssanktionen in Kraft, und Großprojekte wie das geplante türkische Rosatom-KKW und die türkisch-russische Gaspipeline „TurkStream“ wurden gestoppt.

Unterbrochen sind auch die Vorbereitungen zum Bau eines wichtigen Teilstücks der sibirischen Gaspipeline „KraftSibiriens“. Zwei Tage vor dem Jahresende stoppte das Unternehmen Gazprom eine seit Ende November laufende Ausschreibung für 822 Kilometer Pipeline in verschiedenen Teilstücken. Ausschlaggebend war angeblich Kritik an den Ausschreibungsbedingungen seitens der russischen Antimonopolbehörde. Manche sehen darin eine großangelegte des Putin-Intimus‘ und größten Röhrenlieferanten der Gazprom, Arkadi Rosenberg. Er ist angeblich interessiert, sich den Auftrag ohne Ausschreibung zu sichern. Bestätigungen für eine solche Annahmen gibt es nicht.

Realismus nach emotionalen Reaktionen

TurkStream wurde als Schwarzmeer-Pipelineprojekt erst seit Anfang 2015 in der Öffentlichkeit diskutiert.Nach der russischen Absage an die South-Stream-Pipeline hatte Gazprom vorgeschlagen, eine Pipeline mit identischer Kapazität von Südrussland aus bis an die europäische Türkeiküste zu bauen. Gazprom ging so weit, sich ganz aus dem europäischen Gasgeschäft zurückziehen zu wollen und die Lieferungen von russischem Gas nach Westeuropa zur Gänze der Türkei zu überlassen. Ende 2014 platzte zudem ein umfassendes umfangreicher, langfristig vorbereiteter Tausch von Aktiva zwischen Gazprom und der deutschen Wintershall. Zugleich tat die Gazprom-Führung kund, nach Ablauf der gegenwärtigen Transitverträge durch die Ukraine ab 2019 kein russisches Gas mehr durch ukrainische Röhren nach Westeuropa liefern zu wollen.

Es war die intensivste Phase der Ukrainekrise – kurz vor den Schlachten um den Flughafen Donezk und um den sogenannten Kessel von Debalzewo – aber auch vor dem zweiten Minsker Abkommen vom Februar 2015. Seither haben sich die Wogen geglättet – auch wenn der Ukrainekonflikt längst noch nicht vom Tisch ist und auch das Minsk-2 noch nicht umgesetzt. In Sachen Energiepolitik muss Russland zurückrudern. Die Abhängigkeit zwischen Europa und Russland ist doch gegenseitiger, als mancher in Moskau es sich vorgestellt hat. So wenig die Europäer ohne russisches Gas über den Winter kommen, so wenig kann Russland andere Kunden aus dem Hut zaubern. Und ohne enge energiepolitische und logistische Integration kommen beide Seiten, Lieferant und Kunde, in diesem Sektor nicht vom Fleck.

Seit einigen Monaten deutet sich daher auch an, dass es nach 2018 weiterhin Transitlieferungen durch die Ukraine geben wird. Daran sind nicht nur die südosteuropäischen Länder interessiert, sondern gerade auch die EU-Kommission. Weder Brüssel noch Washington wünschen, dass ihrem Quasi-Verbündeten Kiew eine wesentliche Einnahmequelle und gleichzeitig ein politisches Druckmittel auf den großen russischen Nachbarn verloren geht.

South Stream hat ihre Vorteile

Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Auch der Wintershall-Gazprom-Deal ging Mitte 2015 schließlich über die Bühne. Zwar hätten Deutschland und Russland es in der Hand, die ukrainischen Transitröhren durch eine Verdoppelung der Pipelinekapazität unter der Ostsee (Projekt Nord-Stream-2) überflüssig zu machen. Entsprechende Abkommen wurden von Gazprom und mehreren westeuropäischen Energieunternehmen im vergangenen Sommer unterzeichnet.

Die Folge waren geharnischte Briefe mehrerer mittelosteuropäischer Regierungen an die EU-Kommission. Auch die drei baltischen Länder sprachen sich massiv gegen Nord-Stream-2 aus. Zwar gehen manche Beobachter davon aus, dass es sich dabei um eine von Brüssel unterstützte Intrige gegen eine unerwünschte deutsch-russische Annäherung handelt. Gleichzeitig besteht kein Zweifel daran, dass die Merkel-Regierung, sollte dies gewünscht sein, auf die beteiligten Unternehmen einwirken und Nord-Stream-2 der europäischen Idee zum Opfer bringen wird.

Mit dem absehbaren Aus für die Pipeline-Erweiterung unter der Ostsee und dem faktischen Aus für das TurkStream-Projekt eignet sich realistischerweise nur das bulgarische Projekt zur Schaffung zusätzlicher Kapazität für russische Gaslieferungen nach Westen. Den Gesichtsverlust, der mit einem Revival von South Stream verbunden wäre, können Gazprom und der Kreml verkraften. Schließlich hat das Projekt auch politischen Charme. Bulgarien und die seine europäischen Nachbarländer pflegen traditionell enge Beziehungen zu Russland. Dort hatte die Entscheidung, South Stream aufzugeben, durchaus auch Unzufriedenheit ausgelöst. Gleichzeitig eignet sich das Projekt auch vorzüglich, um im Balkan und in Mittelosteuropa die ohnehin wachsende Abgrenzung vom „Westen“ wirtschaftlich und politisch zu befördern. Ein solcher Rollback-Prozess, der unabhängig von jedem Pipelinebau ohnehin ansteht, entspricht dem russischen Interesse, „westliche“ Einflüsse unmittelbar jenseits der russischen Westgrenzen in einem überschaubaren Rahmen zu halten.

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