Ocasio-Cortez kämpft um ihren Ruf

  11 Januar 2019    Gelesen: 764
Ocasio-Cortez kämpft um ihren Ruf

Als jüngste Abgeordnete erkämpft sich Alexandria Ocasio-Cortez einen Sitz im US-Kapitol - doch der Aufstieg der linken Demokratin ist nicht überall gern gesehen. Konservative Kreise versuchen, die 29-Jährige gezielt zu verunglimpfen.

Ein Selfie aus der Badewanne symbolisiert das ganze Ausmaß der Posse um die 29-jährige Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez. Das Foto zeigt zwei nackte Beine und Füße - mit lilafarben lackierten Fußnägeln. Wer genau hinsieht, kann im Wasserhahn die Spiegelung eines Busens erkennen. Unter dem Titel "Mamas T***en auf dem Hahn" geht das Bild seit einigen Wochen durch die sozialen Medien. Laut Bildtext zeigt es Ocasio-Cortez. Doch das ist eine Lüge. Nicht die frisch vereidigte US-Kongressabgeordnete präsentiert sich derart freizügig. Die Füße (und die Brüste) gehören Sydney Leathers. "Das Bild ist schon ein paar Jahre alt", bestätigte die Pornodarstellerin dem "Vice"-Magazin. "Und es bestärkt mich darin, dass ich keine Fußfotos mehr hochladen sollte, solange nicht ein paar Kerle dafür zahlen."

Eigentlich könnte die Geschichte an dieser Stelle enden. Doch so einfach ist es nicht. Obwohl recht schnell bekannt war, dass es sich um ein gefälschtes Bild handelt (ausgerechnet eine Website für Fußfetischisten deckte den Schwindel auf), stürzen sich sowohl einige Republikaner in ihren Social-Media-Accounts als auch konservative Medien auf die Geschichte. Der Washingtoner "Daily Caller" titelt - ohne einen Hinweis auf die Fälschung: "Hier ist das Foto, über das einige Leute sagen, es sei ein Nackt-Selfie von Alexandria Ocasio-Cortez". Erst im Text klärt der Verfasser darüber auf, dass es eigentlich gar keinen Skandal gibt. Doch wer liest schon den Text? Die Hoffnungsträgerin der demokratischen Linken sieht sich dazu genötigt, die Sache klarzustellen. "Die Republikaner haben ihren Verstand verloren", twittert Ocasio-Cortez. "Sie schäumen vor Wut, also war das [Foto] eigentlich nur eine Frage der Zeit."

Wer die Fälschung lanciert hat, weiß niemand. Dass Ocasio-Cortez die Drahtzieher dennoch im politisch rivalisierenden Lager vermutet, ist kein Zufall. Seit dem kometenhaften Aufstieg der jungen New Yorkerin mit puerto-ricanischen Wurzeln kursieren die wildesten "Stories" über ihre angebliche Verfehlungen und Skandälchen in der konservativen Filterblase. Nur einen Tag vor ihrer Vereidigung im Kongress sorgte ein Video aus Studienzeiten für Furore, in dem Ocasio-Cortez ungestüm zur Filmmusik des 80er-Jahre-Klassikers "Breakfast Club" tanzt. Der anonyme Absender schrieb dazu, "Amerikas beliebteste kommunistische Besserwisserin" benehme sich wie ein "ahnungsloser Schwachkopf".

Eine Hatz mit prominenten Antreibern

Der konservative Sender CRTV veröffentlichte ein paar Monate zuvor sogar ein manipuliertes Interview mit der Politikerin. Das Gespräch ist so geschnitten, dass Ocasio-Cortez völlig inkompetent wirkt. Auf die Frage von Moderatorin Allie Stuckey, ob die Demokratin überhaupt eine Ahnung vom politischen System in den USA habe, wird sie kopfschüttelnd gezeigt. In der Beschreibung zu dem Clip heißt es auf Facebook: "Allie grillt das progressive It-Girl Alexandria Ocasio-Cortez wegen ihrer sozialistischen Agenda und ihrer Kenntnisse … oder dem Mangel daran." Mittlerweile ist das Video rund 4,3 Millionen Mal geklickt worden. Zwar stellte CRTV später klar, dass es sich um Satire handelt. Im Clip selbst fehlt allerdings nach wie vor jeder Hinweis darauf, wie das vermeintliche Interview entstanden ist.

Wie schwer all das den professionellen Ruf von Ocasio-Cortez beschädigt, kann niemand wissen. Tatsache ist aber, dass die wiederholten Versuche, die 29-Jährige zu diskreditieren, ihr Publikum finden - auch, weil sie prominente Antreiber haben. So investierte der US-Unternehmer und Republikaner Foster Friess laut US-Medienberichten 2012 rund drei Millionen Dollar in den "Daily Caller". Gründer und einstiger Chefredakteur ist der konservative Talkmaster Tucker Carlson. Bei Fox News - dem Lieblingssender von Donald Trump - moderiert Carlson bis heute eine eigene Show. Auch der Sender CRTV hat ein klassisch-konservatives Profil. Gründer ist der Publizist Mark Levin. Er arbeitete schon für Ronald Reagans Administration und ist ein erklärter Unterstützer Trumps.

Ocasio-Cortez - Feindbild der Konservativen

Was all diese Akteure gemeinsam haben: Sie kennen sich aus im Medien- und Politikbetrieb. Als Newcomer hat Ocasio-Cortez ihnen wenig entgegenzusetzen - abgesehen von wütenden Richtigstellungen auf Twitter, Instagram und Co. Mit Abscheu kommentierte sie die mediale Verzerrung der Geschichte ums Badewannen-Selfie. "Kein Wunder, dass sie Kavanaugh so erbittert verteidigt haben", ärgerte sich die Demokratin. In der Debatte um die Vorwürfe der versuchten Vergewaltigung gegen den Richterkandidaten Brett Kavanaugh hatte sich Ocasio-Cortez im vergangenen Sommer klar positioniert. "Gerechtigkeit in Amerika heißt nicht, nur die Mächtigen zu schützen", forderte sie im "Boston Magazine". Gerade Minderheiten - die Frauen, die Migranten, die Jungen - hätten es immer noch schwer, gehört zu werden.

Ocasio-Cortez versteht sich offenbar als deren Sprachrohr. "Wenn sie an mir ein Exempel statuieren wollen", schreibt sie auf Twitter, "dann will ich gern eines sein. Hoffentlich sind wir ein Beispiel für Hingabe, Mut und Beharrlichkeit auch unter Beschuss." Die 29-Jährige vertraut auf ihre Popularität vor allem bei den Jungen und Liberalen - und darauf, dass sich ihre politischen Gegner selbst diskreditieren. Zumindest im Fall des Tanzvideos hat das gut funktioniert. Statt Häme schlug der Parlamentarierin eine Welle der Solidarität entgegen. Auch der Komiker Patton Oswalt spottete, Ocasio-Cortez sei "offiziell erledigt". "Sie wird sich nie wieder davon erholen, dass die Welt gesehen hat, wie hinreißend sie tanzt."

Quelle: n-tv.de


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