30 Dollar pro Fass: Wem der niedrige Ölpreis schadet

  13 Januar 2016    Gelesen: 747
30 Dollar pro Fass: Wem der niedrige Ölpreis schadet
Erstmals seit zwölf Jahren fällt der Preis für Rohöl unter 30 Dollar. Was Autofahrer und Unternehmer erfreut, ist für andere eine Hiobsbotschaft. Ein Überblick über Verlierer des Preisverfalls.
"Wenn das passiert, könnten wir am Rande einer Katastrophe stehen", warnte Eulogio del Pino vor kurzem. Der Venezolaner sprach weder von einem Krieg noch von einem Erdbeben. Sondern von der Möglichkeit, dass die globalen Öllager bald komplett gefüllt sein könnten. Dann wird der Preis für Rohöl - um das sich Eulogio sowohl als Minister wie auch Chef des Staatskonzerns PDVSA kümmert - noch weiter in die Tiefe rauschen.

Del Pinos Sorge hat gerade neue Nahrung bekommen: Der Preis für ein 159-Liter-Fass Rohöl der US-Sorte WTI ist am Dienstag kurzzeitig unter 30 Dollar gefallen. Auch der Kurs der Nordseesorte Brent Chart zeigen kratzt an der wichtigen Marke. So niedrig lag er zuletzt vor zwölf Jahren, seitdem hatten die Ölpreise mehrfach die Marke von 100 Dollar überschritten.

Für viele ist diese Entwicklung ein Grund zum Jubeln: Autofahrer zahlen weniger für ihren Sprit, Firmen können günstiger produzieren. Doch Ölminister del Pino ist nicht der einzige, der bangt. So manchem Fracking-Unternehmer, Investoren und sogar Umweltschützern muss der Preisverfall ebenfalls Sorgen machen:

In Venezuela hängen die Staatsfinanzen zu einem großen Teil von Einnahmen aus dem Ölgeschäft ab, in Ländern wie Iran, Russland oder Nigeria ist es ähnlich. Für einen ausgeglichenen Haushalt brauchen sie einen Ölpreis nahe der 100-Dollar-Marke oder sogar darüber. Laut der "Financial Times" muss Russland seine Staatsausgaben deshalb in diesem Jahr um zehn Prozent kürzen.

Dass mit dem Ölpreis auch ganze Regierungen abstürzen können, hat sich in Venezuela gerade erst gezeigt. Die Sozialisten von Präsident Nicolas Maduro verloren im Dezember nicht zuletzt deshalb die Parlamentswahl, weil die lange aus Öleinnahmen bezahlten Sozialleistungen immer schwerer zu finanzieren sind.

Auch Saudi-Arabien musste sich nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds 2015 mit rund einem Fünftel seiner Wirtschaftsleistung verschulden, um die weggebrochenen Einnahmen zu kompensieren. Dennoch weigern sich die Saudis bis heute, ihre Produktion zu drosseln - was als wichtigste Ursache für den Preisabsturz gilt.

Die harte Haltung dürfte sich insbesondere gegen den Erzfeind Iran richten. Dieser wollte seine Ölförderung nach Aufhebung westlicher Wirtschaftssanktionen eigentlich stark ausbauen. Doch die dazu notwendigen Investitionen lohnen sich angesichts des derzeitigen Preises kaum. Eine Einigung zwischen Iran und Saudi-Arabien ist noch deutlich schwieriger geworden, seitdem die Hinrichtung des schiitischen Predigers Nimr al-Nimr zu einer schweren diplomatischen Krise geführt hat.

In den USA wird Öl seit Jahren mithilfe der umstrittenen Fracking-Technologie gefördert. Dadurch erhöhte sich das Angebot und trug zum sinkenden Ölpreis bei. Die Blockade-Haltung der Saudis richtet sich deshalb auch gegen diese US-Konkurrenz. Denn deren Fördertechnik ist teuer, sinkende Ölpreise bedrohen deshalb schnell die Existenz der Fracking-Industrie.

"Die Hälfte der derzeitigen Produzenten hat kein legitimes Recht in einem Geschäft zu sein, dessen Preise selbst bei einer Erholung auf etwa 50 bis 60 Dollar prognostiziert werden", sagte Fadel Gheit, Ölexperte bei der Investmentbank Oppenheimer dem Fernsehsender CNBC. "Sie brauchen Öl für 70 Dollar, um zu überleben."

Mit Samson Resources musste im vergangenen Herbst bereits ein großes Fracking-Unternehmen Insolvenz anmelden. Gheit sagt weitere Pleiten voraus und verweist auf einen früheren Ölpreissturz, den die Saudis 1986 auslösten. Damals sei rund ein Viertel der Förder- und Produktionsfirmen pleitegegangen.

Börsenhändler in New York: Erinnerungen an die Immobilienkrise
Die Pleite des Förderunternehmens Samon war auch eine schlechte Nachricht für den Finanzinvestor KKR. Er hatte das Fracking-Unternehmen erst 2011 zusammen mit Partnern für rekordverdächtige sieben Milliarden Dollar übernommen.

Auch sonst schwamm die Energiebranche lange im Geld: Allein zwischen 2010 und 2014 konnte sie laut Berechnungen der Deutschen Bank über Kredite und Anleihen rund 550 Milliarden Dollar einsammeln.

Ein großer Teil des Geldes wurde dabei mit sogenannten High-Yield-Anleihen eingenommen, die Anlegern hohe Zinsen im Gegenzug für geringe Sicherheiten bieten. Manche Marktbeobachter warnen deshalb bereits vor einer "Fracking-Blase", deren Platzen die gesamte Wirtschaft ins Schwanken bringen könnte - ähnlich wie die durch Hochrisikopapiere befeuerte US-Immobilien-Blase in den Jahren 2007 und 2008.

Doch längst nicht jeder Umweltschützer teilt die Freude über den Preisverfall. Denn erfahrungsgemäß führt ein sinkender Preis früher oder später zu wachsendem Verbrauch - was Preise und Produktion wieder nach oben treiben dürfte.

Dieser Trend zeigt sich beispielsweise in deutschen Eigenheimen: Jahrelang wurden dort immer weniger Ölheizungen eingebaut, umweltfreundlichere Systeme wie Biomassekessel oder Wärmepumpen gewannen an Bedeutung. Doch im vergangenen Jahr hat sich der Trend wieder umgekehrt: Allein in den ersten neun Monaten legte der Verkauf von Ölheizungen um rund 30 Prozent zu.

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