Europa bereitet sich auf Chaos-Brexit vor

  16 Januar 2019    Gelesen: 1119
Europa bereitet sich auf Chaos-Brexit vor

Politiker in Europa bedauern die Ablehnung des Brexit-Abkommens im britischen Unterhaus. Chancen für einen besseren Deal sehen sie nicht. Vor allem die Wirtschaft bereitet sich nun auf die katastrophalen Folgen eines ungeregelten Brexits vor.

Mit der Ablehnung des Brexit-Vertrags im britischen Unterhaus ist aus Sicht von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Gefahr eines "ungeordneten Austritts" ohne Abkommen gestiegen. Auch wenn die EU dies nicht wolle, werde die EU-Kommission nun ihre Vorbereitungen für einen sogenannten No-Deal-Brexit fortsetzen, erklärte Juncker in Brüssel. Er forderte Großbritannien auf, "seine Absichten so bald wie möglich klarzustellen".

Die Entscheidung des Unterhauses, den zwischen der britischen Regierung und der EU ausgehandelten Deal für einen geordneten Brexit abzulehnen, wurde von Politikern fast aller politischen Lager in Europa ebenso wie von Wirtschaftsvertretern bedauert. Die Forderung mancher britischer Politiker nach Konzessionen seitens der EU stießen weitgehend auf Ablehnung. Großbritannien will die Europäische Union am 29. März verlassen. Gibt es bis dahin keine Einigung, droht ein Austritt aus der Staatengemeinschaft ohne Abkommen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk mahnte: "Die Zeit ist fast abgelaufen". Die EU werde trotz der Ablehnung im britischen Unterhaus die Ratifizierung des Austrittsabkommens vorantreiben. "Wenn ein Deal unmöglich ist und niemand einen No-Deal will, wer wird den Mut haben zu sagen, wie die einzige positive Lösung aussieht?", fragte Tusk auf Twitter.

Brinkhaus: EU kann Prinzipien nicht aufgeben

Auch in Berlin wurde das Unterhausvotum mit Bedauern aufgenommen. "Das ist ein bitterer Tag für Europa", sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz. "Wir sind vorbereitet. Aber ein ungeregelter Brexit ist die schlechteste aller Möglichkeiten, für die EU, besonders aber für Großbritannien." Der Unionsfraktionschef im Bundestag, Ralph Brinkhaus, sieht keinen großen Spielraum für Konzessionen an die Briten. Die Niederlage sei bedauerlich, twittert der CDU-Politiker. "Alle müssen jetzt die Ruhe bewahren." Die EU könne Prinzipien nicht aufgeben, so sehr man mit den Briten verbunden sein wolle.

FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff forderte die EU zu einer schnellen Reaktion auf. "Die EU muss jetzt zu einem Sondergipfel zusammenkommen, um über die Konsequenzen dieser Entscheidung zu beraten", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ein ungeordneter Brexit sei nun "praktisch unvermeidlich". Auch die Bundesregierung müsse konkrete Schritte zur Vorbereitung auf einen chaotischen Ausstieg Großbritanniens aus der EU ergreifen. Bürger, Wirtschaft und Universitäten müssten Klarheit bekommen, welche konkreten Folgen ein solcher Brexit für sie habe.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz schloss Nachbesserungen am Austrittsabkommen seitens der EU kategorisch aus. Der Ball liege nun in London, twitterte der Regierungschef. "Es wird jedenfalls keine Nachverhandlungen zum Austrittsabkommen geben."

VDA: Austrittsdatum verschieben

Auch die Wirtschaft stellt sich nun zunehmend auf die dramatischen Folgen eines ungeregelten Brexits ein. DIHK-Präsident Eric Schweitzer riet den Unternehmen, sich jetzt verstärkt vorzubereiten. "Denn für die deutschen Unternehmen steht einiges auf dem Spiel. Immerhin ist Großbritannien noch unser fünftwichtigster Handelspartner, das Handelsvolumen beträgt 122 Milliarden Euro." Die Firmen hätten keine Planungssicherheit.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang,warnte vor einer Rezession in der britischen Wirtschaft, die auch an Deutschland nicht unbemerkt vorüberziehen würde. Jede Unklarheit gefährde Zehntausende von Unternehmen und Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Deutschland und vor allem in Großbritannien.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) bezeichnete die Ablehnung des Brexit-Abkommens in London als "politisch fahrlässig". Es drohten schwerwiegende Konsequenzen für Bürger und Unternehmen in Großbritannien und Europa, sagte VDA-Präsident Bernhard Mattes. Die Betriebe auf beiden Seiten des Ärmelkanals seien eng miteinander verbunden. "Ohne geordnete und praktikable Lösungen für den Wirtschaftsverkehr stehen auch Jobs in der Automobilindustrie, insbesondere auf der britischen Seite, auf dem Spiel", betonte Mattes. Alle Beteiligten sollten jetzt daran arbeiten, einen ungeregelten Brexit noch abzuwenden. Vor diesem Hintergrund könne auch die Verschiebung des Austrittsdatums sinnvoll sein.

Quelle: n-tv.de


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