Ein Interview, das zeigt, warum die SPD untergeht

  28 Januar 2019    Gelesen: 944
  Ein Interview, das zeigt, warum die SPD untergeht

Die Umweltministerin wird im Fernsehen zur besten Sendezeit zum Tempolimit befragt und hat dazu absolut keine Meinung oder Forderung. Das ist nicht nur eine Blamage für die Politikerin, sondern erklärt auch, was man über den Niedergang der SPD wissen muss.

Weil die SPD unverdrossen auf das Wunder hofft, eines Jahres doch mal wieder den Kanzler oder die Kanzlerin zu stellen, ist aus ihr ein merkwürdiges Zwitterwesen geworden: Sie regiert mit und macht zugleich auf Opposition. Die Folge: Sozialdemokraten sind ständig bemüht, Schwarze Peter den Kollegen von CDU oder CSU zuzuschieben. Doch das erfordert einiges an Geschick, wenn das Manöver kein Bumerang werden soll.

Ein Beispiel, wie man es keinesfalls machen sollte, lieferte Bundesumweltministerin Svenja Schulze am Sonntagabend im ZDF. In einem Interview in "Berlin direkt" bemühte sich die SPD-Politikerin, die Verantwortung ihrem für Verkehr zuständigen Kabinettskollegen Andreas Scheuer von der CSU zuzuspielen. Doch Moderator Thomas Walde verdarb ihr das Spiel, weil er hartnäckig nachfragte und Schulze nicht mit Ausflüchten und Sprachgirlanden davonkommen ließ.

Im Grunde drehte sich das fünfminütige Interview um eine einzige Frage, die die Ministerin mit einem Satz hätte beantworten können. Walde wollte wissen, ob sie selbst und die SPD für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen sind oder nicht. Schulze redete und redete, aber sie antwortete nicht. Noch schlimmer: Sie hatte offenkundig keine Meinung, keine Forderung zu dem Thema. Stattdessen schien sie es für eine gute Idee zu halten, darauf zu beharren, zunächst müssten Scheuer und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, CDU, Vorschläge präsentieren, wie der deutsche CO2-Ausstoß entsprechend des Pariser Abkommens bis 2030 verringert werden könnte.

"Ein ganzes Paket an Maßnahmen"

Walde erinnerte Schulze an den mit knapper Mehrheit gefällten SPD-Parteitagsbeschluss vom Oktober 2007, der gegen die ausdrückliche Empfehlung des damaligen Umweltministers Sigmar Gabriel gefallen war. Die Sozialdemokraten entschieden seinerzeit: "Ein schneller und unbürokratischer Weg zum Klimaschutz ist die Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h." Gefordert wurde zudem, die Kfz-Steuer nach Schadstoffausstoß zu erheben.

Eine klare Forderung. Schulze vollführte hingegen einen Eiertanz sondergleichen. Die Kommission, die über Maßnahmen zum Klimaschutz berät und der ihr Ministerium angehört, hat als zwei Möglichkeiten ein Tempolimit auf Autobahnen und höhere Dieselsteuern genannt. "Wann setzen Sie das um?", wollte Walde wissen. "Na ja", begann die Ministerin, "erstmal muss diese Kommission ja arbeiten und ich gehe fest davon aus, dass der Verkehrsminister sich an die Verabredung hält, im März ein Maßnahmenprogramm vorzulegen. Er muss genau beschreiben, wie wir denn den CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich reduzieren können, und ich glaube, dass es da ein ganzes Paket von Maßnahmen geben muss."

Ein ganzes Paket also. Verstanden.

Walde erklärte: "Sie haben jetzt auf den Verkehrsminister verwiesen." Doch da gebe es doch auch den SPD-Beschluss von 2007. "Wann setzen Sie denn ein Tempolimit um oder wann setzen Sie sich dafür ein?" Schulze antwortete: "Für den Klimaschutz ist die gesamte Bundesregierung zuständig." Scheuer und Klöckner seien am Zuge.

Der ZDF-Mann muss gedacht haben: Klimaschutz? Ist das nicht - zumindest auch - Sache der Umweltministerin? "Wie werden Sie da Druck machen? Teilen Sie die Forderung nach einem Tempolimit?" Etwas polemisch fragte er Schulze weiter, wie sie besorgten Jugendlichen einen Verzicht auf Beschränkungen erkläre, "nur damit die Eltern weiter rasen können". Bisher habe die Regierung "ja immer nur Ziele festgelegt", sagte die Ministerin. Jetzt werde in einem Gesetz beschrieben, wie die Pariser Ziele "auch wirklich erreicht" werden sollten.

"Ich stelle fest", sagte Walde, ohne den Eindruck etwaiger Genervtheit zu machen, "ich habe jetzt dreimal gefragt nach Ihrer Position und eben noch mal nach dem Parteitagsbeschluss der SPD." Nochmals: "Klar gefragt, gilt das noch für Sie und Ihre Partei, dass Sie für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen sind?" Eindeutiger kann man das nicht formulieren.

Erst muss Herr Scheuer was sagen

Und was antwortete die Ministerin? "Herr Walde, ich kann das gut verstehen, dass Sie jetzt von mir eine Positionierung zu den Vorschlägen von Herrn Scheuer haben wollen. Aber erst mal muss Herr Scheuer sagen, was er will."

Eine Erklärung zu Scheuers Vorschlägen? Wie bitte? Walde versuchte es ein weiteres Mal. Er habe nicht nach dem Verkehrsminister gefragt, sondern nach dem SPD-Parteitagsbeschluss. "Gilt der noch?"

"Naja, hier geht es aber nicht um SPD-Parteitagsbeschlüsse", so die Sozialdemokratin: "Hier geht es darum, wie die Bundesregierung ihren Beitrag leistet, dass der CO2-Fußabdruck in Deutschland reduziert wird. Und da hat jeder einzelne Minister eine Verantwortung. Und Herr Scheuer hat die Verantwortung für den Verkehrsbereich. Und ich bin mir ganz sicher, er wird da ein Maßnahmenprogramm vorlegen."

"Okay", sagte Walde, was so klang, als gebe er sich geschlagen. Aber Pustekuchen. Nun wollte der Journalist Schulzes Haltung zu höheren Spritpreisen in Erfahrung bringen. Er verwies auf den Kommissionsvorschlag: "Machen Sie sich das zu eigen? Wann werden Sie mit höheren Steuern da für mehr Klimaschutz sorgen?"

"Wir brauchen einen Gesamtplan"

"Auch da noch mal: Wir werden ein Gesamtkonzept brauchen", sagte Schulze. Verkehr, Landwirtschaft und Industrie müssten ihren Beitrag leisten. "Wir brauchen dieses Gesamtkonzept." Einzelne kleine Maßnahmen reichten nicht. "Wir brauchen ein" - an der Stelle lachte die Ministerin kurz, ohne dass klar wurde, warum oder über wen - "gesamtes Klimaschutzgesetz, einen Gesamtplan".

Ein Gesamtkonzept bestehe jedoch aus einzelnen Maßnahmen, stellte Walde korrekt fest. "Und ich versuche, Ihre Position dazu zu erfahren. Ich versuch's noch mal so: Wer rasen will, wählt Andreas Scheuer. Wer ein Tempolimit will, wählt die Grünen. Was bekommen die, die Sie wählen?"

Die bis dahin plan-, ideen-, und meinungslos wirkende Ministerin erklärte nun allen Ernstes: "Von der SPD bekommen sie einen klaren Plan, wie wir CO2 reduzieren." Ihrerseits fragte sie: "Was ist eigentlich schlecht daran, wenn in den Städten die Luft sauberer wird, weil die Autos weniger Abgase abstoßen, weil sie leise sind, weil sie immer mehr mit Elektro fahren?"

Nichts. Aber darum ging es in Waldes Frage auch gar nicht. Die richtige Antwort hätte gelautet: Wer die SPD wählt, bekommt eine Partei, die sich vor klaren Positionen drückt, weil sie Angst hat, ihre Wähler zu verprellen. Was der SPD bislang nicht aufgefallen ist: Genau deshalb verliert sie ihre Wähler.

Quelle: n-tv.de


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