Die meiste Aufmerksamkeit bekommt Elisaweta Peskowa üblicherweise auf Instagram. Ihre fast 80.000 Follower versorgt die junge Russin dort mit Fotos von ihrem Leben: Mal steht sie vor dem Eiffelturm, mal posiert sie vor einem Kamin, mal sitzt sie im engen Kleid auf einem Sessel.
Jetzt sorgt Elisaweta Peskowa im Europaparlament für Aufregung. Dort absolviert sie seit November ein Praktikum, und damit haben einige Abgeordnete ein Problem: Die 21-Jährige ist die Tochter von Dmitrij Peskow, dem Sprecher von Russlands Präsidenten Wladimir Putin.
Obendrein arbeitet Peskowa ausgerechnet für Aymeric Chauprade. Der Franzose zog 2014 für den rechtsextremen Front National ins EU-Parlament und war außenpolitischer Berater von Parteichefin Marine Le Pen. Kurz darauf fiel er in Ungnade und verließ die Partei, die inzwischen Rassemblement National heißt. Dass die Le-Pen-Truppe Geld aus Russland erhalten hat, ist bekannt. Ebenso bekannt ist, dass Chauprade sich in der Vergangenheit betont kremlfreundlich gezeigt hat. Er gilt als Unterstützer der Annexion der ukrainischen Krim und hat Russland 2013 in einer Rede vor der Staatsduma als "Hoffnung der Welt gegen neuen Totalitarismus" bezeichnet.
Dass nun die Tochter des Putin-Sprechers für Chauprade arbeitet, lässt bei manchen EU-Abgeordneten Fragen laut werden - zumal drei Monate vor der Europawahl die Furcht vor russischen Manipulationsversuchen besonders groß ist.
"Ich bin äußerst besorgt", sagt der polnische Christdemokrat Dariusz Rosati dem SPIEGEL. Es sei schon ungewöhnlich, dass jemand aus einem Nicht-EU-Staat überhaupt ein Praktikum im Europaparlament mache - "und dann auch noch aus einem Land, das einen Desinformationskrieg gegen die EU führt, Cyberattackenverübt und Anti-EU-Parteien fördert". Dass es sich bei der Praktikantin obendrein um die Tochter eines ranghohen Vertreters der russischen Regierung handelt, "ist eine Situation, zu der es nicht kommen dürfte".
Rosati sieht in Peskowa gar ein Sicherheitsrisiko, da sie an brisante Informationen gelangen könnte. Zwar betont die Verwaltung des Parlaments, dass Assistenten und Praktikanten von Abgeordneten keinen Zugang zu vertraulichen Dokumenten hätten. Und auch Chauprade erklärt gegenüber dem SPIEGEL: "Frau Peskowa hatte keinen Zugriff auf sensible oder vertrauliche Daten."
Sicher? Der SPD-Europaabgeordnete Ismail Ertug sieht das ganz anders: "Es ist absolut üblich, dass Praktikanten Zugriff auf das Haupt-Mailkonto ihres Abgeordneten haben." Damit könnten die Praktikanten Tagesordnungen der Ausschüsse oder interne E-Mail-Diskussionen einsehen. "Außerdem redet man im Büro", sagt Ertug, "über Streitpunkte in den Ausschüssen, über die Positionen anderer Fraktionen oder die Ergebnisse von Sitzungen. Da schickt man die Praktikanten nicht jedes Mal vor die Tür." Wer die beengten Verhältnisse in den meisten Abgeordnetenbüros kennt, weiß: Innerhalb dieser Wände ist es ohnehin schwierig, Geheimnisse zu bewahren.
Umso pikanter wirkt daher, woran Peskowas Chef Chauprade im EU-Parlament arbeitet: Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung sowie im Ausschuss für die Zusammenarbeit mit der Duma - ausgerechnet in jenen Gremien also, in denen die Russlandpolitik des Parlaments entschieden wird. "Dort geht es um Sicherheitsstrategie, militärische Fähigkeiten und die Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten", sagt der polnische Abgeordnete Rosati. "Für den Kreml sind das alles sehr interessante Themen."
Ob Peskowa Zugang zu vertraulichen Informationen hat, könne er zwar nicht beurteilen, sagt Rosati. Er gibt aber zu bedenken, dass Peskowa auch ein "Kommunikationskanal" des Kreml zu Chauprade sein könnte und ihn beeinflusse. Immerhin: Das Praktikum, für das Peskowa laut Chauprade tausend Euro monatlich erhält, soll Ende April zu Ende gehen. Das wäre drei Wochen vor der EU-Wahl.
Chauprade will die Aufregung nicht nachvollziehen können. Peskowa kümmere sich gar nicht um Russland-Themen, erklärte der Franzose schriftlich. "Vorige Woche half sie mir, eine Akte über die Präsidentschaftswahlen im Senegal vorzubereiten." Auch Putins Sprecher Peskow selbst äußerte sich am Dienstag zu dem Vorgang. Seine Tochter sei eine "normale Studentin", die ein "normales Praktikum" absolviere.
Chauprade räumt auf Nachfrage ein, er kenne Peskow schon lange. Dass dessen Tochter nun bei ihm arbeitet, findet er nicht ungewöhnlich. Er habe Peskowa, die in Paris Jura und Politikwissenschaft studiere, allein "aufgrund ihrer eigenen Qualitäten" eingestellt.
spiegel
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