“Sie haben ein Massaker angerichtet“

  01 Oktober 2015    Gelesen: 1028
“Sie haben ein Massaker angerichtet“
Aus der syrischen Großstadt Homs berichten Augenzeugen heute.de von schweren Luftschlägen, Dutzenden Toten und Verletzten. Die Angriffe gehen weiter: "Nach den russischen Kampfjets werfen jetzt Assads Helikopter ihre Fassbomben auf uns ab."

Um Punkt 12:17 Uhr an diesem Mittwoch berichtet Adnan, ein Lehrer aus Talbisah bei Homs, von heftigen Luftangriffen auf Wohngebiete, von "schweren Zerstörungen, vielen Toten und Verwundeten". Dazu sendet er Fotos, die moderne, mit Raketen bewaffnete Kampfflugzeuge am Himmel zeigen. "Solche Jets haben wir hier noch nie zuvor gesehen – sie haben gleich fünf oder sechs Raketen mit einem Mal losgefeuert."

Kampf gegen IS-Terroristen? Angriffe auf Zivilisten?

Rasend schnell geht in Homs und unter Beschuss stehenden Vororten wie Talbisah, Rastan und Zaffarana ein Gerücht um: "Jeder hier glaubt, dass es russische Maschinen sind, die auf uns schießen." Ein haltloses Gerücht? Wenig später berichtet zunächst die Nachrichtenagentur Reuters, dass Russland erste Luftangriffe in Syrien fliege. Später melden auch russische Medien mit Verweis auf das Verteidigungsministerium in Moskau den Beginn der Luftangriffe.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor vom Parlament das Mandat für einen Militäreinsatz in Syrien erhalten. Während Putin davon spricht, dass die Angriffe ausschließlich Stellungen der Terrormiliz "Islamischer Staat“ (IS) gelten, berichtet die oppositionelle Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, dass bei den heutigen Luftangriffen in der Provinz Homs mindestens 27 Zivilisten getötet worden seien, darunter sechs Kinder. Dabei drohen die Zahlen noch weit höher zu steigen.

Luftangriffe auf Hochburgen des Widerstands

Inzwischen meldete das syrische Staatsfernsehen, Russland habe zusammen mit der syrischen Luftwaffe mehrere IS-Ziele unter Beschuss genommen. Die USA und Frankreich halten dagegen, die Russen hätten Stellungen der syrischen Opposition angegriffen.
Tatsächlich gelten die Vororte von Homs als Hochburgen des Widerstands gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad. "Es sind unsere Leute, sie kämpfen für die Ziele des syrischen Volkes – ein freies, friedliches Land ohne den Tyrannen Assad", sagt Khaled. Ruhe nach dem Sturm? Nein, jetzt fallen die Fassbomben vom Himmel.

Dennoch, meint Adnan, käme die Eskalation der Gewalt für ihn äußerst überraschend: "Es gab hier in Talbisah seit längerem keine Kämpfe. Es war ruhig. Wir sind auch keine IS-Hochburg, das ist Propaganda. Hier werden Zivilisten angegriffen, keine Terroristen." Im Hintergrund ist das Schreien und Wimmern von Frauen und Kindern zu hören. Adnan sagt, dass es an diesem Nachmittag kein Leben mehr auf den Straßen seiner Stadt gebe. "Alle haben sich versteckt, kein Mensch ist draußen zu sehen." Die Ruhe nach dem Sturm? "Nein", sagt Adnan. "Nach den russischen Kampfjets kommen jetzt Assads Helikopter und werfen ihre Fassbomben ab." Jene mit Sprengstoff, Nägeln oder Brandbeschleunigern gefüllten Fässer haben in der Vergangenheit bereits zu immensen Opfern in Homs, Aleppo und anderen syrischen Städten geführt.

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