Die Initiatoren wollten zunächst in der Fraktion über einen Antrag abstimmen lassen, der darauf abzielte, Flüchtlinge direkt an der Grenze abzuweisen. Diese Forderung hätten sie in ihrem Brief aber vergangene Woche noch entschärft. Demnach heißt es in dem Schreiben nun: "Wir stehen vor einer Überforderung unseres Landes. Deshalb halten wir eine Änderung der derzeitigen Zuwanderungspraxis (...) durch die Rückkehr zur strikten Anwendung des geltenden Rechts für dringend geboten." Eine Antwort der Kanzlerin erwarte man innerhalb einer Woche, sagte einer der Initiatoren.
Unterzeichnet haben den Brief etwa der innenpolitische Sprecher der Union, Stephan Mayer, aber auch die Innenpolitiker Clemens Binninger, Armin Schuster oder Wolfgang Bosbach. Auch mehrere CDU-Wirtschaftspolitiker haben unterschrieben, darunter der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, der zu den Initiatoren des Briefes gehört. Auch Carsten Linnemann, der Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung setzte seine Unterschrift unter die Aufforderung. Innerhalb der CDU-Spitze hatten sie am Montag für großen Unmut gesorgt. Partei-Vize Julia Klöckner hatte die Devise ausgegeben: "Einfach mal die Klappe halten."
Auch Merkel-Unterstützer melden sich
Ein Gegen-Brief mit dem Ziel, Merkel zu unterstützen, hat nach Angaben seines Verfassers eine ähnliche Resonanz in der Unionsfraktion gefunden. Der CDU-Abgeordnete Martin Patzelt sagte, er habe auf sein Unterstützungsschreiben von etwas mehr als 40 Fraktionskollegen positive Rückmeldungen erhalten. Patzelt hatte die Aktion der Merkel-Kritiker als populistisch abgelehnt.
Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters von der CDU hat die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin verteidigt. Sie sei Merkel sehr dankbar, dass sie im September den "Gedanken der Barmherzigkeit angesichts einer drohenden humanitären Katastrophe" zum Leitbild ihres Handelns gemacht habe, sagte Grütters beim Diözesanempfang des Bistums Würzburg. Zwar gebe es bei einer Entscheidung dieser Tragweite Risiken und Unwägbarkeiten. Auch die Integration würde noch Kraft und Engagement erfordern, fügte die Politikerin hinzu. "Noch schlimmer, als daran zu scheitern, wäre es, es nicht einmal versucht zu haben."
Auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx unterstützt Merkel in der Debatte über ihre Flüchtlingspolitik. "Wir haben in der Republik heftige Diskussionen gehabt, und bemerkenswert ist, wie Angela Merkel das aushält. Respekt!", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz dem Handelsblatt.
Nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht "werden auch Ängste in der Öffentlichkeit geschürt, die das viele Positive, das in der Flüchtlingsarbeit geleistet wurde, in den Hintergrund drängen", sagte Marx. Jeder Mensch in Not, der nach Deutschland komme, müsse menschenwürdig behandelt werden und ein faires Verfahren erhalten. "Unter dieses Niveau darf man nicht sinken", mahnte der Kardinal. "Die europäische Grenze darf keine Todesgrenze sein", fügte Marx hinzu. Klar sei aber auch, dass nicht alle nach Deutschland kommenden Flüchtlinge bleiben könnten.
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