Ein Browser fordert die Netzwirtschaft heraus

  22 Januar 2016    Gelesen: 675
Ein Browser fordert die Netzwirtschaft heraus
Der ehemalige Mozilla-CEO Brendan Eich hat ambitionierte Pläne: Sein Browser Brave blockt Tracker, revolutioniert die Online-Werbung und soll nebenbei blitzschnell sein.
Das neue Projekt von Brendan Eich steckt voller Widersprüche: Es blockt Werbung, soll aber Online-Anbietern mehr Geld bringen. Es verhindert Tracking, soll aber personalisierte Werbung ausliefern. Es speichert massenhaft private Daten, soll aber die Privatsphäre der Nutzer schützen. Es ist, vorsichtig ausgedrückt, die ambitionierte Idee eines ambitionierten Mannes.

Brendan Eich hat die Grundlagen des Internets mitgestaltet, wie wir es heute kennen. Die Programmiersprache JavaScript wurde von ihm mitentwickelt, und er war einer der Gründer des Mozilla-Projekts, aus dem schließlich die Mozilla Foundation und der Browser Firefox entstanden. Eich war 2014 für kurze Zeit sogar Geschäftsführer von Mozilla, musste aber nach acht Tagen zurücktreten, nachdem bekannt wurde, dass er sechs Jahre zuvor eine Initiative für das Verbot der Ehe für Homosexuelle in Kalifornien unterstützt hatte.

Wie man das Internet repariert

Bereits im November 2015 verkündete Eich, dass er 2,5 Millionen Dollar an Startkapital für sein neue Firma Brave Software einsammeln konnte. Mit ihr wolle er die Abhängigkeit der Nutzer von großen Technik-Firmen brechen, sagte er damals.

Jetzt ist klar, was Eich damit meinte: Er will das komplette System der Online-Werbung umkrempeln, Tracking abschaffen und den Nutzern mehr Kontrolle über ihre Daten geben. All das will Eich mit dem neuen Browser namens Brave erreichen. Der Blogpost auf der neuen Firmen-Website ist wenig bescheiden mit "How to Fix the Web" überschrieben – wie man das Internet repariert. Die meisten Nutzer bezahlen nicht für Inhalte im Netz und werden es auch nicht tun, schreibt Eich. Das Web brauche daher Werbung.

"Adblocker fühlen sich an, als würde man einen Krieg starten"

Doch Werbung hat Nebeneffekte: Sie verlangsamt den Seitenaufbau, verfolgt Nutzer über mehrere Seiten hinweg und dient im schlimmsten Fall sogar als Einfallstor für Malware. Der Brave-Browser blockt daher nicht nur die Werbung, sondern auch alle Pixel, Tracker und Cookies – eben alle Tools, die Werbenetzwerke verwenden, um personalisierte Werbung auszuliefern.

Mit Adblockern und Plug-ins wie Ghostery ist es heute schon möglich, die Werbewirtschaft weitgehend außen vor zu lassen. Für Eich sind diese Tools allerdings keine Option, weil Adblocker sich "für viele Menschen nicht gut anfühlen", wie er in seinem Blogeintrag schreibt. "Es fühlt sich an wie Ausbeutung, oder sogar, als würde man einen Krieg starten", weil die Nutzer wissen, dass sie das auf Werbung beruhende Geschäftsmodell ihrer Lieblingswebsites gefährden. Brave will daher mehr sein als nur ein Adblocker oder Anti-Tracking-Browser. Brave will langfristig das Werbegeschäft im Netz vollkommen neu ordnen.

Geld verdienen beim Surfen

Sein Browser soll in Zukunft fremde Werbung durch eigene ersetzen. Die Methode ähnelt dem Vorgehen von Adware wie etwa Lenovos Superfish. Adware schleust eigene Werbung in fremde Webseiten ein, ohne die Seitenbetreiber zu bezahlen. Die Macher der Software behalten die Werbeeinnahmen für sich und profitieren von den Klicks der Nutzer. Brave dagegen möchte teilen. So sollen mindestens 55 Prozent der Einnahmen an die Websitebetreiber gehen. Normal seien in der Branche 20 bis 45 Prozent, betont Eich.

Der Rest der Einnahmen soll weiter aufgeteilt werden: 15 Prozent gehen an Brave, 15 Prozent an die Firma Sonobi, die sich um die technische Auslieferung der Werbung kümmert und 15 Prozent an die Nutzer des Browsers. Die sollen sich das Geld anschließend auszahlen lassen oder in ihre Lieblingsseiten investieren können, damit diese komplett ohne Werbung dargestellt werden. Natürlich soll das alles in Bitcoin abgewickelt werden, der digitalen Kryptowährung, mit der bisher nur sehr wenige Menschen umgehen können.

Daten sammeln für die Datensicherheit

In Zukunft plant Eich mit einem 70/30-Modell: 70 Prozent der Einnahmen für den Inhalte-Anbieter, 30 Prozent für die restlichen Beteiligten. Das hört sich nach einem guten Geschäft für die Betreiber der Websites an. Und auch der Nutzer erhält etwas Geld, dazu ein gutes Gefühl und er wird im Internet nicht mehr verfolgt. Zudem soll ihr Browser blitzschnell sein, verspricht Eich. Bleiben nur noch die Werbefirmen. Da Brave alle Tracker und Cookies blockt, können die Werbenetzwerke keine gezielte Werbung mehr ausspielen. Anstelle der Tracker soll der Browser entscheiden, welcher Nutzer welche Werbung sieht.

Schließlich sammelt Brave ähnliche Daten wie ein Werbenetzwerk: Welche Seiten wurden besucht, wie lange hat der Nutzer sie besucht, nach welchen Begriffen hat er gesucht. Die Daten werden verschlüsselt im Browser gespeichert, ohne dass Eichs Firma Zugriff darauf erhält. So soll die Privatsphäre der Nutzer geschützt und Werbefirmen zufrieden gestellt werden.

Bevor Eich mit seinem Plan das Netz verändern kann, braucht er allerdings Nutzer. Eine Menge Nutzer. Mindestens sieben Millionen Menschen müssen Brave nutzen, damit das System für Werbetreibende interessant werde, gab er im Gespräch mit der Website Venturebeat an. Und das dürfte untertrieben sein.
Utopisch?

Sollte Eich einige Millionen Menschen von seiner Idee überzeugen, muss er auch noch die Werbenetzwerke dazu bringen, ihr Milliarden-Geschäft komplett zu ändern. Die Websitebetreiber schließlich müssten das Wettrüsten gegen die Adblocker aufgeben und sich Eichs Firma anvertrauen. Zusätzlich setzt der Entwickler auf Bitcoins, die extremen Schwankungen ausgesetzt sind und von der breiten Bevölkerung kaum wahrgenommen werden. Ein schwieriges, man könnte auch sagen größenwahnsinniges Unterfangen.

Noch ist der Browser nicht für die Allgemeinheit verfügbar. Die Website bietet lediglich ein Registrierungsformular für die Beta-Version an. Außerdem können sich Entwickler den Code für alle Betriebssysteme auf Github ansehen. Der Browser wird derzeit für Android, iOS, OS X, Windows und Linux entwickelt.

Tags:


Newsticker