CDU zerpflückt Finanzierungskonzept des Koalitionspartners SPD

  22 Mai 2019    Gelesen: 862
CDU zerpflückt Finanzierungskonzept des Koalitionspartners SPD

Haushälter, Sozialpolitiker, Tourismusbeauftragte: Aus der CDU hagelt es Kritik am Finanzierungskonzept der SPD für die Grundrente. Von "Luftbuchungen" und "Offenbarungseid" ist die Rede. Wie es anders ginge, ließen die Gegner offen.

Aus der Union kommt massive Kritik an den Plänen der SPD zur Finanzierung der Grundrente. Nach wochenlanger Verhandlung hatten sich Finanzminister Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) am Dienstag auf ein gemeinsames Konzept zur Finanzierung der Grundrente geeinigt, die 2021 kommen soll.

Das Konzept des Koalitionspartners bestehe "allein aus Luftbuchungen", sagte Eckhardt Rehberg, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. "Kein Cent davon ist real vorhanden. Mit allen Tricks sollen über vier Milliarden Euro zusammengekratzt werden: Steuererhöhungen, diffuse Einsparungen und Anzapfen der Sozialversicherungskassen." Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe sprach von einem "finanzpolitischen und sozialpolitischen Offenbarungseid".

Heil will seinen Gesetzentwurf an diesem Mittwoch in Berlin vorstellen. Im ersten Jahr der möglichen Einführung 2021 rechnet das Ministerium mit Kosten in Höhe von 3,8 Milliarden Euro. Bis 2025 steigt dieser Betrag auf jährlich 4,8 Milliarden Euro. 50 Prozent davon sollen durch Steuereinnahmen finanziert werden, bis 2024 soll dieser Anteil sogar auf 70 Prozent steigen. Der Rest soll aus Beiträgen der Arbeitslosen- und Krankenversicherung finanziert werden.

Die Grundrente sollen Rentner bekommen, die 35 Jahre lang gearbeitet und Beiträge bezahlt haben, aber trotzdem nur Mini-Renten beziehen. Zeiten von Kindererziehung und Pflege sollen mitgezählt werden. Laut Rentenversicherung würden etwa drei Millionen Rentner davon profitieren.

Das Papier nennt als Beispiel eine Friseurin mit rund 1500 Euro brutto Monatseinkommen. Sie käme ohne Grundrente nach 40 Beitragsjahren auf eine Rente von rund 512 Euro - ein Betrag unterhalb der Grundsicherung. Nach dem neuen Modell hätte sie künftig Anspruch auf eine Grundrente von rund 960 Euro.

Um das zu finanzieren, will Heil auf den umstrittenen Griff in die Rücklage der Rentenkasse verzichten. Aber auch die von der Union geforderte Bedürftigkeitsprüfung soll es nicht geben.

Um die Milliardenkosten zu decken, rechnet die SPD unter anderem mit Einnahmen aus der europäischen Finanztransaktionssteuer in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr - die es bisher aber noch gar nicht gibt. Weitere 700 Millionen Euro soll die Rückabwicklung der sogenannten Mövenpick-Steuer bringen. Dieses Mehrwertsteuer-Privileg war 2009 auf Druck der FDP eingeführt worden, der Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen wurde damals von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Ihren Namen verdankt diese Steuererleichterung dem Umstand, dass die FDP zuvor eine Millionen-Wahlkampfspende von einem Miteigentümer der Mövenpick-Hotelkette erhalten hatte.

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung reagierte empört. "Das machen wir nicht mit", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß (CDU). "Die Ideen von Scholz würden über 40.000 kleine und mittelständische Hotel- und Beherbergungsbetriebe im Mark treffen und zu enormem Mehrbelastungen führen." Würden die Pläne umgesetzt, führte dies auch zu Wettbewerbsverzerrung, weil in den Nachbarländern überwiegend ein reduzierter Steuersatz gelte.

Gröhe kritisierte vor allem den Plan, auf eine Bedürftigkeitsprüfung zu verzichten. "Das ist ein milliardenschwerer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag, in dem wir uns auf eine Bedürftigkeitsprüfung verständigt haben", sagte der CDU-Politiker der Onlineausgabe der "Rheinischen Post". Da die Union sich darauf nicht einlassen könne, müssten jetzt jene Menschen auf die Grundrente warten, die das Geld wirklich bräuchten.

Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak lehnt die Grundrenten-Pläne des Koalitionspartners SPD ab. "Die SPD hat diese Woche vor allem eins gemacht: in diesem Wahlkampf ein Wahlkampfmanöver - und hat jetzt noch etwas vorgelegt, was nichts mit dem zu tun hat, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist", sagte Ziemiak im ARD-"Morgenmagazin". Das Vorhaben sei zudem weder finanziert noch gerecht. "Es ist jetzt Wahlkampf, das ist in Ordnung, aber da muss Hubertus Heil noch einmal ran", sagte Ziemiak. Die SPD sei nervös: "Und nächste Woche sieht die Welt anders aus."

Heil verteidigte das Konzept dagegen als solide und tragfähig. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe ihn aufgefordert, einen mit dem Finanzminister abgestimmten Gesetzentwurf vorzulegen, sagte Heil am Dienstagabend im ZDF. Dies habe er getan. "Ich setze darauf, dass, wenn wir das in der Koalition besprechen, wir das am Ende auch beschließen, damit es am 1.1.2021 eine Grundrente gibt, die den Namen auch verdient."

Sein Vorschlag sei "kein Vorratsthema für irgendwelche Wahlkämpfe", versicherte der Sozialminister. "Das ist tragfähig in guten wie in schlechten Zeiten. Das kann unser Land schaffen. Und jetzt werden wir in der Koalition miteinander beraten." SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte, eine Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung sei für die SPD nicht verhandelbar. "Die Union muss sich nun bewegen."

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer wertete den Vorstoß als Wahlkampfmanöver. "Das ist billiger SPD-Populismus kurz vor der Europawahl. Mit der Gießkanne kurz vor der Wahl Geld verteilen zu wollen, hat nichts mit seriöser Politik zu tun", sagte Theurer.

Rückendeckung bekommt Heil dagegen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). "Die Abschaffung der Mövenpick-Steuer und die Einführung der Finanztransaktionssteuer fordern die Gewerkschaften bereits seit Langem", sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Die Koalition sollte nun über die Grundrente beraten und das Konzept rasch auf den Weg bringen."

spiegel


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